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Friedhofskunst
„Es ist unser größtes Gemälde“

Künstler Frederik Merkt vor der von ihm gestalteten Mauer des Kornwestheimer Friedhofs.Foto: Andreas Becker
Künstler Frederik Merkt vor der von ihm gestalteten Mauer des Kornwestheimer Friedhofs. Foto: Andreas Becker
Eine Mauer, die nicht trennt, die das Diesseits mit dem Jenseits verbindet. Ein Grat zwischen Leben und Tod, die beide untrennbar miteinander verwoben. Das ist dem Künstler Frederik Merkt mit der Gestaltung der Friedhofsmauer gelungen.

Kornwestheim. Täglich rauschen Tausende Autos am neuen Friedhof vorbei, lassen ihn ungeachtet am Fahrbahnrand liegen. Auch die Radler schenkten der Mauer kaum Beachtung. Mit den Jahren war sie von den Abgasen grau geschwärzt. Die Erschütterungen des Verkehrs ließen den Putz platzen, die Farbe bröckelte zusehends. Das Bauwerk wirkte über all die Jahre immer schäbiger.

Stadträtin Susan Boll-Simmler wurde nicht müde, diesen Zustand immer wieder zu kritisieren und Abhilfe zu fordern. „Das Thema beschäftigt Gemeinderat und Verwaltung seit drei Jahren“, sagte der Erste Bürgermeister Daniel Güthler bei einem Ortstermin am Freitagmittag. Bis der Gemeinderat im Juli 2020 einstimmig beschloss, einen künstlerischen Wettbewerb auszuschreiben. Die Alternative wäre Abbruch und Neubau gewesen. Das aber hätte länger gedauert, hätte den Verkehr behindert und wäre deutlich teurer gewesen. So kam die Stadt mit einem Budget von 20000 Euro aus, die Vorarbeiten inklusive.

Fünf Künstler forderten die Unterlagen an, drei reichten ihre Entwürfe ein. Das Rennen machte Frederik Merkt aus Rems- eck-Hochdorf, ein studierter Grafikdesigner, der seit 1993 aber bereits Wände zu Kunstwerken macht. Im Auftrag von Firmen, Kommunen, Privatleuten. Die Aufgabe in Kornwestheim war für ihn eine besondere Herausforderung. Der Ort verlangt auf der einen Seite eine angemessene Pietät. Auf der anderen Seite betrachten die Lebenden das Werk. Die Mauer markiert den Ortseingang von Osten her, kaum jemand aber nimmt sich beim Vorbeifahren die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Wer nicht die Straßenseite wechselt, an dem huscht das Werk in Sekunden vorbei. Und dann ist da noch die schiere Fläche: 450 Quadratmeter auf einer Länge von 250 Metern. „Es ist Kornwestheims größtes Gemälde“, meint Güthler.

Seit zwei knapp Wochen ist Merkt mit seinen Kollegen Bernard Sakic und Moritz Vachenaucher zugange. „Wir waren im Lauf des Jahres spät dran und im Team macht es mehr Spaß“, meint er. In seinem Entwurf dominieren weiche rotbraune und zurückhaltende Farbtöne in geometrischen, geradlinigen Mustern. Teils setzt er die unsichtbaren Baumstämme des Friedhofs fort und holt die markant gemusterte Birkenrinde in den Straßenraum. So schafft er Verbindung zwischen drinnen und draußen. Verstreut stellt er Silhouetten von 16 markanten Gebäude der Stadt dar. Alte Schule, Rathausturm, katholische Kirche in ungewohnter Perspektive. Blickfang fast in der Mitte der Mauer ist ein überdimensionales, naturalistisches Rotkehlchen. Der Zugvogel symbolisiert für Merkt die letzte Reise.

Gearbeitet wurde hauptsächlich mit Walze, Pinsel und Fassadenfarbe. Weniger mit Spraydosen. Wenn das Wetter mitspielt, wird das Werk am Sonntag vollendet sein. Auch das wird wie der Mensch allerdings vergänglich sein. Zu einem späteren Zeitpunkt ist vorgesehen, den Zustand dauerhaft zu ändern. Mit einer neuen Mauer eventuell in Verbindung mit dem Rückbau der Aldinger Straße. Die Alternativen sollen untersucht und die Kosten beziffert werden.