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Intensivmediziner schlagen Alarm

Bis zu 40 Prozent der Intensivbetten in Baden-Württemberg könnten demnächst von Covid-19-Patienten belegt sein, warnt RKH-Intensivchef Götz Geldner. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa
Bis zu 40 Prozent der Intensivbetten in Baden-Württemberg könnten demnächst von Covid-19-Patienten belegt sein, warnt RKH-Intensivchef Götz Geldner. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa
Jetzt kämen „die Osteropfer“ auf den Intensivstationen im Südwesten an. Das sagt Professor Götz Geldner, der Koordinator der intensivmedizinischen Kapazitäten in Baden-Württemberg. Der Ärztliche Direktor der Ludwigsburger RKH-Kliniken fordert von der Politik daher zum wiederholten Male einen harten Lockdown, um den Druck auf die Kliniken zu vermindern.

Kreis Ludwigsburg. „Die Entwicklung ist besorgniserregend, weil wir Ende April voraussichtlich eine Belegung der Intensivbetten mit Covid-Erkrankten von 40 Prozent erreichen“, sagt Geldner voraus. Jetzt kämen die Patienten, die sich über die Osterfeiertage angesteckt haben, in den Krankenhäusern an.

Die Zeit, die von der Ansteckung bis hin zu den schwersten Verläufen vergeht, lässt sich auch im Landkreis ein Stück weit am Vergleich der Sieben-Tage-Inzidenz mit der Zahl der Todesfälle ablesen: Seit Beginn der zweiten Welle erreichte die Zahl der an und mit Covid-19 Verstorbenen stets einen Monat nach einem neuen Höchststand der Neuinfektionen ebenfalls ein neues Maximum. So erreichte die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis im November erstmals den Wert von 162, im Dezember stieg die Zahl der Toten von 40 auf 89. Im selben Monat stieg die Inzidenz weiter auf 205,2 am 23. Dezember, im Januar erlagen dann 101 Menschen dem Virus. Dem Rückgang der Inzidenz im Januar und Februar folgten – ebenfalls im monatlichen Versatz – weniger Sterbefälle im Februar und März, doch seit Mitte April liegt die Inzidenz wieder bei Werten um 200.

Die Folgen auch für die Intensivstationen scheinen vorprogrammiert. Etwa ein Drittel der Intensivbetten im Land sei bereits jetzt mit Covid-Patienten belegt, sagt Geldner. An den RKH-Kliniken in Ludwigsburg und Bietigheim selbst ist die Lage allerdings noch etwas besser: In Ludwigsburg lagen gestern in zwölf der wegen der Pandemie auf 59 aufgestockten Intensivbetten Coronapatienten – ein Anteil von 20,3 Prozent. In Bietigheim waren vier von 15 Intensivbetten mit Covid-19-Kranken belegt, gleich 26,7 Prozent.

Indessen: Die Patienten sind laut Geldner im Vergleich zu den ersten beiden Pandemie-Wellen nun deutlich jünger, weshalb sie auch eine längere Verweildauer auf den Intensivstationen hätten; „Die Patienten auf Intensiv sind aktuell zwischen 45 und 65 Jahren alt, während sie in den ersten beiden Wellen überwiegend 70 Jahre und älter waren.“ Dies sei sicherlich auch damit zu erklären, dass die meisten älteren Menschen inzwischen geimpft sind. „Jüngere Menschen liegen meist länger auf der Intensivstation“, bestätigt Professor Claus Neurohr, Chefarzt an der Klinik Schillerhöhe in Gerlingen, seinen Ludwigsburger Kollegen. Das sei nicht zuletzt eine Frage der Lebensperspektive: „Ein 55-Jähriger will natürlich auf die Intensivstation.“ Ein 85-Jähriger habe oftmals eine Patientenverfügung und schließe beispielsweise im Gespräch mit den Ärzten eine künstliche Beatmung aus. „Solche Patienten kommen dann gar nicht auf die Intensivstation.“

Wenn noch mehr Covid-Patienten mit höherer Verweildauer auf den Intensivstationen landeten, werde es eng für andere Intensivpatienten und Notfälle, warnt Geldner. Die bräuchten im Normalbetrieb um die 60 Prozent der Kapazitäten. Derzeit sei das Versorgungsniveau für die Patienten aber noch auf einem hohen Stand – die Verschiebung etwa von Krebsoperationen, wie sie der dortige Chefarzt, Professor Michael Bauer, im ZDF für die Jenaer Universitätsklinik schilderte, sei in den RKH-Kliniken bisher kein Thema: Bislang seien dort „noch keine dringenden Operationen verschoben oder abgesagt worden“.

Auch die Versorgung von Notfallpatienten ist laut Geldner in Ludwigsburg und Bietigheim nicht gefährdet: „Grundsätzlich“ werde von den RKH-Kliniken kein Notfallpatient abgewiesen. Bei mangelnder Kapazität werde im Einzelfall mit einem geeigneten Krankenhaus in der näheren Umgebung, das noch mehr Kapazitäten hat, geklärt, ob der Patient dort aufgenommen und versorgt werden kann. Solche Einzelfälle haben es auch schon vor der Pandemie insbesondere zwischen dem Robert-Bosch-Krankenhaus und dem Klinikum Ludwigsburg gegeben.

Zwischen 1. und 11. April sind laut Geldner in Baden-Württemberg 57 Patienten von einem Krankenhaus in ein anderes verlegt worden, zum einen wegen fehlender Plätze, zum anderen wegen der größeren medizinischen Möglichkeiten im anderen Haus.