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BILDUNGSPROJEKT
Abitur plus Gesellenbrief

Abitur plus Gesellenbrief
Thomas Diehle und Lisa Borrmann macht die Arbeit Spaß.
Der Gymnasiast Thomas Diehle nutzt die Chancen der dualen Ausbildung und lernt ein Handwerk

KORNWESTHEIM. Thomas Diehle arbeitet in den Ferien auf einer Baustelle in Kornwestheim. Für einen 14-Jährigen ist das eigentlich nichts Besonderes, bei ihm aber schon. Gerade hat er eine alte Tapete abgekratzt, gespachtelt, grundiert und wieder neu tapeziert. Er arbeitet nicht nur, um sein Taschengeld aufzubessern. Der Schüler des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums macht eine Ausbildung zum Maler und Lackierer – zusätzlich zu seiner gymnasialen Laufbahn. Thomas agiert sicher zwischen Leiter und Tapeziertisch. Er trägt Arbeitskleidung wie ein Profi: feste Schuhe, eine weiße Hose, die an den Knien wattiert ist, und ein weißes T-Shirt, auf dem das Firmenlogo HS prangt. HS steht für Heinrich Schmid, so lautet der Name einer Reutlinger Unternehmensgruppe im Maler- und Lackiererhandwerk, deren Chef, Carl-Heiner Schmid, sich seit Jahren für das duale Gymnasium starkmacht.

20 Projektteilnehmer

Das Projekt heißt: Abitur plus Gesellenbrief. Kooperationspartner ist seit 2017 das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG). Es ist das einzige im Landkreis Ludwigsburg, das diese duale Ausbildung anbietet. Prominenter Unterstützer ist Matthias Kleinert. Der frühere Staatssekretär und ehemalige Daimler-Sprecher rührt in Politik und Wirtschaft die Werbetrommel für die Bildungsinitiative, die zum Ziel hat, dass parallel zum Abitur eine Lehre absolviert werden kann. Thomas Diehle gehört zu den 20 FSG-Gymnasiasten, die diese Chance nutzen. „Am liebsten streiche ich“, sagt er. Die Tapete, die er an der Wand angebracht hat, ist zwar überhaupt nicht nach seinem Geschmack, aber das nimmt er locker: „Der Kunde ist König.“ Die Arbeit macht ihm sichtlich Spaß. An einer Probewand, die bei HS in der Carl-Benz-Straße installiert ist, hat der Achtklässler zum Beispiel das Spachteln gelernt. Er ist der Jüngste unter den Projektteilnehmern. Auf der Baustelle in Kornwestheim ist ihm Lisa Borrmann zur Seite gestellt. Die 23-Jährige hat nach dem Abitur ihre Gesellenprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk abgelegt und macht jetzt ein duales Studium in Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Handwerk. Heinrich Schmid als Unternehmen habe sie bewusst gewählt. Die praktischen Erfahrungen, die sie neben ihrem Studium bei Heinrich Schmid machen kann, schätzt die junge Frau sehr. „Das ist doch eine höhere Qualifikation“, sagt sie mit Blick auf ihre Berufschancen. Im Maler- und Lackiererhandwerk will sie auf alle Fälle bleiben. Bei Thomas Diehle sind die Zukunftspläne noch nicht ganz so konkret. Sein Ziel ist, das Abitur zu machen, zwölf Wochen später einen staatlich anerkannten Berufsabschluss in der Tasche zu haben und nach einem weiteren halben Jahr die Gesellenprüfung zum Maler und Lackierer zu absolvieren. Da hat der 14-Jährige doch noch eine gehörige Wegstrecke vor sich. Vor drei Wochen hat er mit der handwerklichen Zusatzausbildung begonnen. Nach einem Informationsabend, den er mit seinen Eltern besuchte, hat er sich für das Projekt entschieden. „Ich bin nicht dazu gedrängt worden“, betont er. Auf der Baustelle fühlen sich der Gymnasiast und die Studentin wohl. Der Ton sei zwar rauer und verhätschelt werde keiner, mit den Mitarbeiter kämen sie aber gut klar. „Die sind nett.“

Ausbildung in den Ferien

Die Ausbildung bei der Heinrich- Schmid-Unternehmensgruppe beginnt vier Jahre vor dem Abitur. Sieben Ferienwochen werden pro Schuljahr dafür aufgewendet. Nur die Weihnachtsferien sind ganz frei. Den theoretischen Fachunterricht erhalten die Schüler in den Lehrwerkstattphasen, die am Ludwigsburger Standort des Unternehmens in der Carl-Benz- Straße stattfinden. Ein halbes Jahr vor dem schriftlichen Abitur gibt es keine praktische Ausbildung mehr, damit die Schüler sich ganz auf ihre Abivorbereitungen konzentrieren können. Die gesamte Ausbildung besteht aus acht Qualifizierungsbausteinen, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks festgelegt hat. Drei Monate nach dem Abitur steht die Prüfung zum Bauten- und Objektbeschichter vor der Handwerkskammer an. Dieser Berufsabschluss ist staatlich anerkannt und unabhängig vom Abitur. Ein halbes Jahr nach dem Abitur kann die Gesellenprüfung angeschlossen werden, dafür gibt es einen verkürzten Ausbildungsvertrag. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich für ein Studium zu entscheiden. Während der vierjährigen Ausbildungszeit erhalten die Schüler auch eine Vergütung. In den ersten beiden Jahren sind es monatlich 100 Euro. Im dritten und vierten Jahr bekommen sie 125 Euro im Monat.

KONTAKT: Pascal Roth, (07153) 615 57 42; p_roth@heinrich-schmid.de