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Projekt
Begegnung zwischen Generationen

Millimeterarbeit: Eberhard Schweiker zeigt Melissa, an welcher Stelle sie den Pflanzenstängel abschneiden muss. Helga Ladel und Anna sind mit einem Bienenhotel fast fertig. Fotos: Alfred Drossel
Millimeterarbeit: Eberhard Schweiker zeigt Melissa, an welcher Stelle sie den Pflanzenstängel abschneiden muss. Helga Ladel und Anna sind mit einem Bienenhotel fast fertig. Foto: Alfred Drossel
Millimeterarbeit: Eberhard Schweiker zeigt Melissa, an welcher Stelle sie den Pflanzenstängel abschneiden muss. Helga Ladel und Anna sind mit einem Bienenhotel fast fertig. Fotos: Alfred Drossel
Millimeterarbeit: Eberhard Schweiker zeigt Melissa, an welcher Stelle sie den Pflanzenstängel abschneiden muss. Helga Ladel und Anna sind mit einem Bienenhotel fast fertig. Foto: Alfred Drossel
Eine „Werkstatt der Generationen“ gibt es seit diesem Schuljahr an der Besigheimer Schule am Steinhaus. Einmal in der Woche treffen sich dabei Schüler mit Senioren und handwerken gemeinsam. Zu Besuch in einer Schulstunde, in der Alt und Jung voneinander lernen.

Besigheim. Im Werkraum der Friedrich-Schelling-Schule wird konzentriert gearbeitet: „Es müssen ganz genau 13 Zentimeter sein“, sagt Eberhard Schweiker und schiebt den Zollstock, den Melissa an das Hölzchen hält, noch einen Millimeter weiter nach links. „Sonst passt es am Ende nicht exakt“, erklärt der 84-Jährige. Die zwölfjährige Melissa setzt routiniert die Gartenschere an, drückt einmal kräftig zu und hält am Ende einen genau 13 Zentimeter langen Stängel in der Hand. Der wird jetzt ins Bienenhotel eingesetzt, das der Senior und die Schülerin gemeinsam bauen.

Es ist eine in Besigheim einmalige Zusammenarbeit, die hier stattfindet: Jeweils sechs Schüler der Schule am Steinhaus und sechs Senioren aus dem Robert-Breuning-Stift kommen in der „Werkstatt der Generationen“ seit Anfang des Schuljahres zusammen und handwerken gemeinsam. Sie treffen sich in der Werkstatt der Friedrich-Schelling-Schule, die den Raum zur Verfügung stellt. Quartiersmanagerin Anika Haas hat das Projekt ins Leben gerufen und setzt es nun mit Referendarin Elisabeth Grözinger, Schulsozialarbeiter Matthias Cramme sowie den Ehrenamtlichen Heike Lengwenat und Evelyne Gnatzy um. Ihr Fazit nach gut einem halben Schuljahr: „Sehr, sehr positiv.“

Schüler und Senioren bilden in der „Werkstatt der Generationen“ jeweils ein Tandem. Zur Zeit bauen sie gemeinsam Bienenhotels. „Der Senior hat viel Know-how und Erfahrung, die er weitergibt, und die Schüler hingegen sind flinker und motorisch noch geschickter. Zu sehen, wie sich diese Tandems ergänzen und welche Beziehung aufgebaut wird, ist wirklich schön“, sagt Anika Haas.

Doch bei diesem Projekt geht es um sehr viel mehr als ums Handwerken: Man wolle Brücken bauen zwischen Jung und Alt und Stereotypen abbauen, sagt Elisabeth Grözinger. „Nicht alle alten Menschen sind krank und nicht alle Jugendlichen respektlos“, nennt die Referendarin zwei Vorurteile. Um die Schüler auf die Zusammenarbeit mit den Senioren vorzubereiten, habe man deshalb vorab auch einige Übungen gemacht, berichtet Matthias Cramme. So mussten die 12- bis 14-Jährigen zum Beispiel mit Handschuhen einen Geldbeutel öffnen oder mit Gewichten laufen, um zu verstehen, wie es ist, sich als älterer Mensch zu bewegen.

Beim Besuch in dieser außergewöhnlichen Schulstunde wird sofort klar: Vorurteile gibt es hier nicht. Im Gegenteil – die Zusammenarbeit wirkt sehr harmonisch, schon fast freundschaftlich. Schüler und Senioren kommen miteinander ins Gespräch, auch über die gemeinsame Arbeit hinaus. Es geht um die Familie oder darum, wie es war, früher in Besigheim zu leben. Wertschätzung und Respekt prägen den Umgang: „Ich hätte nicht gedacht, dass die jungen Leute so gut mitmachen und so geschickt sind“, lobt Eberhard Schweiker. „Die Schüler sind begeistert und diese Begeisterung überträgt sich auf uns“, sagt Erwin Joos. Ihm gefällt die gemeinsame Arbeit so gut, dass er nun auch mit seinem sechsjährigen Urenkel ein Bienenhotel bauen möchte. Die 89-jährige Ruth Schmidt freut sich auf jeden Mittwoch und die gemeinsame Beschäftigung. So habe man eine Aufgabe und etwas Abwechslung im Alltag.

Das sehen offensichtlich alle sechs Senioren so. Denn wenn sie vom Robert-Breuning-Stift abgeholt werden, warten sie immer schon abfahrbereit auf den Bus, erzählt Schulsozialarbeiter Cramme. Aber auch die Schüler, die sich freiwillig für das Projekt gemeldet haben, freuen sich auf den gemeinsamen Unterricht: Sie helfen den Senioren aus dem Bus, schieben die Rollatoren in eine Ecke des Klassenzimmers und fragen sofort nach, wenn ein Tandempartner mal nicht kommt. Ein Junge habe sogar versucht, heimlich die Uhr im Klassenzimmer zurückzudrehen, damit der Unterricht noch etwas länger dauert, erzählen die Betreuer und lachen.

Ihr mache es einfach Spaß, mit älteren Menschen zu arbeiten, sagt die zwölfjährige Anna am Ende der außergewöhnlichen Schulstunde, als alle gemeinsam bei Obst, Gemüse und Keksen am Tisch sitzen. „Wir verstehen uns alle gut und lernen voneinander“, betont Melissa und ergänzt:. „Ich weiß jetzt, dass ich beim Schneiden auf jeden Millimeter achten muss.“