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Nächster Korb für den Minister

Stuttgart-21-Baustelle: Nach dem Willen des Verkehrsministers Winfried Hermann soll hier eine sechsgleisige Ergänzungsstation hinzukommen, die auch Nahverkehrszüge und S-Bahnen aus dem Landkreis Ludwigsburg unter der Erde aufnehmen würde. Foto: Sebas
Stuttgart-21-Baustelle: Nach dem Willen des Verkehrsministers Winfried Hermann soll hier eine sechsgleisige Ergänzungsstation hinzukommen, die auch Nahverkehrszüge und S-Bahnen aus dem Landkreis Ludwigsburg unter der Erde aufnehmen würde. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Nach der Landeshauptstadt bewertet auch der Stuttgarter Regionalverband eine zusätzliche Station für S-Bahnen und Regionalzüge am Hauptbahnhof kritisch. Das Nadelöhr sei nicht Stuttgart21, sondern die Zuläufe.

Kreis Ludwigsburg. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der im Zweifel eher auf Attacke setzt als auf Abwarten, hat sich im Kampf um einen unterirdischen, sechsgleisigen S21-Zusatz für Regionalzüge und S-Bahnen am Mittwoch eine weitere blutige Nase geholt. Das Projekt würde mit fast 800 Millionen Euro zu Buche schlagen, laut Hermann dem Klimaschutz dienen und mithelfen, 50 Prozent mehr S-Bahnverkehr auf die Schiene zu bringen.

Am Dienstag verkündete der Minister bereits, dass die Ergänzungsstation technisch machbar wäre (wir berichteten). Allerdings reagierten die Projektpartner prompt: Die Landeshauptstadt pocht darauf, auf der frei werdenden S21-Fläche, Wohnungen im großen Stil, Schulen und Kitas anzusiedeln.

Am Mittwoch ging auch der Verband Region Stuttgart auf Abstand zum Minister. Der Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler nannte als Ziel, mithilfe des elektronischen Lotsen ETCS mehr Züge in engerem Takt auf der bestehenden Stammstrecke verkehren zu lassen. Außerdem setzt seine Geschäftsstelle darauf, die Zuläufe zu verbessern. Angedacht ist etwa ein rund neun Kilometer langer Tunnel zwischen Möglingen und Stammheim, der in Richtung Feuerbach führt.

Hart ins Gericht mit den Plänen gingen zudem CDU, Freie Wähler, SPD, AfD und FDP. „Es gibt für eine Ergänzungsstation keinen Bedarf“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Rainer Ganske, im regionalen Verkehrsausschuss und stellte sich damit gegen seine Partei im Land, die das Großprojekt mit den Grünen im Koalitionsvertrag stützt. „In unserer Partei gibt es aber kein Durchgriffsrecht“, so Ganske.

Für die Freien Wähler ist der vorgeschlagene S21-Zusatz „unausgegoren“ und „ein Phantomvorhaben“, mit dem Hermann nach Ansicht des ehemaligen Böblinger Landrats Bernhard Maier alte Schlachten neu schlagen wolle. „Die S-Bahn braucht den Ergänzungsbahnhof nicht“, rief der Freie Wähler im regionalen Verkehrsausschuss.

Für die SPD ist das Projekt bereits tot. Der Stuttgarter Regionalrat Thomas Leipnitz sprach von einer Rechnung mit vielen Unbekannten. Der Minister habe etwa den verkehrlichen Nutzen nicht nachgewiesen. Die AfD sieht einen „Kuhhandel der Regierungskoalition“ – weil im Gegenzug der sogenannte Gäubahntunnel zum Stuttgarter Flughafen realisiert werden soll. Die FDP wirft Hermann vor, das Megavorhaben „mit brachialer Gewalt“ durchzuboxen.

Für die Finanzierung wäre es für den Minister wichtig gewesen, die Projektpartner mit in den Ring zu bekommen. Hermann hofft zwar, dass der Bund mit 75 Prozent einsteigt, einen Beitrag müssten aber auch das Land, die Region und die Stadt Stuttgart leisten.

Am Mittwoch sprangen dem Minister lediglich seine eigene Partei und die Linken zur Seite. „Wir tragen den Koalitionsvertrag mit“, sagte der grüne Fraktionschef André Reichel, was er auch von der CDU erwarte. Die möge sich mit der Ergänzungsstation abfinden, sie müsse dafür auch „nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen“. Dem Regionalverband um den Direktor Wurmthaler warf er vor, das Projekt abwertend und tendenziös zu begleiten. Er schlug vor, den Verkehrsminister zu einer interfraktionellen AG einzuladen. Für die Linke ist der Ergänzungsbahnhof unterdessen eine sinnvolle Reserve, um den Schienenverkehr in der Region zu verbessern.

Verlassen kann sich Hermann auch auf den ökologischen Verkehrsclub VCD und den BUND. Ihr Credo: ohne Ergänzungsstation keine Mobilitätswende.