Ausschlaggebend dafür sei einerseits ihr langjähriges Engagement in Yehudi Menuhins Projekt „Live Music Now“ gewesen, einer Stiftung mit dem Ziel, klassische Musik Menschen näherzubringen, die selbst nicht zu Konzerten gehen können. „Es war mir immer sehr wichtig, in Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime zu gehen und für die Patienten und Bewohner zu spielen, weil man dort die Reaktionen ganz unmittelbar erfährt – das ist eigentlich das größte Geschenk“, beschreibt die Tochter des Hamburger Klavierprofessors Marian Migdal ihre Motivation.
Aber auch Erfahrungen innerhalb ihrer Familie haben sie für das Thema sensibilisiert. Als Kind bekommt sie die Demenz des Großvaters hautnah mit. „Das, woran er sich am intensivsten und präsentesten erinnern konnte, waren nicht nur die Musik, sondern auch Geschichten und überhaupt Inhalte aus seiner frühen Kindheit“, sagt Midal. Mit diesem Wissen habe man ganz gezielt „Die vier Jahreszeiten“ ausgewählt: Auch über die Grenzen der klassischen Musik hinaus gehöre Vivaldis Violinkonzertzyklus zu den bekanntesten Musikstücken überhaupt und sei als „Evergreen“ geradezu prädestiniert für solch ein Konzert, so Midal: „Gerade die ältere Generation, für die klassische Musik ja noch mal einen ganz anderen Stellenwert besitzt, ist damit aufgewachsen.“
Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass mit Musik bei älteren Menschen über die Ebene der Emotionen tiefere Erinnerungsschichten erreicht werden können, die auf anderen Kanälen, etwa verbal durch Erzählungen, gar nicht mehr ansprechbar sind. Zudem verstehe sie „Die vier Jahreszeiten“ nicht nur als Zyklus über den Jahreslauf, sondern auch als Metapher für das Leben selbst. „Trauer, Glück, Freude, Tanz – das Spektrum dieser Musik ist so reich, dass alles dazu empfunden werden kann – und alles ist richtig.“ Bereits vor zwei Jahren hat sich die Geigerin anlässlich einer CD-Aufnahme mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin, aus dessen Reihen sich auch die Musiker ihres bevorstehenden Auftritts rekrutieren, intensiv mit der Partitur auseinandergesetzt. Dass sie im Herbst 2016 mit diesem Werk in der Berliner Philharmonie auftreten konnte, sei eines der Highlights ihrer bisherigen Laufbahn gewesen, erzählt die Künstlerin. „Wir wissen natürlich nicht, auf welche Reaktionen wir diesmal treffen“, sagt Migdal: „Die ungefilterten Emotionen des Publikums machen dieses besondere Konzert auch für mich sehr spannend.“
Info: Die Konzerte finden am Samstag, 1. Juli, um 11 und 14 Uhr im Ludwigsburger Schlosstheater statt. Weitere Infos unter www.schlossfestspiele.de.