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Kork und Sand statt dicke Klumpen

Trotz der Verklumpungen des Gummigranulats ist aktuell auf dem Kunstrasenplatz in der Sportanlage Tamm noch ein Trainings- und Spielbetrieb möglich. Fotos: Holm Wolschendorf
Trotz der Verklumpungen des Gummigranulats ist aktuell auf dem Kunstrasenplatz in der Sportanlage Tamm noch ein Trainings- und Spielbetrieb möglich. Foto: Holm Wolschendorf
Verschiedene Gründe führen dazu, dass das Granulat verklebt.
Verschiedene Gründe führen dazu, dass das Granulat verklebt.
So sahen die Schuhe von Schiedsrichter Metin Üven nach dem Spiel aus. Foto: privat
So sahen die Schuhe von Schiedsrichter Metin Üven nach dem Spiel aus. Foto: privat
Die Hitze des vergangenen Sommers hat sich auch auf Kunstrasenplätze im Landkreis Ludwigsburg ausgewirkt. Das Gummigranulat verklumpt regelrecht unter den Fußballschuhen, was diese beschädigen und für Verletzungen sorgen kann. Auch der Platz in der Sportanlage Tamm ist betroffen.

Tamm. Metin Üven aus Marbach ist Schiedsrichter im Württembergischen Fußballverband und hat unlängst das Pokalspiel VfB Tamm gegen TSV Korntal geleitet. Anschaulich berichtet er unserer Zeitung, wie es ihm fernab vom sportlichen Geschehen auf dem Kunstrasenplatz ergangen ist: „Im Laufe des Spiels entstanden Klumpen an den Schuhen, das Granulat klebte sich fest, und es entstand ein ‚zweiter Fuß‘. Das könnte Schäden an Bändern und Gelenken nach sich ziehen, weshalb er im Interesse der Spieler darum bitte, Abhilfe zu schaffen. Seine Schuhe seien „eigentlich nicht mehr brauchbar“.

In der Tammer Stadtverwaltung ist das Problem schon längere Zeit bekannt. Doch: „In dieser Form hatten wir es noch nie – das hat sich diesen Sommer massiv verschärft“, sagt Christian Schäuffele von der Stabsstelle des Bürgermeisters auf Anfrage unserer Zeitung. Weil es auch bei Kunstrasenplätzen anderer Kommunen wie Walheim und Kornwestheim zu Verklumpungen kam, sei man im regen Austausch miteinander. Am vergangenen Montag trafen sich vor Ort Vertreter der Stadtverwaltung und des VfB Tamm mit Mitarbeitern der Firma Garten Moser aus Reutlingen, die für den Unterbau des Platzes sorgte, und der Firma Polytan, die das Gummigranulat einst einbrachte. Vor zwölf Jahren war das, 2011 wurde der Platz eingeweiht. Eines der ersten Erkenntnisse: Das Gummigranulat verklumpte in erster Linie wegen der Hitze des vergangenen Sommers. Zweite Erkenntnis: Die Gewährleistungspflicht ist inzwischen abgelaufen. Dritte Erkenntnis: Um den Platz wieder herzurichten, muss die Stadt einiges an Geld in die Hand nehmen.

So soll als Sofortmaßnahme eine außerplanmäßige Intensivreinigung des Platzes stattfinden, die üblicherweise einmal pro Jahr gemacht wird und zuletzt am 15. Juli erledigt wurde. Rund 2000 Euro kostet diese Reinigungsmaßnahme. Dabei werden der Kunstrasen maschinell aufgelockert und die Verklumpungen zu 90 Prozent entfernt. „Das heißt allerdings nicht, dass es spätestens im nächsten Sommer nicht erneut zu Verklumpungen kommen kann“, sagt Christian Schäuffele. Deshalb strebe die Stadt an, das Gummigranulat zügig auszutauschen. Noch in diesem Jahr soll es herausgesaugt und durch eine Kork-Sand-Füllung ersetzt werden. Etwa 25000 Euro werden dafür fällig. Die Stadt drückt dabei aufs Tempo, damit der Trainings- und Spielbetrieb nicht nur für die aktive Mannschaft aufrechterhalten werden kann. Die Jugendspiele finden laut Schäuffele bereits in anderen Orten statt. Doch das Einbringen des Kork-Sand-Gemischs sei unter fünf Grad Celsius nicht möglich. Also hoffe man auf einen milden Herbst.

Wie die Stadt Kornwestheim auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt, kam es in diesem Jahr auf dem Kunstrasenplatz in der Bogenstraße ebenfalls „zu kleineren Verklumpungen“. Das Granulat dort stammt aus dem Jahr 2006. Die Verklumpungen seien nicht alleine auf die heißen Temperaturen des vergangenen Sommers zurückzuführen. Meist komme es zu dem Problem, wenn sich der Schwefel aus dem Granulat der Kunstrasenplätze verflüchtigt. Die Sommerhitze in diesem Jahr könnte dabei eine Rolle gespielt haben. „Jedoch lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob das der einzige Grund war“, so Pressesprecherin Sandra Hennig. Die Stadt Kornwestheim habe deshalb Kontakt zu einer Fachfirma aufgenommen, mit der das weitere Vorgehen besprochen und nach Lösungen gesucht wird. Nächstes Jahr sei turnusgemäß eine Erneuerung des Granulats auf dem Sportplatz vorgesehen.

Stephanie Lichtenstern von der Marketingabteilung der Firma Polytan, dem Hersteller von Kunstrasensystemen und Sportkunststoffbelägen, bestätigt, dass die Ursachen für die Verklumpungen unterschiedlich sein können. „Ungewöhnlich lange und extreme Hitzeperioden, mangelnde Pflege, das Durchmischen von verschiedenen Granulat-Arten und Umwelteinflüsse sind nur vier der potenziellen Gründe, die einzeln oder in Kombination zur Verklumpung des Gummigranulats führen können“, teilt Lichtenstern auf Anfrage mit. In Tamm sei davon auszugehen, dass die vergangenen heißen Sommer mit hoher UV-Belastung das Granulat zusätzlich belastet haben. „Meistens handelt es sich aber um eine Kombination der verschiedenen Faktoren“, so Lichtenstern.

Normalerweise bestehe die Möglichkeit, das verklumpte Granulat zu entfernen und durch neues zu ersetzen. Die Firma Polytan empfehle aber in den meisten Fällen – wie auch in Tamm – den Austausch gegen Sand. Der Grund: Seit 2020 werden laut Lichtenstern in Deutschland so gut wie keine mit Gummigranulat verfüllten Kunstrasenplätze mehr installiert. Als Alternative zum herkömmlichen Gummigranulat biete Polytan Füllmaterial an, das aus Sand, Kork, Holzpartikeln oder Olivenkernen besteht. Das hat auch damit zu tun, dass die EU-Kommission an die Mitgliedsstaaten die Empfehlung ausgesprochen hat, die Einbringung von primärem Mikroplastik in die Umwelt zu verbieten. Davon sind auch Kunstrasenplätze betroffen. Dazu Stephanie Lichtenstern: „Es gibt zur Zeit noch kein Verbot, erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission beschlossen, dass Mikroplastik und damit auch Gummigranulat in sechs Jahren nicht mehr verkauft werden darf.“ In den meisten deutschen Bundesländern würden Plätze mit Gummigranulat schon gar nicht mehr von der öffentlichen Hand gefördert. Der Beschluss der Kommission müsse noch von den nationalen Gremien ratifiziert werden. Bestehende Plätze genießen Bestandsschutz.