1. Startseite
Logo

„Wir sind noch weit weg vom Regelbetrieb“

In zehn Tagen sollen Kitas und Grundschulen wieder für alle Kinder öffnen. In Umfang und Inhalt gibt es allerdings Einschränkungen, auch über die nötigen Coronatests für Erzieher und Lehrer gibt es noch keine Entscheidung.

Ludwigsburg. Erst Notbetreuung, dann die Hälfte der Plätze, jetzt 100 Prozent: Am 29. Juni öffnen die Kindertagesstätten wie auch Grundschulen wieder mit allen Kindern und vollen Gruppen, respektive Klassen. Die Notbetreuung wird damit abgeschafft. So weit die Theorie. In der Praxis aber sei man in Pandemiezeiten vom Regelbetrieb „noch ganz schön weit entfernt“, sagte Erster Bürgermeister Konrad Seigfried am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Alleine von den 300 Mitarbeitern in städtischen Kitas fallen laut Verwaltung zehn bis 15 Prozent wegen Vorerkrankungen respektive Schwangerschaft aus.

Ähnlich sieht es laut dem geschäftsführenden Rektor der Grund-, Werkreal-, Förder- und Realschulen auch bei den Lehrern in Grundschulen aus. „Wir haben eine deutliche Einschränkung im Umfang“, sagte Bernhard Bleil. Durchgesetzt haben die Kommunen, dass Lehrer und Erzieher über 60 Jahre nicht mehr frei wählen dürfen, ob sie arbeiten wollen. Jetzt gilt nur noch ein ärztliches Attest als Grundlage – allerdings nicht für die Eltern. Hier genüge eine formlose Entschuldigung, um das Kind freizustellen, sagte Bleil.

Nur Kernfächer und Sachunterricht

Auch die Grundschulen arbeiten ab 29. Juni mit ungeteilten Klassen, die, soweit möglich, voneinander isoliert werden sollen. Eltern müssen schriftlich versichern, dass ihre Kinder oder sie selbst keine Krankheitssymptome zeigen. Kommt es zu einer Infektion, kommt die ganze Klasse oder Gruppe samt Personal 14 Tage in Quarantäne. Beibehalten wird der gestaffelte Schulbeginn, um zu entzerren, auch wird weiter nur das Kerncurriculum mit Deutsch, Mathe und Sachunterricht unterrichtet. Gebe es Kapazitäten, seien auch Sport, Musik oder Religion möglich, so Bleil – Letztere allerdings nicht nach Konfessionen getrennt. Coronaunabhängig wird derzeit ohnehin diskutiert, den Religionsunterricht künftig konfessionsunabhängig zu gestalten oder gar ganz durch das Fach Ethik zu ersetzen.

Auch der Vormittagsunterricht bleibt. An den Ganztagsgrundschulen und der Förderschule in Eglosheim, deren Rektor Bleil ist, werde es nur „einen abgespeckten Ganztag“ geben. Heißt: Um Eltern Verlässlichkeit zu geben, soll es an mindestens zwei Nachmittagen eine Betreuung durch Lehrer bis 15 Uhr geben. Wer bisher eine Spätbetreuung gebucht hatte, soll an den fünf Tagen bis 15 Uhr Sicherheit haben, die Ergänzung durch die Schulkindbetreuung sei geplant, so Fachbereichsleiterin Bildung und Familie, Renate Schmetz. In welchem Umfang, sei noch unklar, „vielleicht bis 16 Uhr“. Hier müsse vor Ort entschieden werden, so Bleil: „Das ist ein riesiger Mehraufwand.“

In den Kitas, so hofft die Stadt, können alle knapp 4200 Plätze, die es vor Corona gab, auch genutzt werden, Seigfried zeigte sich „ganz zuversichtlich“, dass fast allen Kindern ein Platz angeboten werden könne. Dies hängt allerdings von den Gegebenheiten in den einzelnen Einrichtungen ab – wie das Personal eingesetzt werden kann und ob genügend Platz ist, die dann vollen Gruppen voneinander zu trennen. Diese Abstandsregelung gilt weiterhin. Ein Problem seien Kitas mit offenen Gruppen, sagte Schmetz, „manche Einrichtung muss ihr Konzept komplett umstellen“. In einer Kita etwa sind sieben Personen nicht einsetzbar, weil sie unter die Regel fallen, bei Vorerkrankung nicht arbeiten zu dürfen.

Eingeschränkte Öffnungszeiten

Das Land habe erlaubt, den Personalschlüssel um 20 Prozent zu reduzieren, sagte Seigfried. Von zehn Mitarbeitern dürfen also zwei fehlen, schon jetzt werden Auszubildende und Mitarbeiter im Freiwilligen Sozialen Jahr eingesetzt. „Wir wollen möglichst stabile Gruppen“, so Schmetz. Einschränkungen gebe es allerdings im Bildungsangebot wie auch bei den Öffnungszeiten. Hier könne der normale Ganztag nicht automatisch gewährleistet werden, sagte sie, die Notbetreuung ist aufgehoben.

Mit dem 29. Juni werden auch wieder die normalen Kita-Gebühren erhoben. Wie berichtet, hatte die Stadt die Gebühren für April und Mai ausgesetzt, ab Juni waren es fünf bis zehn Euro pro Tag. Auch die Erhöhung der Elternbeiträge ab 14. September um durchschnittlich drei Prozent, vom Gemeinderat im Februar beschlossen, wird kommen. Das Mittagessen wird zudem um vier (Kitas) und sechs Euro (Schulen) pro Monat teurer.

Die Stadt werde die Anhebung „natürlich“ beibehalten, sagte Seigfried auf Nachfrage, sie auszusetzen „wäre völlig unangemessen“ angesichts der Finanzkrise Ludwigsburgs. Die ausgefallenen Elternbeiträge von rund einer Million im Monat seien vom Land mit 740.000 Euro nur unzureichend aufgefangen worden, und nicht alle Familien seien durch Corona in einer „prekären finanziellen Lage“. Ludwigsburg sei „familienorientiert“ mit einer Gebührenstaffelung nach Kindern, im Notfall gebe es auch die Übernahme der Kosten durch die Jugendhilfe.

Noch ungeklärt ist laut Seigfried, ob und wie Erzieher und Lehrer regelmäßig auf Corona getestet werden. „Hier haben wir uns nicht durchgesetzt.“ Der Ministerrat will darüber am kommenden Dienstag entscheiden.