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Flüchtlinge
Kaffeetrinken mit dem Bürgermeister

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Die Flüchtlinge im Begegnungscafé Neckarweihingen führen sich durch den Besuch des Ersten Bürgermeisters Konrad Seigfried geehrt. Der 21 Jahre alte Syrer Ahmed Allejji spricht sehr gut Englisch und scheut sich nicht, dem Bürgermeister Fragen zu stellen. Foto: Benjamin Stollenberg
Konrad Seigfried besucht das Begegnungscafé Asyl und ist beeindruckt vom Engagement in Neckarweihingen

Ludwigsburg. Eine gute und eine schlechte Nachricht gab es für Ferad Al Nabl Si: Der 39-jährige Syrer darf in Deutschland bleiben. Doch mit seiner Anerkennung kam zugleich die schlechte Nachricht. Er muss aus der Flüchtlingsunterkunft in der Neckartalstraße ausziehen. Weil er alleine keine Wohnung finden konnte, muss er nun in eine Obdachlosenunterkunft in Markgröningen ziehen. All das versucht er, mit Hilfe eines Dolmetschers dem Ersten Bürgermeister Konrad Seigfried zu erzählen.

In der neuen Unterkunft ist er der einzige Syrer, niemand spricht arabisch. Gerne würde er in Neckarweihingen bleiben, da hat er sich zum ersten Mal seit seiner Flucht aus Damaskus ein kleines bisschen zu Hause gefühlt. Dass er so gut Fuß fassen konnte, ist dem Arbeitskreis Asyl Neckarweihingen zu verdanken. „Diese Menschen hier sind wunderbar“, sagt der 39-Jährige.

„Es ist einfach großartig, was hier entstanden ist“, sparte Konrad Seigfried nicht mit Lob. Es müsse einen Kristallisationspunkt für den ehrenamtlichen Einsatz geben. „Es ist mustergültig, wenn ein Kinder- und Familienzentrum den Nukleus bildet.“ Seine Erfahrung: Bei der Betreuung der Flüchtlinge dominiert die ehrenamtliche Hilfe vor dem Hauptamt. Auch die pädagogischen Fachkräfte aus dem Kifaz setzen sich in ihrer Freizeit für die Flüchtlinge ein.

Andernorts sind Kirchengemeinden der Ursprung für Asylkreise, in Neckarweihingen haben die Mitarbeiterinnen des Kinder- und Familienzentrums (Kifaz) Alexandra Kurz, Gabriele Graef und Jessica Gürsch im Oktober 2014 die Initiative ergriffen. Zunächst haben sie Spenden gesammelt, später das Begegnungscafé im Kifaz ins Leben gerufen. „Anfangs sind wir in die Unterkunft gegangen und haben die Menschen abgeholt, heute kommen sie von allein“, erzählen die Frauen. Zu viel Lob weisen sie aber bescheiden zurück. „Wir profitieren auch von den Begegnungen“, sagt Jessica Gürsch. „Es ist doch toll, so viele Menschen aus verschiedenen Kulturen kennenzulernen. Es sind Freundschaften entstanden.“ Die Mitarbeiterinnen des Kifaz engagieren sich auf vielen Ebenen und versuchen auch bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Sie übersetzen und versuchen, ihren Schützlingen die deutsche Wohnkultur zu vermitteln.

Sie sehen keinen Widerspruch darin, dass sie sich als Fachkräfte aus dem Kifaz um die Männer in der Unterkunft kümmern. „Schließlich steckt hinter jedem dieser Männer eine Familie.“ So auch hinter Ferad Al Nabl Si, der an diesem Tag den Umzug in die Obdachlosenunterkunft verkraften muss. Doch seine größte Sorge gilt seiner Familie. Die ist nämlich immer noch in Damaskus, weil angeblich Papiere fehlen, kann sie nicht nachziehen. Inständig bittet er den Ersten Bürgermeister, sich für seine Familie einzusetzen. Dass Seigfried sich seinen Namen notiert, ist ein Hoffnungsschimmer für ihn.

In Neckarweihingen leben überwiegend männliche Flüchtlinge – die nicht an jedem Standort gern gesehen werden. Am Sonnenberg beispielsweise haben sich die Anwohner ausdrücklich Familien, Frauen und Kinder gewünscht. Die Ehrenamtlichen in Neckarweihingen begegnen den Menschen mit Warmherzigkeit und vielen Ideen. Maria José Piqueras Solana beispielsweise hat beim VfB Stuttgart Karten für das Bundesligaspiel gegen Darmstadt ergattert. Auch für eine Drittligabegegnung der SG Sonnenhof Großaspach hat sie freien Eintritt erwirkt.

Georg Geiger ist auch zum Kaffeetrinken ins Kifaz gekommen. Der Abteilungsleiter Fußball beim Turnverein Neckarweihingen kennt die Flüchtlinge vom wöchentlichen Training, das er seit einem Vierteljahr anbietet. Etwa 20 junge Männer sind mit Begeisterung auf dem Platz dabei – doch die volle Integration in den Verein sei schwierig, wie der Fördervereinsvorsitzende Holger Kopp erklärt. „Die Aufnahme in den Verein ist schwierig“, so Kopp. Sie scheitere nicht nur am Jahresbeitrag, auch der ungewisse Aufenthaltsstatus stehe dieser entgegen. Wie umständlich es zuweilen auch im Sport zugehen kann, zeigt das Beispiel des jungen Fußballers aus Gambia. Er habe sich beim Training so gut angestellt, dass er sich für die 1. Mannschaft des TVN eigne. Doch der Antrag für einen Spielerpass liege seit Wochen beim Deutschen Fußballbund (DFB). Der DFB müsse erst in Gambia nachfragen, ob der Spieler dort nicht auch für eine Mannschaft spiele, heißt es. Darüber können Georg Geiger und Holger Kopp nur den Kopf schütteln. Die größte Hürde ist nicht immer die Sprache, manchmal ist es einfach die Bürokratie.

Der 21-jährige Ahmed Allejji aus Syrien kann sich gut verständigen, er spricht fließend Englisch. Auch er sucht das Gespräch mit dem Ersten Bürgermeister. Seine Anregung mit Blick auf die Anschlussunterbringung: Die Stadt soll doch einmal darüber nachdenken, große Häuserkomplexe mit vielen kleinen Wohnungen zu bauen, um die große Zahl der Menschen unterzubringen. „Dann müsste niemand mehr in eine Obdachlosenunterkunft.“