Besigheim/Bönnigheim. Der Gemütszustand der Wengerter befindet sich aktuell zwischen Hoffen und Bangen. Denn noch wissen sie nicht, wie sich die Lage entwickelt. Kellermeister Sebastian Häußer von der Felsengartenkellerei Besigheim winkt deshalb auch ab, als er nach einer Prognose gefragt wird: „Erst in drei, vier Wochen weiß man mehr“, sagt er. Eine Gefahr für die Weinernte 2021 sieht er aber auch.
Die Vegetation im Weinberg ist gegenüber dem Vorjahr etwa zehn Tage später dran. Den Obst- und Weinbauern bereiten seit einigen Jahren nicht mehr nur die Eisheiligen im Mai Sorgen, sondern auch die frostigen Aprilnächte, die Blüten und damit ganze Ernten zunichtemachen können. Durch die warmen Tage vor Ostern treiben die Pflanzen häufig immer früher aus und sind damit anfälliger für die kalten Nächte. Das hat sich auch in den vergangenen Wochen gezeigt. Erste Frostschäden gibt es bereits in den Weinbergen. Betroffen sei vor allem die Rotweinsorte Lemberger in den Gebieten Beilstein, im Zabergäu und im östlichen Stromberg, informiert der Württembergische Weinbauverbandspräsident Hermann Hohl. Lemberger ist eine Hauptrotweinsorte im Weinland Württemberg. Brackenheim gilt als Württembergs größte Lemberger-Gemeinde. Die Pflanze treibt früh aus. Rund die Hälfte der 12000 Hektar großen Rebfläche im Anbaugebiet könnte von Frostschäden betroffen sein – je nach Gebiet, befürchtet Hohl. Flächendeckend wiesen bis zu 30 Prozent der Reben Frostschäden auf. Etwas höher liegen die Schätzungen im Zabergäu mit circa 35 bis 40 Prozent. Es sei fraglich, ob sich der Bestand mit der weiteren Reife vollständig erholen werde. „Wir müssen davon ausgehen, dass wir hier mit einem reduzierten Ertrag in diesem Jahr rechnen müssen.“
Kellermeister und Felsengartenkellerei-Betriebsleiter Sebastian Häußer sieht sich jetzt noch nicht in der Lage, Prognosen abzugeben. Das sei viel zu früh, sagt er. Erst müsse man warten, bis die Knospen ausgetrieben seien und wie sich die Gescheine bildeten. Gut sei diese klimatische Entwicklung jedoch nicht. Unter diesen Umständen empfiehlt er den Wengertern, eine Frostschutzversicherung abzuschließen, bei der das Land die Hälfte der Police trage. „Nur so kann man als Wengerter derzeit ruhig schlafen“, sagt Häußer. Wie lange die Frostperiode andauere, wisse niemand, betont Hermann Hohl, „möglicherweise bis zum 15. Mai bis zu den Eisheiligen“. Um Weinreben vor der beißenden Kälte zu schützen, entzünden manche Winzer auch sogenannte Frostkerzen, beispielsweise an einem Weinberg in Waiblingen. In der Praxis sei das jedoch aufwendig und daher eher eine Ausnahme, wie Holger Klein vom Weinbauverband Baden sagt. „Die Kerzen brennen schnell ab und müssen daher immer wieder neu aufgestellt werden.“ Die Methode eigne sich deshalb kaum für große Anbauflächen. Als Alternative dienten etwa an den Weinstöcken angebrachte Heizdrähte, die mithilfe von Strom für Wärme sorgten.
In den Weinbergen des Neckartals und am Rande des Strombergs setzen die Reben bereits zum Austrieb an. Erst ganz kleine Knospen sind zu sehen. Vereinzelt erkennt man auch Tropfen an den Reben. Sie sehen aus wie harmlose Wassertropfen, aber können viel mehr. Jetzt schießt sozusagen der Saft in die Reben, und die Schnittwunden, die durch den Rebschnitt verursacht wurden, werden durch die Tropfen desinfiziert, verhindern das Eindringen von Bakterien und schließen die Schnittwunden.
Sorgen haben auch die Weingärtner im Nachbarland Frankreich und in Italien. In ganz Frankreich lagen die Temperaturen bei minus vier bis fünf Grad.