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Sechs Jahre Haft für Missbrauch

Der 31-Jährige, der sich an einer Nichte und zwei Neffen vergangen hat, wird weiter für lange Zeit im Gefängnis bleiben. Einen Grund für eine Sicherungsverwahrung sah das Landgericht bei ihm aber nicht.

Marbach/Heilbronn. Regungslos sitzt der Angeklagte am Freitagmorgen im Saal, als die Richterin das Urteil über ihn verkündet: Sechs Jahre Freiheitsstrafe wegen teils schwerem sexuellen Missbrauch, sexueller Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung in elf Fällen an drei Kindern im Grundschulalter. Einbezogen wird auch noch eine Verurteilung des Amtsgerichts Marbach wegen Einbruchsdiebstählen und Rauschgiftdelikten. Die Zweite Große Strafkammer des Heilbronner Landgerichts bleibt damit nah an den Plädoyers – die Staatsanwältin hatte zusätzliche drei Monate und eine mögliche Sicherungsverwahrung gefordert, die Verteidigung ein Strafmaß von „unter sechs Jahren“. Beide Seiten deuteten schon vor Fristablauf an, das Urteil akzeptieren zu wollen.

So regungslos hatte sich der Angeklagte auch an den vorangegangenen vier Verhandlungstagen präsentiert, als etwa sein Bruder und dessen Frau berichteten, wie sie von den sechs Taten an ihren beiden Jungen erfuhren, oder als das Vernehmungsprotokoll des anderen Bruders bei der Polizei verlesen wurde, in der es um noch gravierende sexuelle Übergriffe gegenüber seiner Tochter ging. Und so schweigsam wie der Angeklagte – und das war offenbar auch die gesamte Familie mit Blick auf die Taten – waren im Zeugenstand auch die Eltern der heute 13-Jährigen sowie die Großmutter des Mädchens gewesen. Bei ihr lebte der 31-Jährige, und in der Marbacher Wohnung sowie in einer Werkstatt haben sich alle Übergriffe bei Besuchen der Kinder auch ereignet. Dabei habe er das Mädchen jeweils im Intimbereich gestreichelt und seinen Finger in sie eingeführt, einmal trug er dazu sogar die im Zimmer ihrer Oma Schlafende in sein eigenes – gewertet nun als vier Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs. Dazu kommt jene Tat, als er sie auf seinen Schoß zog und mit den Hüften kreiste, bis er erigierte. Fallengelassen wurde dagegen der Vorwurf, er habe sie einmal zum Oralverkehr zwingen wollen – das war auch die einzige Tat, die der 31-Jährige in einer zum Prozessauftakt verlesenen Erklärung nicht zugegeben hatte.

Sein Geständnis wurde ihm nun zugutegehalten. Denn damit ersparte man den drei Kindern eine Aussage vor Gericht – was nach teils mehr als sieben Jahren ohnehin sehr schwierig geworden wäre. Ans Licht gekommen waren die Taten aus dem Zeitraum zwischen September 2013 und März 2019 erst, als sich das Mädchen im Juli 2019 einer Schulsozialarbeiterin anvertraut hatte, die wegen Verhaltensänderungen und Selbstverletzungen das Gespräch gesucht hatte. Bis dahin hatte sie aus Angst geschwiegen. Ihre beiden Cousins offenbarten erst danach, dass der Onkel an nicht mehr genauer bekannten Tagen zwischen Sommer 2015 und kurz vor seinem Haftantritt wegen einer anderen Verurteilung im April 2019 sechs Mal ihre Hosen heruntergezogen und sie an den Genitalien gestreichelt habe – was die Jungen laut Urteil erduldeten, um am PC spielen zu dürfen.

Diese Schwierigkeiten bei der Beweisführung hatte auch eine Gutachterin deutlich gemacht, die die Aussagen der Kinder auf Glaubwürdigkeit nur mithilfe von unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigten Aufnahmen der Polizei prüfen konnte. Doch bei diesen Vernehmungen hatte man die Kinder nicht zusammenhängend schildern lassen, was geschehen war. „Es hätte also einer Exploration bedurft“, so die Richterin in ihrem Urteilsspruch – auch mit Blick auf die psychischen Folgen für die 13-Jährige, die heute nicht mehr in der Familie lebt –, „doch das hätte die Kinder massiv belastet. Das zeigt, dass das Geständnis durchaus wertvoll war.“

Das Urteil berücksichtigt zudem, dass der Angeklagte nach eigenen Aussagen bei den Taten immer unter dem Einfluss von Kokain und Amphetaminen gestanden hatte. Seine Steuerungsfähigkeit sei „erheblich vermindert“ gewesen. Die Folgen seines Drogenkonsums sind aber laut einem Psychiater nicht so gravierend, dass deshalb eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gerechtfertigt sei. Auch lagen die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung nicht vor, so die Richterin. Der Psychiater habe dem 31-Jährigen zwar eine pädophile Neigung attestiert, aber das sei „noch kein eingeschliffenes Verhaltensmuster“. Und auch die vielen Vorstrafen – unter anderem wegen des Besitzes von Kinderpornografie – reichten dafür nicht aus. „Sie sind besser in einer Sozialtherapie aufgehoben“, gab sie ihm mit auf den Weg – ehe er wieder still aus dem Saal geführt wurde.