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„Wir setzen unsere Utopie im Kleinen um“

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Knappes Budget, hohes Niveau: Philipp Wolpert (links) und Tobias Frühauf auf den Zuschauerrängen am Burgplatz.Foto: Holm Wolschendorf
Die beiden Intendanten Tobias Frühauf und Philipp Wolpert sind zuversichtlich, dass ihr ambitioniertes Festspielprojekt in Marbach Erfolg haben wird

Ludwigsburg. Marbach. Auf dem Burgplatz herrscht ab heute Abend Festivalatmosphäre: Die 1. Marbacher Theaterfestspiele starten um 20 Uhr bei voraussichtlich sommerlichem Wetter – mit der Uraufführung von „Emilia Galotti – Eine Menschenstudie“. Die beiden jungen Intendanten Tobias Frühauf und Philipp Wolpert sprechen im Interview über Teamgeist, finanziellen Druck und große Hoffnungen.

 

Herr Wolpert, Herr Frühauf, die Proben für die Theaterfestspiele laufen seit einigen Wochen, jetzt steht die erste Premiere an. Sind Sie zufrieden?

 

Philipp Wolpert: Ja. Wir sind gut im Zeitplan gewesen, alles ist vorbereitet, die Bühne, die Sitzplätze. Auch mit den Proben sind wir immer gut in der Zeit gelegen: Über die Wochen hat sich noch vieles verändert, zuletzt haben wir das Puzzle zu einem Gesamtbild zusammengesetzt.

 

Tobias Frühauf: Wir haben in den letzten Wochen gemerkt: Wir sind ein Superteam! Gerade die Zusammenarbeit zwischen Profis und Newcomern ist sehr befruchtend.

 

Für die etablierten Schauspieler, so hörte man, war es durchaus eine Umgewöhnung, so viele Freiheiten zu haben. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

 

Wolpert: Das ist ein Entwicklungsprozess gewesen. Wir merken, dass unsere etablierten Schauspieler richtig aufgehen in unserem Konzept. Sie gehen, wie auch die Newcomer, an die Grenzen, arbeiten sehr fokussiert. Es wird viel getüftelt. Diese Entwicklung zu sehen, wenn der Plan aufgeht, ist schön.

 

Frühauf: Man muss sich zunächst einmal über die Intentionen klar sein, über das, was man dem Zuschauer vermitteln möchte, wo man hin will. Das füllt man dann, im gemeinsamen Dialog. Es gab da keine Berührungsängste. Jetzt fiebern wir der Premiere entgegen und sind froh, wenn es endlich raus ist.

 

Wolpert: Es sollte am Ende nicht sichtbar sein, wer Newcomer ist und wer Profi. Da ist Qualität gewachsen, auch was die Wiederholbarkeit des Spielens angeht. Gerade die Newcomer sind ja meist Charakterschauspieler, die genau auf ihre Rolle passen. Unterschiedliche Typen. Es entsteht künstlerische Reibung – und das sieht man auf der Bühne nachher.

 

Gab es Dinge, die nicht so funktioniert haben wie erhofft?

 

Wolpert: Eigentlich kaum. Lediglich die Tontechnik kam jetzt noch dazu. Wir hatten ursprünglich gedacht, dass wir mit Standmikrofonen arbeiten können. Aber wenn der Wochenmarkt läuft, während wir beispielsweise das Kinderstück „Der kleine Prinz“ spielen, ist das schwierig. Deswegen haben wir jetzt alles mit Headsets ausgestattet. Wir haben beispielsweise für „Emilia Galotti“ eine sehr cineastische, beiläufige Sprache entwickelt, weil wir generell sehr filmisch mit dem Stoff umgehen. Und das soll natürlich auch draußen im Freien aufgehen.

 

Frühauf: Die akustische Situation ist nicht so einfach, es gibt ein stetigen Lärmpegel. Aber wir wollten ja keine Lärmschutzmauer errichten.

