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Kessing: „Sind noch nicht durch die Krise“

Auch wenn nun mehr Auslastung erlaubt ist als bei diesem Konzert vergangenen Herbst im Kronenzentrum: Die Kultur wird weiterhin unter Corona leiden, vor allem finanziell. Archivfoto: Andreas Becker
Auch wenn nun mehr Auslastung erlaubt ist als bei diesem Konzert vergangenen Herbst im Kronenzentrum: Die Kultur wird weiterhin unter Corona leiden, vor allem finanziell. Foto: Andreas Becker
Die Stadtverwaltung Bietigheim-Bissingens hat den Etatentwurf für 2022 vorgestellt. Auch er wird wieder defizitär sein, wenngleich sich eine Besserung abzeichnet. Gespart werden muss aber weiterhin.

Bietigheim-Bissingen. Als vor fast genau einem Jahr der Bietigheim-Bissinger Haushalt für 2021 eingebracht wurde, herrschten die dunklen Töne vor, nach dem drastischen Einbruch der Wirtschaftsleistung und damit der Steuereinnahmen für die Stadt sowie im Angesicht eines weiteren Lockdowns. Seit Dienstag liegt dem Gemeinderat der Entwurf für das kommende Jahr vor – „äußerlich in neuem Glanz“, so Oberbürgermeister Jürgen Kessing in seiner Rede zur Einbringung des Etats. Von „glänzenden Jahren“ könne man inhaltlich zwar nicht sprechen – ganz so grau wie 2020 wird die Lage aber nicht mehr gesehen, wenngleich es sicher noch zwei, drei Jahre dauern werde, um wieder etwas mehr Normalität zu bekommen, so Kessings Einschätzung. So lange werde die Stadt bei den Ausgaben auch weiter sparen und sich auf die Kernaufgaben – allein Ausbau und Sanierung von Kitas und Schulen kosten mehr als 12 Millionen, dazu kommen erste Ausgaben von 6 Millionen für die Kita im Neubaugebiet Lothar-Späth-Carré – konzentrieren müssen. „Wir sind noch nicht durch die Krise.“

Denn auch wenn die Stadt weiterhin alles dransetze, keine Schulden zu machen, so ist die Liquidität nach wie vor, wenngleich rückläufig, negativ (-24 statt -30 Millionen Euro) und man wird erneut ein Defizit ausweisen, das Ergebnis könnte am Jahresende -5,7 Millionen Euro betragen (nach aktuell fast minus 17 Millionen). Damit ist der Haushalt zwar erneut nicht ausgeglichen, aber die Aufsichtsbehörde dulde das, auch wegen der bisherigen langfristigen Entwicklung der Großen Kreisstadt – und der Tatsache, dass man wie gefordert 2021 bereits die Einnahmesituation verbessert habe. Zum ersten Mal seit mehr als 25 Jahren wurden Steuern erhöht. Auch durch diese Maßnahme rechnet man nun mit 27 Millionen Euro Gewerbesteuer. Für dieses Jahr wurden 22,5 Millionen erwartet, laut Finanzzwischenbericht sind es nun aber mehr. Insgesamt ist jedoch die Kalkulation schwierig, Kessing berichtete von Bekanntgaben über sechsstellige Beträge einer Firma, kurz darauf lag der neu gemeldete Wert bei null. Passend dazu gab er auch Details zu Insolvenzen bekannt, hatte die Stadt hierdurch 2020 Forderungsausfälle über gut 39000 Euro, so sind es im aktuellen Jahr schon über 150000 Euro, für 2022 rechnet man mit über 200000 Euro. Da macht immerhin Hoffnung, dass es für den Haushalt ein Plus auch beim Anteil an der Einkommensteuer (von 28,9 auf 30,2 Millionen) und vor allem bei den Schlüssel- und allgemeinen Zuweisungen (16,8 statt 11,1 Millionen) geben soll. Doch die werden 2024 zu höheren Auszahlungen bei den Umlagen von Kreis und Land führen, so Kämmerer Jens Dörr.

Rund 40 Millionen Euro wird Bietigheim-Bissingen 2022 allein an Umlagen zahlen müssen – fast genauso viel wie die stetig steigenden Personalausgaben, die mit 43,2 Millionen Euro (2021: 40,6) 32,5 Prozent der gesamten Aufwendungen ausmachen. Und das ist einer der weiteren Punkte neben den Coronafolgen, der finanzielles Ungemach bringt. Schon jetzt entfällt ein großer Teil dieser Ausgaben auf die Kinderbetreuung – und wird durch den kürzlich vom Bund beschlossenen gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 weiter steigen. „Da weiß keiner, wie er das finanzieren soll“, ärgert sich Kessing darüber, dass den Kommunen eine Leistung auferlegt werde, ihnen aber nicht gleichermaßen finanziell geholfen werde. Immerhin: Ganz so unerwartet kommt der geforderte Ausbau angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen nicht. Unklar ist aber, für wie viel Prozent der Kinder tatsächlich ein Betreuungsplatz benötigt wird – bei denen unter drei Jahren war für rund ein Drittel geschätzt worden, Bietigheim-Bissingen biete diese Möglichkeit gar für die Hälfte an, und es reiche trotzdem noch nicht, so Kessing.

Bad- und Tribünenbau müssen warten

Sparen könne man in diesem Bereich kaum – dafür aber anderswo. Die großen Investitionsvorhaben wie der Ersatz für das Bissinger Hallenbad – mit dem Neubau hätte man 2022 beginnen können –, die Tribünenüberdachung und Umkleide des Stadions im Ellental sowie die Aufwertung des Mettertals liegen weiter auf Eis, zudem werde gerade beim Straßenunterhalt nur noch das Nötigste gemacht. Getroffen hat es auch schon die Vereine, deren Zuschüsse um 25 Prozent gekürzt wurden (nicht betroffen ist die Jugendförderung) – hier könnte es bei einer guten Entwicklung über den Nachtragshaushalt in einem halben Jahr wieder mehr Geld geben. Zudem war auch die Verwaltung selbst gefragt, für 2022 wurden die einzelnen Ämter erneut aufgefordert, Sparvorschläge zu machen – „das hat keine große Begeisterung ausgelöst“, so Dörr. Ergebnis: Um 2,5 Millionen Euro wurde im Vergleich zu den Wünschen der Ämter schon abgespeckt. „Der Sparwille innerhalb der Verwaltung ist sehr groß“, so Kessing.

Und das trifft offenbar vor allem den kulturellen Bereich, um 160000 Euro wurde der Etat gekürzt. „Wir werden mehr selektieren bei unseren Veranstaltungen“, so Kessing, der in dem Zusammenhang auch von derzeit deutlich geringeren Auslastungen als erlaubt berichtet. Viele Menschen seien noch vorsichtig, man werde deshalb verstärkt Freiluftveranstaltungen anbieten. Der Pferdemarkt aber soll nicht angetastet werden, so Dörr, das sei schließlich das Aushängeschild.