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Vortrag
Die Moderne als Inspirationsquelle

Die Architektin Inken Gaukel und Kuratorin der Retrospektive „„Stelzig´23 – Kunst am Bau“ referiert über die Stuttgarter Weißenhofsiedlung, die das Ehepaar Stelzig bei ihren Arbeiten beeinflusst hat. Foto: Andreas Becker
Die Architektin Inken Gaukel und Kuratorin der Retrospektive „„Stelzig´23 – Kunst am Bau“ referiert über die Stuttgarter Weißenhofsiedlung, die das Ehepaar Stelzig bei ihren Arbeiten beeinflusst hat. Foto: Andreas Becker
Der neu gegründete Stelzig-Freundeskreis, ein Zusammenschluss aus Kulturinteressierten in Besigheim hat am Freitagabend seinen ersten Vortrag. Im Vorlauf für die Retrospektive „Stelzig´23 – Kunst am Bau“ referierte deren Kuratorin Inken Gaukel über die Geschichte und Bedeutung der Weißenhofsiedlung.

Besigheim. Wer mit wachem Auge durch die Innenstadt Besigheims geht, entdeckt immer wieder Spuren des Ehepaars Annelies und Fred Stelzig. Ob in der Alten Kelter, der Friedrich-Schelling-Schule, dem Christoph-Schrempf-Gymnasium oder dem Rathaus – überall dort befinden sich Arbeiten der beiden Künstler. Vor allem die Mosaike von Fred Stelzig fallen hier besonders auf.

Um den Fokus auf die Arbeit der beiden zu lenken, wurde jüngst der Stelzig-Freundeskreis gegründet. Im Vorfeld zu den 100. Geburtstagen von Annelies und Fred Stelzigs 2023 veranstaltet er Exkursionen und Ausflüge zu artverwandten Künstlern und eröffnet so den Blick für die Schönheit des Schaffens des Ehepaars, vor allem in Bezug auf „Kunst am Bau“. So wird auch eine Retrospektive heißen, die im kommenden Jahr von 9. Februar, dem 100. Geburtstag von Annelies, und dem 13. April, dem von Fred, zum Jubiläum zu sehen sein wird. Doch schon auf dem Weg dahin, gibt es spannende Infos.

So referierte Inken Gaukel, Kuratorin der Schau, die am 9. Februar 2023 eröffnet und am 13. April beendet wird, in der Stadthalle Alte Kelter über die Geschichte und Bedeutung der Weißenhofsiedlung, auch Werkbundsiedlung genannt, in Stuttgart. Für die Stelzigs war dieser moderne Baustil eine Quelle der Inspiration und sie fühlten sich mit den dortigen Künstlern wie Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier, alias Charles Edouard Jeanneret-Gris, sehr verbunden.

1927 wurde die Siedlung errichtet, mit für damals futuristisch anmutenden architektonischen Ansätzen sowie unter Verwendung teilweise experimenteller Materialien. „Es gab durchaus einen sozialen Aspekt, weil Wohnraum rar war“, erläuterte die Architekturhistorikerin und Architektin eines ihrer Lieblingsfelder, in dem sie seit 20 Jahren forscht.

Die Weißenhofsiedlung hat ihren Platz in der Geschichte erhalten, weil sie vor 95 Jahren auf Initiative des Deutschen Werkbunds die bedeutendsten Vertreter des Genres „Neues Bauen“ eingeladen hatte. Gemeinsam wurde das Projekt „Wohnen der Zukunft“ erstellt, das selbst heute noch modern wirkt, weil es seiner Zeit deutlich voraus war. Die Ausstellung namens „Die Wohnung“ umfasste damals 33 Musterhäuser. Die Gesamtleitung hatte Ludwig Mies van der Rohe. In nur vier Monaten erschufen die Architekten Behausungen, die mit minimaler Formensprache und damit sehr schnörkellos daherkamen. Revolutionär war, dass die Gebäude alle miteinander verbunden waren und Richtung Neckar lagen – mit dem dementsprechend guten Ausblick.

Ganz unumstritten war der Weißenhof nie, doch die Macher ließen sich nicht beirren. Glücklicherweise wurde im Zweiten Weltkrieg wenig der Siedlung zerstört. So lädt das Projekt heute noch Menschen zum Staunen ein. Wie wichtig es war, zeigt sich daran, dass es seit 1958 bereits unter Denkmalschutz steht. 2006 wurden zwei Häuser der Siedlung sogar Teil des Unesoco-Weltkulturerbes „Das architektonische Werk von Le Corbusier – ein herausragender Beitrag zur Moderne“.

Kuriosität der Geschichte: Als Bürger des damals noch verhassten „Feindeslands“ Frankreich hätte Le Corbusier in Deutschland gar nicht bauen dürfen. Kurzerhand wurde er als Westschweizer gemeldet, wodurch er die ersehnte Erlaubnis zum Arbeiten erhalten hatte.