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Wieder Konkurrenz für die Niederflurbahn?

In Gedanken lässt man im Ludwigsburger Landratsamt die SSB-Hochflurbahn (hier eine Aufnahme aus Stuttgart) zwischen Remseck und dem Ludwigsburger Bahnhof fahren. Foto: dpa
In Gedanken lässt man im Ludwigsburger Landratsamt die SSB-Hochflurbahn (hier eine Aufnahme aus Stuttgart) zwischen Remseck und dem Ludwigsburger Bahnhof fahren. Foto: dpa
Der Landkreis hat überraschend neue Stadtbahn-Überlegungen ins Spiel gebracht: eine Stuttgarter Hochflurbahn von Remseck über Grünbühl am Stadtrand entlang zum Bahnhof. Torpediert man damit den Bau einer Niederflurbahn durch Ludwigsburg? Nein, heißt es im Landratsamt, die Planungen laufen unberührt weiter. Zweifel bleiben.

Ludwigsburg. Es sind nicht gerade die Zeiten, in denen die Pläne für eine Stadtbahn durch Ludwigsburg an Fahrt gewinnen. Der Nahverkehr ganz allgemein ist unter Druck, weil Corona viele Menschen aus Angst vor Ansteckung ins Auto oder aufs Fahrrad treibt. Geld ist auch knapp, die Finanzen der Kommunen sind in der Corona-krise am Limit. Und der Landkreis, der in Sachen Nahverkehr den Hut aufhat, setzt gerade einen gänzlich unerwarteten Stadtbahn-Akzent: konkrete Überlegungen für eine Schiene eher um die Stadt herum.

Damit ist im Landratsamt wieder etwas auf den Tisch gekommen, was mit Blick auf Ludwigsburg schon längst als erledigt galt: die gelbe Hochflurbahn der Stuttgarter SSB. Und der Versuch, deren Liniennetz mit einem Ast von Remseck bis zum Ludwigsburger Bahnhof zu erweitern.

Diese Linie sollte in den früheren Überlegungen mitten durch die Oststadt führen. Ludwigsburg hat das verhindert. Dies mit dem Argument, die groß dimensionierte Bahnsteige an den Haltestellen einer Hochflurbahn seien im Stadtgebiet unzumutbar.

Am Ende blieb zwar die Linienführung für eine Stadtbahn zwischen Remseck und dem Bahnhof, aber mit dem Beschluss für eine schlankere Niederflurbahn, die ähnlich dem Busverkehr auf Straßenniveau agieren kann. Dies verbunden mit dem Kompromiss, dass sich die SSB auf dem Teilstück von Remseck bis Pattonville ausdehnen darf, im weiteren Verlauf aber nur eine Niederflurbahn nach Ludwigsburg fahren darf.

Und jetzt gibt es doch wieder Pläne aus dem Landratsamt für eine SSB-Linie von Remseck zum Bahnhof (siehe auch den Übersichtsplan oben). Ausgeführt sind die Überlegungen darüber, wie der Weg von Grünbühl zum Bahnhof auf neuen Wegen eher um die Oststadt herum geführt werden könnte, in drei Varianten. Diese Streckenvarianten führen auf beiden Seiten des Salonwalds vorbei. Eine Variante würde die neue Konzernzentrale von Wüstenrot&Württembergische an die Schiene anbinden.

Was bedeuten diese doch recht konkreten Gedankenspiele für die Niederflurbahn? Deren Verlauf wäre ja in diesem Bereich annähernd parallel zu den neuen Hochflurvarianten. Im Landratsamt versucht man, aufkeimende Sorgen zu zerstreuen. Grundlage der Beschlüsse in allen beteiligten kommunalen Gremien sei ein Schienennetz, das für eine Niederflurbahn die Strecken nach Oßweil, Schlößlesfeld, und Pattonville beinhalte, so die Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung. Und dieses Streckennetz werde entsprechend auch von der Kreisverwaltung und dem Zweckverband umgesetzt.

Die Untersuchung einer SSB-Linie zum Bahnhof Ludwigsburg südlich der Hindenburgstraße „ist eine reine erste Potenzialanalyse zu einem möglichen Fahrgastpotenzial“, heißt es weiter. Ergebnisse gebe es noch nicht, ebenso wenig weitergehende Planungen für eine solche Hochflurbahn.

Aber was, wenn sich ein Potenzial ergibt? Es scheint fraglich, ob beide Schienentrassen gebaut werden könnten, eine für die Niederflurbahn und eine für die SSB, beide dann in Konkurrenz. So mancher Beobachter vermutet, dass hier eine Option aufgebaut werden soll für den Fall, dass am Ende sich das Blatt doch noch gegen das Streckennetz mit einer Niederflurbahn wendet. Denn im Moment kann wohl keiner verwetten, dass sich die nötigen Mehrheiten für die Niederflurbahn auch dann noch finden, wenn erst einmal die erste Etappe der Schienenpläne, die Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Ludwigsburg und Markgröningen, verwirklicht sein wird. Das ist im Grunde eine gute Nachricht für die Stadt Ludwigsburg. Denn die ist schon mitten drin in den Planungen für einen Ausbau des Streckennetzes für den ÖPNV: eine schnelle Trasse von West nach Ost durch die gesamte Stadt, dies erst für Busse, auf der später die Niederflurbahn fahren soll. Aber: Man stochert bei der Aufgabe, schon jetzt quasi schienenfertige Trassen zu liefern, an so mancher Stelle im Nebel. Will heißen: Die Ausschreibung des Landkreises als Einstieg in die Trassenplanung kommt für die Stadt sehr spät.

Hier offenbart sich eine Schwäche, die ebenfalls dazu beitragen kann, dass die Niederflurbahn vor ihrem tatsächlichen Bau trotz Beschlusslage noch vor hohen Hürden steht. Die Ost-West-Trasse, einst BRT-Trasse und jetzt ÖPNV-Trasse genannt, wird jetzt nicht so gebaut, dass man später einfach nur noch Schienen drauflegen müsste. Matthias Knobloch, im Rathaus Fachbereichsleiter für nachhaltige Mobilität: „Wir bereiten räumlich die Trasse schon so vor, das die Bahn darauf fahren kann, also beispielsweise müssen die Radien auch für eine Stadtbahn funktionieren. Das gilt aber nicht für den Unterbau und die Infrastrukturleitungen im Untergrund, weil wir die nötige Förderung für eine Busstraße bekommen, noch nicht für die Schiene.“ Will heißen: „Es kann schon sein, dass man wieder aufreißen muss, wenn Schienen für eine Stadtbahn verlegt werden.“

Da geht es vor allem um die Versorgungsleitungen in den Straßen. Unter der Schiene muss da eher freigeräumt werden, für den Bus nicht. Das Problem: Auch nach Jahrzehnten der Stadtbahnplanung weiß noch immer keiner so recht, was da im Untergrund eigentlich so alles zu erledigen ist.

Als schwerster und aufwendigster Fall wird die Myliusstraße beim Bahnhof vermutet. Am Ende ein Nachteil für die Niederflurbahn, denn es könnte so manchem Steuerzahler in der Stadt nicht einleuchten, dass die Trasse wegen der späteren Verlegung von Leitungen in Teilen quasi zweimal gebaut werden muss. Da könnte mancher auf die Idee kommen, dann erst gar nicht mehr dran zu gehen und sich das Geld für eine Niederflurbahn zu sparen. Als kleine Lösung gäbe es ja noch die SSB-Bahn am Rande der Stadt.