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Medizinische Hilfe von oben
Genehmigung da: Jetzt fliegen Drohnen für die Kliniken im Kreis Ludwigsburg

Großes Interesse an der ersten Drohne, die künftig Labor- und Blutproben transportieren soll. Foto: Alfred Drossel
Großes Interesse an der ersten Drohne, die künftig Labor- und Blutproben transportieren soll. Foto: Alfred Drossel
Was Google oder Amazon noch nicht hinbekommen haben, ist den Kliniken im Kreis Ludwigsburg gelungen. Sie transportieren künftig medizinische Fracht per Drohne, um keine Zeit auf verstopften Straßen zu verlieren. Seit Mittwoch gibt es grünes Licht.

Markgröningen. Die Zukunft der Medizin beginnt am Mittwochvormittag um 10.46 Uhr in Markgröningen. Laut surrend schwebt vor wolkenverhangenem Himmel ein unbemanntes Flugobjekt auf dem Hubschrauberlandeplatz der Orthopädischen Klinik ein. Es ist weiß, rund 14 Kilogramm schwer, kommt auf eine Spannweite von drei Metern und kostet 80000 Euro. Der Landrat Dietmar Allgaier greift zu seinem Handy, um den Anflug zu filmen. Jörg Martin, der Chef der Regionalen Kliniken-Holding RKH, dem größten kommunalen Krankenhausverbund in Baden-Württemberg mit Sitz in Ludwigsburg, tut dasselbe – und auch der Manager Enrico Jensch vom Gesundheitskonzern Helios zückt das Mobiltelefon.

Dann sind auf den Flügeln die Namen ihrer Unternehmen zu lesen. Martin und Jensch haben sich mit dem Drohnenspezialisten German Copters zu einem Konsortium zusammengeschlossen, das ein Ziel hat: Blut- und Gewebeproben, die etwa bei Tumoroperationen anfallen, künftig zwischen ihren Krankenhäusern und Laboren hin- und herfliegen zu lassen und so wertvolle Zeit zu sparen, die Autos auf dem Boden in Staus verplempern würde. „Wir verbessern mit den Drohnenflügen die medizinische Versorgung unserer Patienten und schonen die Umwelt“, sagt die RKH-Managerin Cornelia Frenz. Denn anders als Autos stoßen unbemannte Flugobjekte keine Schadstoffe aus.

Vor zweieinhalb Jahren musste ein Testflug wegen eines technischen Defekts abgeblasen werden

Die Drohne ist jetzt sicher auf dem weißen Kreuz des Hubschrauberlandeplatzes angekommen. Nun schnappt sich Holger Schulze von German Copters das Teil und trägt es ein paar Meter weiter auf den schwarzen Asphalt. Das gibt schönere Bilder für die Fotografen und die Kamerateams, die sich um den Heliport gruppiert haben. Schulze ist erleichtert. Vor zweieinhalb Jahren war er schon einmal hier, als seine Drohne vor versammelter Mannschaft zu einem Testflug abheben sollte – und wegen eines technischen Defekts am Boden blieb. „Das war ein schwarzer Tag“, gesteht der Drohnenexperte.

Neben ihm steht die Stuttgarter Regierungspräsidentin Susanne Bay. Sie greift in das Transportfach der Drohne und zieht ein Dokument heraus: Es ist die Genehmigung dafür, dass das unbemannte Flugobjekt schon bald medizinische Fracht im Regelflugbetrieb befördern darf. „Wir sehen uns als Ermöglichungsbehörde“, sagt Bay.

Die Tour von Ludwigsburg nach Mühlacker dauert rund 25 Minuten

Für zwei Routen hat das Regierungspräsidium den Flugraum freigegeben. Zum einen zwischen Ludwigsburg, Markgröningen und Mühlacker, die alle zur Kliniken-Holding gehören. In 25 Minuten sollen hier künftig Flüge zwischen den kommunalen Kliniken stattfinden. Die knapp 31 Kilometer lange Tour legen die Drohnen laut Schulze mit rund 78 Stundenkilometern und in einer Höhe von etwa 130 Metern zurück. „Am Boden werden Sie davon nichts sehen und hören“, versichert der Experte.

Der Kliniken-Chef Martin geht davon aus, dass die Drohnenflüge im vierten Quartal dieses Jahres starten können. Darüber hinaus sollen die Helioshäuser in Breisach und Müllheim ab August verbunden werden. Laut der Drohnen-Airline German Copters könnte das Konsortium künftig bis zu 70 Strecken bedienen. „Wir sind damit anderen Bundesländern um etwa 20 Jahre voraus“, sagt der Experte Schulze.

Das Konsortium ist sich sicher: „Wir schreiben Luftfahrt- und Medizingeschichte“

Er ist am Mittwochvormittag in der Orthopädischen Klinik in Markgröningen bei Weitem nicht der Einzige, der kaum einen Superlativ auslässt. Der Landrat Allgaier sieht die Kreiskliniken als Impulsgeber und Pioniere. Die Drohnenflüge von Klinik zu Klinik sind für ihn ein „Glanzstück für unsere Innovationskraft“.

Es ist ja tatsächlich so, dass andere Krankenhauskonzerne in Deutschland Drohnen bislang nur im Testbetrieb einsetzen – etwa in Kassel. Auch in Europa gibt es offenbar keine vergleichbaren Projekte mit dieser Flugstreckenlänge und Komplexität. Der Klinikenmanager Jensch verweist darauf, dass selbst Onlineriesen wie Amazon oder Google beim Transportwesen noch nicht so weit seien wie das badisch-württembergische Konsortium. „Wir schreiben Luftfahrt- und Medizingeschichte“, sagt Jensch.

Ärzte werden per Drohne zum Patienten geschickt? Das ist wirklich Zukunftsmusik

Um 10.55 Uhr hebt das weiße Flugobjekt unter erneutem Surren wieder vom Hubschrauberlandeplatz der Orthopädischen Klinik ab und verlässt Markgröningen Richtung Norden. Der Kliniken-Chef Jörg Martin blickt durch seine Hornbrille zufrieden in den immer noch wolkenverhangenen Himmel. Er ist wie gewohnt komplett schwarz gekleidet. Die Idee, Laborproben mit Drohnen zu befördern, hatte er erstmals 2019 formuliert. „Aus einer Vision ist Wirklichkeit geworden“, sagt Martin am Mittwochvormittag.

In Kassel, so ist unterdessen zu hören, wollen sie irgendwann mal Ärzte mit Drohnen zu ihren Patienten befördern. Doch das ist wirklich Zukunftsmusik.

Zahlen und Fakten

Acht Krankenhäuser in drei Landkreisen gehören zur Regionalen Kliniken-Holding RKH: Ludwigsburg, Bietigheim, Marbach und Markgröningen sowie Mühlacker und Neuenbürg im Enzkreis und Bretten und Bruchsal im Kreis Karlsruhe. Mit mehr als 2500 Betten ist die RKH nach eigenen Angaben der größte kommunale Klinikenverbund in Baden-Württemberg.