 

Wolpert: Das Schöne ist, dass die leisen Töne jetzt so bleiben, wie es auf der Probenbühne war. Obwohl wir mitten in der Stadt sind.

 

Wie das bei Freilichttheater nun mal so ist, sind Sie stark vom Wetter abhängig. Haben Sie mittlerweile ein Dutzend Wetter-Apps auf dem Handy?

 

Wolpert: Wir studieren regelmäßig den Bauernkalender. (lacht)

 

Frühauf: Nein, wir hoffen, dass es die letzten Wochen alles heruntergeregnet hat und wir mit Sonne verwöhnt werden. Aber wir werden das natürlich genau beobachten.

 

Wolpert: Das ist nunmal das Risiko des Freilichttheaters, aber auch der Reiz, in die Nacht hinein zu spielen oder eben vielleicht auch mal bei Regen. Ein leichtes Tröpfeln sollte uns nicht abhalten oder eine Gewitterwarnung, sofern keine Gefahr für das Publikum besteht. Sonst brechen wir ab. Wir gehen dann in den Schlosskeller, unsere Kammerspielstätte und warten ab, wie sich das Wetter entwickelt. Es ist immer das Ziel, die Vorstellung zu Ende zu spielen.

 

Ihr Festival ist ja komplett neu, Sie könen nicht auf Stammgäste zählen. Wie hat sich der Vorverkauf entwickelt?

 

Frühauf: Wir haben jetzt bereits rund ein Fünftel aller Karten verkauft. Wir sind da sehr optimistisch, zumal sich das wohl mit der Erfahrung anderer Theater deckt. Gerade die Zuschauer bei Freilichttheatern entscheiden oft spontan, wenn das Wetter tagsüber gut ist.

 

Wolpert: Da wir ja eben ganz neu sind, dürfte sich das sicherlich auch nach den ersten Premieren nochmal weiter rumsprechen. Man sieht jedenfalls, dass die Stadt ein Potenzial in diesem Projekt erkennt.

 

Die Stadt bürgt bis zu einem gewissen Teil für den Erfolg des Projekts. Setzt Sie das unter Druck?

 

Wolpert: Als Team will man natürlich die beste Leistung bringen, das ist immer das Ziel. Für uns als junge Theatermacher ist es natürlich so, dass wir einen Erfolg damit erzielen möchten. Wir möchten uns etablieren.

 

Frühauf: Wir schaffen es hier mit einem relativ knappen Budget von 70 000 Euro, vier Produktionen zu stemmen, und das auf einem künstlerisch hohen Niveau. Und wir wollen wachsen. Aktuell ist es so, dass die Newcomer die Chance bekommen, ehrenamtlich mit Profis auf der Bühne zu stehen. Der Gewinn, der erwirtschaftet wird, geht zur Hälfte in die Festspielkasse für künftige Produktionen, die andere Hälfte wird unter allen Newcomern aufgeteilt. Leider konnten wir ihnen nicht von vornherein eine Gage garantieren, da mussten wir in diesem Jahr noch Abstriche machen. Es ist ein Traum, so etwas hier zu etablieren, mit viel Engagement aller Beteiligten – wenn man das erkennt, wird man uns künftig vielleicht auch noch mehr fördern.

 

Der Festivalflyer wirbt damit, Sie seien die „jüngsten Intendanten Deutschlands“. Ist dieses Markenzeichen ein Vorteil? Oder baut es sogar Druck auf?

 

Frühauf: Eigentlich bedeutet mir der Titel nicht viel. Wir wollen mit Qualität überzeugen, unabhängig von solchen Kategorien.

 

Wolpert: Natürlich geht es auch darum, eine Marke zu schaffen, zu zeigen, dass wir eben für ein junges, dynamisches Theater stehen, eines, das andere Wege geht und hierarchische Strukturen aufweicht. Wir setzen unsere Utopie, wie ein Stadttheater funktionieren könnte, hier im Kleinen um.

 

Weitere Infos zum Programm gibt es unter www.marbacher-theaterfestspiele.de.