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Rohdiamanten mit Charme

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Erfrischend eigene, hintersinnige Note: Der Liedermacher William Wormser beim Konzert im Kronekeller.
Ludwigsburg. Eine echte Entdeckung konnte machen, wer sich am Mittwochabend in den Kronekeller in Hoheneck begab. Einen „Liedermacherabend“ im Doppelpack hatte Pascal Fetzer, der mit seiner Fetzerei das Kulturprogramm im Untergeschoss der Gastwirtschaft Krone kuratiert, zur Eröffnung der Konzertsaison ersonnen und dazu das Esslinger Duo „Mal Zwischendurch“, die bereits an dieser Stelle gastierten, und erstmals den in Berlin lebenden William Wormser eingeladen. Letzterer ist ein singender Liedermacher, der sich selbst auf der (dezent elektrisch verstärkten) Akustikgitarre begleitet, zwar in der klassischen amerikanischen Folktradition von Woody Guthrie und Bob Dylan steht, diese aber mit deutschen Texten kombiniert, die trotz des spürbaren Hintergrunds einer Synopsis über drei Generationen von Liedermachern einen erfrischend eigenen, hintersinnigen Charme versprühen.
Ludwigsburg. In einem rund einstündigen Set präsentierte der schlaksige Barde ein Dutzend Songs, die vorwiegend seinem demnächst beim Schweizer Label Ahuga! erscheinenden Debütalbum „Jede Idee“ entstammten. Im Titelstück wandelt Wormser traumwandlerisch sicher auf dem schmalen Grat zwischen abgrundtiefem Ernst und banaler Plattitüde: „Denn wie hat es jede Idee zum Klischee gebracht? / Sie wurde tausende Male gedacht“. In „Ja genau, aber nein!“ seziert er Spruchweisheiten und psychoanalytisch informierte Befindlichkeit: „Glück ist kein Zustand, sondern ein Moment“ und „Ich weiß Bescheid / und hab mich deshalb noch lange nicht befreit“. Bittere Ironie grundiert so manches seiner mit lakonischem Humor vorgetragenen Lieder: Als Verpackung für eine Motorsäge endet der geschredderte Weihnachtsbaum in der „Ballade vom enttäuschten Baum“. In „Farben über Farben“ zitiert er Rio Reiser – dass Wormser im Vorprogramm von Ton Steine Scherben auftritt, kommt also nicht ganz von ungefähr.

Und obwohl die großen Dekaden der Liedermacher von den Siebzigern über die Neunziger bis zum jüngsten Revival deutschsprachiger Sänger als Folie bei Wormser stets präsent bleiben, man also mal an Hannes Wader, mal an Funny van Dannen oder Bernd Begemann, mal auch an Philipp Poisel denken kann, überrascht er immer wieder aufs Neue: Unverhofft kommt das Happy End für ein altes Möbel in „Unbequemer Stuhl“, nicht von der Hand zu weisen die Tatsache, dass Jimi Hendrix Techno verpasst hat („Die Technik war halt noch nicht so weit“) im „Lied von der ewigen Ungleichzeitigkeit“, die schon so manchem die Liebe vermiest habe. Dass dies sein erstes, aber nicht sein letztes Konzert in Ludwigsburg war, gehört zu den vielen Gefühlen, die sein starker Auftritt hinterlässt.

Wiederholungstäter dagegen sind die danach auftretenden „Mal Zwischendurch“, sowohl hinsichtlich des Kronekellers als auch in Sachen Album: Nahezu komplett brachten Gitarrist Andre Laschet und Christoph Mack, der als Schlagzeuger auch Leadgesang beisteuert, nicht nur die Lieder ihres aktuellen Albums „Du gehst, du gehst“ zu Gehör, sondern hatten noch ein besonderes Geschenk im Gepäck: Weil Fetzer nicht nur als Veranstalter auf das Duo gesetzt, sondern sich auch mit einem signifikanten Beitrag an der Crowdfunding-Kampagne beteiligt hat, mit der „Mal Zwischendurch“ ihr zweites Album vorfinanziert haben, verabschiedeten sich die beiden sympathischen Mittzwanziger, nachdem sie das Publikum mit ihrem unbeschwerten Optimismus angesteckt, einen Shanty-Chor initiiert und die „kronische Stille“ gelobt hatten, mit einer eigens für den Ort geschriebenen Hymne. Wie bei Wormser gab es auch in ihrem Set Momente, in denen einem der Verdacht beschlich, dass manche Songs eines Tages größer werden könnten als ihre Urheber. Die Fetzerei ist auf dem besten Weg, zur Mine für musikalische Rohdiamanten zu werden.