1. Startseite
Logo

Meditative Qualitäten einer Insel

Vielfältige Ansichten einer Insel: Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger vor einer Malerei von Sven Drühl, oben rechts ein großformatiges Stein-Foto von Thomas Neumann, darunter ein Aquarell von Edgar Honetschläger. Fotos: Ramona Theiss
Vielfältige Ansichten einer Insel: Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger vor einer Malerei von Sven Drühl, oben rechts ein großformatiges Stein-Foto von Thomas Neumann, darunter ein Aquarell von Edgar Honetschläger. Foto: Ramona Theiss
Vielfältige Ansichten einer Insel: Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger vor einer Malerei von Sven Drühl, oben rechts ein großformatiges Stein-Foto von Thomas Neumann, darunter ein Aquarell von Edgar Honetschläger. Fotos: Ramona Theiss
Vielfältige Ansichten einer Insel: Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger vor einer Malerei von Sven Drühl, oben rechts ein großformatiges Stein-Foto von Thomas Neumann, darunter ein Aquarell von Edgar Honetschläger. Foto: Ramona Theiss
Vielfältige Ansichten einer Insel: Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger vor einer Malerei von Sven Drühl, oben rechts ein großformatiges Stein-Foto von Thomas Neumann, darunter ein Aquarell von Edgar Honetschläger. Fotos: Ramona Theiss
Vielfältige Ansichten einer Insel: Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger vor einer Malerei von Sven Drühl, oben rechts ein großformatiges Stein-Foto von Thomas Neumann, darunter ein Aquarell von Edgar Honetschläger. Foto: Ramona Theiss
Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen spürt der faszinierenden Fremdartigkeit in japanisch-europäischer Kunst nach

Bietigheim-Bissingen. Traditionell eng ist die Verbindung Bietigheims mit Japan: Mit Kusatsu gibt es schon seit 1962 eine Städtepartnerschaft, der hier geborene Arzt und Anthropologe Erwin von Baelz ging 1876 nach Tokio, wurde unter anderem Leibarzt des Kaiserhauses – und sammelte japanische Kunst, die heute Teil der städtischen Sammlung ist. Entsprechend regelmäßig gab es in den vergangenen Jahrzehnten auch Ausstellungen mit japanischer Kunst in der Städtischen Galerie.

Nun gibt es einen neuen Anlauf, allerdings mit anderem Ansatz: Im Fokus stehen diesmal nicht Werke japanischer Künstler, sondern europäische Arbeiten, die entweder in Japan entstanden oder die dortige Kunst aufgreifen. Sie alle stammen zudem nicht aus der Zeit der ersten Welle der Japan-Begeisterung im 19. Jahrhundert, als sich das asiatische Land dem Westen öffnete, sondern sind deutlich neueren Datums – daher auch das Motto: „Japonismus 2.0“. Wer sich nun durch die repräsentativen Räumlichkeiten der Galerie bewegt, kann gleichwohl die meditativen Qualitäten der Insel und ihrer ganz eigenen Kultur erspüren, wie auch Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger findet: „Man wird ganz ruhig hier.“ Das mag auch daran liegen, dass sich die in der sehenswerten Ausstellung versammelten Werke – Malereien, Zeichnungen, Fotos und Videos – von sechs Kunstschaffenden nicht dem urbanen Raum oder den Menschen widmet – sondern in erster Linie der beeindruckenden Landschaft.

Da ist etwa Sven Drühl (geboren 1968 in Nassau), dessen Öl- und Lackmalereien durch kräftige Silikonfugen geordnet werden, als wären es Kirchenfenster. Er orientiert sich dabei an Vorlagen japanischer Künstler, übernimmt oftmals den landschaftlichen Aufbau, die – wie so oft in der fernöstlichen Darstellung – scharf angeschnittenen Ansichten, die Loslösung vom zentralen Motiv, ändert aber manche Details, indem etwa ein Haus durch einen Berg ersetzt wird. Drühl, der selbst nie in Japan war, sagt von sich, er mache Bilder über Bilder. Anders der Österreicher Edgar Honetschläger (geboren 1967 in Linz). Dieser hatte schon immer einen Hang zur japanischen Ästhetik, noch bevor er für mehrere Jahre dort lebte. Seine Tuschezeichnungen auf urtümlichem Washi-Papier und die nebeligen Polaroid-Fotos zeigen die für Japan so typischen Stromleitungen und mitunter ungewöhnliche Ansichten des Fuji, dem mit fast 3800 Metern höchsten Berg des Landes. Viel Luft, viel freien Raum lässt er in seinen Aquarellen auf großer Leinwand – und folgt damit ganz dem klassischen asiatischen Verständnis, was das Verhältnis von Werk und Künstler angeht.

Typisch für Raffi Kaiser (geboren 1931 in Jerusalem) sind die auf breiten Formaten oder den faltbaren Teilen eines Paravents mit Tusche, dickem Bleistift oder Acryltinte gezeichneten Landschaftseindrücke, die oftmals nicht real, sondern der Realität nachempfunden sind. Meditationen über die Natur, die durch mehrmonatige Aufenthalte in Japan mit langen Wanderungen geprägt wurden. Ebenfalls meditativ und doch ganz anders die japanischen Wolkenstudien von Fiona Tan (geboren 1966 im indonesischen Pekanbaru): Ein Foto in extremem Hochformat zeigt Wolkenschichten von oben, bei denen der Betrachter das Gefühl für den Raum, die Perspektive verliert. Auf einem kleinen Bildschirm wird ein fast unmerklich ablaufendes Video von Wolkenformationen gezeigt. Spieldauer: unbekannt.

Die Fotos von Thomas Neumann (geboren 1975 in Cottbus) bestechen durch eine Verkehrung der Dimensionen und Ebenen. Die Schwarz-weiß-Ansichten japanischer Wälder – ausufernd detailreiche Ausschnitte ohne Horizontlinie – sind ins Negativ umgekehrt, die eigentlich ganz handlichen Meditationssteine zeigt er wiederum im Großformat. Hans-Christian Schink (geboren 1961 in Erfurt) nähert sich den bisweilen postapokalyptischen Landschaften nach dem Tsunami und der Katastrophe von Fukushima 2011 über die Fotografie. Oft erst auf den zweiten Blick ist die Zerstörung, das Weichen der Zivilisation erkennbar: Treppen, die ins Nichts führen, tonnenschwere Beton-Wellenbrecher, die wie Legosteine vom Wasser durcheinandergewürfelt wurden. Die Menschen, die vereinzelt im Hintergrund auftauchen, sind für den distanzierten Blick von außen höchstens Dekoration.

Info: Die Ausstellung wird am Freitag zwischen 18 bis 21 Uhr eröffnet und ist bis 6. Februar 2022 zu sehen. Geöffnet hat die Galerie am Dienstag, Mittwoch und Freitag von 14 bis 18 Uhr, am Donnerstag von 14 bis 20 Uhr, am Wochenende sowie an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.