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Geringere Haftstrafen für falsche Polizistinnen in Aussicht

Die Betrüger meldeten sich per Telefon bei dem Ludwigsburger. Foto: Arno Burgi/dpa
Die Betrüger meldeten sich per Telefon bei dem Ludwigsburger. Foto: Arno Burgi/dpa
Urteil gegen geständige Mutter und Tochter am nächsten Dienstag – Beweisaufnahme ruft Dreistigkeit in Erinnerung: Ein Anrufer gab sich sogar als Polizeipräsident aus

Freiberg. Der Prozess um die Betrügereien der falschen Polizisten zum Nachteil eines 84-jährigen Rentners aus Freiberg, einer betagten Frau aus Heilbronn und drei weiterer Opfer bundesweit mit einem Schaden von weit über einer halben Million Euro geht seinem Ende entgegen – und könnte für die zwei angeklagten Frauen glimpflicher ausgehen. Denn die vorgeworfene Mittäterschaft in einer Bande könnte wegfallen, stattdessen nur noch eine Verurteilung wegen Unterstützung einer Betrügergruppe infrage kommen. Diesen Hinweis machte am gestrigen vorletzten Verhandlungstag die 2. Große Strafkammer des Heilbronner Landgerichts in Richtung Anklagebank. Mutter und Tochter, 57 und 28 Jahre alt, könnten dann mit Strafen bis zweieinhalb beziehungsweise fünfeinhalb Jahren davonkommen. Teilweise sei nur Betrugsbeihilfe nachweisbar.

Hintergrund ist, dass die beiden Frauen, die als Abholer der Geldbeträge tätig gewesen seien, nach sieben Wochen Verhandlungsdauer Geständnisse abgelegt hatten. Vorausgegangen waren die Angebote der Richter, dafür mildere Strafen zu verhängen.

Auch hat die Strafkammer dem Antrag der Verteidigung auf Freilassung der 57-jährigen Frau, deren Tatbeiträge geringer eingestuft werden, inzwischen doch stattgegeben. Lediglich ihre Tochter sitzt noch in Untersuchungshaft. Sie soll nach der Einschätzung eines Sachverständigen wegen ihrer Drogensucht eine mindestens zwei Jahre dauernde Entzugstherapie auferlegt bekommen, die jedoch auf die Strafzeit angerechnet wird. Ansonsten sei eine Strafmilderung wegen Drogenabhängigkeit ausgeschlossen.

Zwölf Einträge bei der Jüngeren

Nach dem gestern verlesenen Vorstrafenregister ist die 28-Jährige strafrechtlich keine Unbekannte: Unter den zwölf Einträgen sind mehrere Diebstähle, gefährliche Körperverletzungen, Nötigung, Beleidigung und Rauschgiftdelikte. Eine letzte Bewährung ist noch offen. Ihre Mutter hingegen ist wegen Steuerhinterziehung vorbestraft. Welchen Strafantrag der Staatsanwalt gegen sie stellt, will der Ankläger am nächsten Prozesstag, am 12. Januar, entscheiden. An diesem Tag sollen dann auch die Urteile gefällt werden.

Erneut ins Gedächtnis gerufen hat das Gericht gestern durch die Verlesung der Vernehmungsprotokolle dreier Opfer die besondere Dreistigkeit, mit der die falschen Polizisten durch ihre in der Türkei ansässige Telefon-Callcenter ihre Opfer suchen und finden: Der 84-jährige Freiberger Rentner bekam am 22. März 2018 einen Anruf von einem angeblichen Oberkommissar der Polizeidirektion Ludwigsburg, in dem er ihm mitteilte, man hätte einige Diebe festgenommen, aber es würden noch mehrere schwer bewaffnete russische Mafia-Täter frei sein, die einen Überfall auf ihn im Schilde führten. Durch geschicktes Reden brachte man den Mann aus Freiberg dazu, mehrere Goldbarren sowie Bargeld, das angeblich in seinem Haus nicht mehr sicher sei, vor die Türe zu legen.

Eine Heilbronnerin, die um 28000 Euro erleichtert wurde, habe „der Heilbronner Polizeipräsident“ persönlich angerufen und sie aufgefordert, alles Bargeld von der Bank abzuheben, weil dort ein Komplize hinter dem Schalter sitzt, der es auf ihr Geld abgesehen habe. Selbst beim Abheben bei der Bank, so schilderte es diese Geschädigte den echten Beamten, sei sie noch auf einen möglichen Betrug hingewiesen worden. Auf die Frage, wofür sie so viel Geld benötige, habe sie getreu der Vorgabe gesagt, sie wolle renovieren. Auch diese 28000 Euro sah sie nicht wieder.

Eine Rentnerin passt auf

Die Opfer waren angesichts ihres hohen Alters nicht direkt in den Zeugenstand des Heilbronner Landgerichts gerufen worden. Nur in einem Fall hatte eine Rentnerin den Betrug rechtzeitig bemerkt, als sie bereits am Bankschalter war. Dort wurde dann die echte Polizei gerufen. Sie wäre beinahe 2500 Euro losgeworden, die sie für ihre spätere Beerdigung angespart hatte.