1. Startseite
Logo

Zeugnisse der Vergänglichkeit

Die Kunstwerke der Ausstellung sollen an die Vergänglichkeit des irdischen Seins erinnern. Fotos: Andreas Becker
Die Kunstwerke der Ausstellung sollen an die Vergänglichkeit des irdischen Seins erinnern. Foto: Andreas Becker
350_0900_27485_2020_09_11_065_Andreas_Becker.jpg
In Schloss Favorite ist am Freitagabend die Ausstellung „Memento mori“ eröffnet worden. Bis zum 31.Oktober zeigt die Crème de la Crème der baden-württembergischen Kunsthandwerker Arbeiten, die das barocke Bewusstsein der Vergänglichkeit in das 21. Jahrhundert übertragen.

Ludwigsburg. „Gedenke des Todes“: So in etwa lässt sich die Bedeutung der wohl aus dem mittelalterlichen Mönchslatein stammenden Redewendung „Memento mori“ übersetzen, die in der Barockzeit zum geflügelten Wort wurde. Die damaligen Herrscher hatten bekanntermaßen einen ausgesprochenen Hang zu extravaganter Selbstdarstellung und Prasserei, in den sie Unsummen von Geld investierten. Natürlich nicht ihr eigenes, sondern das ihrer Untertanen.

Vielleicht mag es der eine oder andere Machthaber damals ein wenig übertrieben und sich angesichts eines ausschweifenden Lebensstils zur Buße veranlasst gesehen haben. Denn ihre Prunkbauten, auch in der Ludwigsburger Schlösser- und Gartenlandschaft, ließen die barocken Potentaten gerne mit Kunstwerken ausstatten, die den Memento-mori-Gedanken in Form sogenannter Vanitas-Motive aufgriffen – Totenköpfe, Sanduhren, Fliegen oder faulende Früchte, die an die Vergänglichkeit des irdischen Seins erinnern sollten.

Auch ein anderes Motiv darf nicht außer Acht gelassen werden: „Der Mensch will sich mit der Beleidigung, die ihm mit eigenem Tod und Vergänglichkeit in die Wiege gelegt werden, nicht abfinden“, sagte Karin Ehlers, Leiterin des Bereichs Sammlungen und Vermittlung bei den Staatlichen Schlössern und Gärten (SSG) Baden-Württemberg, als am Freitagabend die Ausstellung „Memento mori“ im runderneuerten Schloss Favorite eröffnet wurde. Könige und Fürsten des Barockzeitalters hätten gegen Tod und Vergänglichkeit angekämpft und versucht, sich mit Hilfe der schönen Künste „in der Ewigkeit festzuschreiben“, so Ehlers weiter.

Auch die mehr als 20 Künstler, die nun bei der gemeinsamen Ausstellung von SSG, Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg und Staatlicher Akademie der Bildenden Künste Stuttgart ihre Werke präsentieren und getrost als Crème de la Crème des Kunsthandwerks im Südwesten bezeichnet werden können, haben sich in barocker Tradition mit Tod und Vergänglichkeit auseinandergesetzt. Dabei finden sich immer wieder ganz konkrete Zitate von Vanitas-Motiven, etwa der Totenkopf in einer Arbeit von Harald Schweizer, die zerbrechlich und doch so lebendig wirkenden Schmetterlinge in einem Schmuckstück von Iris Merkle oder die den natürlichen Prozess des Verfalls darstellenden Fliegen, die Andreas Dach in seine Schale „Die Fliegen tanzen schon“ eingearbeitet hat.

Natürlich drängen sich aktuelle Bezüge zu Corona, Klimawandel oder Artensterben geradezu auf. In ihrer Arbeit „And who is gonna miss you…?“ beispielsweise kritisiert Katja Liebig die Zerstörung fragiler Ökosysteme und lenkt den Blick auf die Korallenbleiche – einen Sterbeprozess von Korallenriffen, dessen Auswirkungen auf das globale Gleichgewicht sich derzeit bestenfalls erahnen lassen. „Nicht nur der Einzelne, der gesamte Planet ist zerbrechlich geworden“, sagte Ehlers. Die Ausstellung in Schloss Favorite führe nicht zuletzt diese gesamtgesellschaftliche Erfahrung globaler Fragilität vor Augen.

Begleitet wird die Ausstellung von fünf Veranstaltungen: Am Sonntag, 27. September, 14.45 Uhr, gibt Sabine Flexer Impulse zum Thema „Schmuck als Resonanzkörper unserer individuellen Prozesse im Kontext von Vergänglichkeit“. Am Sonntag, 4. Oktober, präsentieren Antje Keil und Johannes Weigle ab 17 Uhr unter dem Titel „Un…sterblich“ Poetisches, Lyrik und Chansons. „Ist alles Irdische eitel“ fragt die Keramikerin Heide Nonnenmacher am Sonntag, 11, Oktober, 14.45 Uhr. Am Sonntag, 18. Oktober, 14.45 Uhr, philosophiert der Autor und Publizist Matthias Gronemeyer über das Thema „Die Ewigkeit trägt keinen Schmuck“. Zum Abschluss startet am Samstag, 31. Oktober, um 14.45 Uhr eine interaktive Führung mit der Textilgestalterin Marianne Wurst.

Info: Die Ausstellung „Memento mori“ ist noch bis zum 31. Oktober in Schloss Favorite zu sehen. Öffnungszeiten: samstags, sonntags und an Feiertagen jeweils von 12 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Infos zur Ausstellung und über aktuelle Corona-Bestimmungen im Internet unter www.schloss-favorite-ludwigsburg.de.