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„Es geht wieder langsam aufwärts“

Die Leute kaufen vor allem Dinge des täglichen Bedarfs.Foto: Wolschendorf
Die Leute kaufen vor allem Dinge des täglichen Bedarfs. Foto: Wolschendorf
Die durch die Coronakrise ausgelöste Schockstarre bei den Konsumenten löst sich, wie Marktforscher beobachten. Doch ob die Kauflust jemals wieder das Vorkrisenniveau erreicht? Daran zweifeln die Experten.

Ludwigsburg/Nürnberg. „Die Verbraucher erwachen aus der Schockstarre“, beobachtet das Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK, das für seine Studie im Auftrag der EU-Kommission 2000 Menschen in Deutschland zwischen 3. und 15. Juni zum privaten Konsum befragt hat. Damit kehren die Verbraucher trotz Maskenpflicht und Coronaängsten in die Fußgängerzonen zurück – immer häufiger zum Einkaufen, oft genug aber nur zum Schaufensterbummel. Ähnlich sieht das der Handel: „Es geht wieder langsam aufwärts“, sagt Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Textil (BTE). „Es gibt Innenstadtakteure, welche von einem fast ,normalen‘ Tagesgeschäft berichten“, bestätigt Citymanager Markus Fischer vom Ludwigsburger Innenstadt-Verein (Luis). „Dies bezieht sich auf jene Händler, die notwendige Verbrauchsgegenstände im Sortiment haben. Ein Beispiel sind Kinderschuhe, die werden natürlich nachgefragt.“ Manche Bereiche – so bei Fahrrädern – verzeichneten Umsatzanstiege.

Die wenigsten Händler könnten die Zeit des Lockdowns aufholen. „Textil- und Schuhgeschäfte verzeichnen Einbrüche von bis zu 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, hebt Fischer hervor. Und: „In der letzten Luis-Umfrage im Mai haben 38 Prozent unserer Mitglieder ihre Existenz bedroht gesehen. Wir werden die Umfrage in Kürze wiederholen und sind auf die Ergebnisse gespannt.“ Die Kundenfrequenz sei in der Innenstadt bisher mindestens ein Drittel niedriger als im Vorjahr, so Fischer.

Auch in der Ludwigsburger Wilhelmgalerie sieht man ein Licht am Ende des Tunnels. „Nachdem das Konsumklima im April einen Tiefpunkt erreicht hatte, stellen wir nun fest, dass mit den ersten Lockerungen sich auch die Verbraucherlaune in Ludwigsburg aufhellt“, betont Sarah Hildbrand, die Center-Managerin. Die Lage sei sehr durchwachsen. „Einige Mieter berichten, dass die Durchschnitts-Bons höher sind, allerdings ist dies branchenspezifisch und bezieht sich hierbei auf den Bereich Nahversorger.“ Gefragt seien auch Einrichtungsgegenstände, Wohnaccessoires, Spielwaren und Kinderbekleidung. „Wir haben Mieter, die immer noch mit Umsatzeinbußen zu kämpfen haben“, sagt Hildbrand.

„Wir liegen noch deutlich unter der Kundenfrequenz des vergangenen Jahres“, erklärt auch Christoph Sprenger, Geschäftsführer des Modehauses Oberpaur. „Es werden Zieleinkäufe gemacht, ein lockerer Einkaufsbummel mit Maske – das funktioniert nicht.“ Das „Bummeln“ falle weg, findet auch Citymanager Fischer. „Und dieses Geld fehlt definitiv.“ Bei Oberpaur verkaufen sich Kinderkleidung, Damenhosen und T-Shirts gut. Formelle Business- und Abendbekleidung für Männer und Frauen laufe in Homeoffice-Zeiten eher schlecht. „Der Sakko-Bereich liegt darnieder“, sagt Sprenger.

Gestützt werden diese Einschätzungen von den Zahlen des auf Kundenfrequenzen spezialisierten Unternehmens Hystreet. „Es gibt Städte, in denen die Besucherfrequenzen das Vorkrisenniveau fast erreicht haben“, sagt Hystreet-Chef Julian Aengenvoort. Das gelte für Aachen, Dresden, Flensburg oder Kiel.

Die Belebung in den Fußgängerzonen dürfte noch nicht mit einer Rückkehr der alten Kauflust gleichgesetzt werden, mahnt BTE-Hauptgeschäftsführer Pangels. „Die Maskenpflicht schreckt viele Leute noch immer ab.“

Eine bundesweite Umfrage des Branchenblatts Textilwirtschaft unter Händlern ergab, dass die Umsätze in der vergangenen Woche im Durchschnitt noch acht Prozent unter dem Vorjahresniveau lagen. Zwei Wochen vorher waren es sogar 36 Prozent.

„Das schwache Licht am Ende des Tunnels wird etwas heller“, betont der GfK-Experte Rolf Bürkl. Zwar steckt der Konsumklima-Indikator der Marktforscher nach wie vor tief im Minus. Was die konjunkturellen Aussichten angehe, sei die Zuversicht bei den Verbrauchern aber zurückgekehrt. Der GfK-Indikator für die Konjunkturerwartung liegt bei 8,5 Zählern und damit über dem Mittel von null. Die Anschaffungsneigung steige, so die Marktforscher. Dennoch bleibe die Situation angesichts einer Rekordzahl an Kurzarbeitern sowie steigender Arbeitslosenzahlen schwierig. Hinzu komme das Risiko eines Coronarückschlages. Deutschland sei noch nicht über den Berg. Fraglich sei, ob das Konjunkturklima jemals wieder den Wert von vor der Krise erreichen werde. „Es könnte sich herausstellen, dass sich das Kaufverhalten ändert“, so Bürkl.