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Rathaus in Erdmannhausen
Ausstellung macht Vielfalt und Herkunft von neuen Einwohnern sichtbar

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Lebensgeschichten von Neubürgern sind ab sofort im Rathaus von Erdmannhausen zu sehen. Ganz gleich ob sie aus Syrien, Serbien oder Togo kommen, eint sie der Wunsch, sich in der neuen Heimat eine Zukunft aufzubauen. Wie weit sie dabei schon gekommen sind, erfahren Besucher der Ausstellung noch bis Mitte Oktober.

Erdmannhausen. „Menschen in Erdmannhausen – Heimat verlieren, suchen, finden“ heißt die Ausstellung, die Bürgermeister Marcus Kohler am Freitagabend im gut besuchten Erdmannhäuser Rathaus eröffnet hat. Die kommunale Integrationsbeauftragte Katharina Fischinger und Katharina Holzwarth vom Freundeskreis Asyl haben im Vorfeld Gespräche mit neun Menschen geführt, die in den vergangenen Jahren nach Erdmannhausen gezogen sind. Schautafeln auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltungszentrale geben nun Einblicke in deren Lebensgeschichten.

Heimat nicht volkstümelnd, sondern im Sinne von Frieden gemeint

Die Ausstellung ermögliche neue Perspektiven auf den Begriff Heimat, sagt der Bürgermeister in seinem Grußwort, wobei Heimat in diesem Fall nicht volkstümelnd zu verstehen sei. Kohler zitiert in diesem Sinne den 1932 gestorbenen Schriftsteller Paul Keller. Dessen Position: „Heimat ist nicht Raum, Heimat ist nicht Freundschaft, Heimat ist nicht Liebe – Heimat ist Friede.“

Die Hoffnung auf Frieden war auch für Mohaned Hassan der Grund, nach Deutschland zu kommen. Der 33-Jährige ist irakischer Staatsbürger, kam aber in Syrien auf die Welt und wuchs auch in dem seit Jahren vom Bürgerkrieg zerrütteten Land auf. Er studierte an der Universität von Damaskus und arbeitete nach seinem Abschluss als Arabischlehrer. Die ständige Kriegsgefahr machte eine persönliche Zukunftsplanung unmöglich. Schon als Jugendlicher hatte Hassan Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft im Fernsehen gesehen und ein Faible für deutsche Autos. In einem Land mit solch fleißigen und lernwilligen Menschen, so seine Überzeugung, könne er sich eine Zukunft aufbauen.

Abenteuerlicher und gefährlicher Weg nach Europa

Vor drei Jahren schließlich gelangte der junge Mann auf abenteuerlichen und gefährlichen Wegen über die Türkei nach Europa und schließlich in die Bundesrepublik. Dass auch Deutschland kein Land ist, in dem Milch und Honig fließen, wurde ihm spätestens in seiner Asylunterkunft klar. Dort war er als Dolmetscher gefragt, denn Hassan konnte vom Arabischen ins Englische übersetzen. „Am Anfang habe ich mich oft gefragt, wie ich in einem neuen Land leben kann, was ich arbeiten kann, wie ich mich integrieren kann“, sagt Hassan, der bei der Ausstellungseröffnung wie die in Serbien geborene Gabriele Kulossa und der aus Togo stammende Koffi Dodji Tchao von Erfahrungen in der neuen Heimatgemeinde berichtet.

Hassan hat offensichtlich ein allgemeines Talent für Sprachen, denn nach drei Jahren spricht er bereits fließend Deutsch. Schon bald nach seiner Ankunft engagierte er sich ehrenamtlich, sei es als Dolmetscher für andere Flüchtlinge, als Arabischlehrer an einer Realschule oder in einem Tafelladen. Dort habe er häufig Kontakte zu älteren Menschen gehabt, erzählt Hassan. „Die waren so nett, dass ich mir überlegte, wie es wäre, auch beruflich mit ihnen zu tun zu haben.“ Tatsächlich bewarb er sich erfolgreich bei einem Pflegeheim und wird nun zur Pflegefachkraft ausgebildet. Seine Zukunft sieht er in Deutschland. „Ich bin zufrieden“, betont der Neu-Erdmannhäuser. „Jetzt möchte ich eine Wohnung finden und eine Familie gründen.“

Ausstellung ist zugleich Werbung für Leben in Erdmannhausen

Gabriele Kulossa, die schon als Zehnjährige mit ihrer Familie nach Deutschland einwanderte, sieht das Land längst als ihre Heimat an. Vor vier Jahren zog sie mit ihrem Mann nach Erdmannhausen. „Ich weiß auch nicht, woran es liegt“, meint sie. „Aber ich habe hier wahnsinnig viele nette Menschen kennengelernt und fühle mich pudelwohl. Es gefällt mir so gut, ich könnte glatt Werbung für Erdmannhausen machen.“ Das hat Kulossa mit ihrer Beteiligung an der Ausstellung bereits getan.

Diese und weitere Biografien von Neu-Erdmannhäusern sind noch bis 16. Oktober zu den üblichen Öffnungszeiten im Rathaus zu sehen.