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S-Bahn
Kanzleitrost reicht nicht mehr aus

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350_0900_25902_COKRbhf_bib_2_.jpg Foto: Drossel
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Hören die Anstrengungen für einen besseren ÖPNV in Bietigheim-Bissingen auf? Diesen Eindruck hat jedenfalls Sersheims Bürgermeister Jürgen Scholz. In einem Brandbrief an die Landtagsabgeordneten fordert er eine ganzheitliche Lösung – und eine Verlängerung der S-Bahn nach Vaihingen.

Kreis Ludwigsburg. Der Sersheimer Rathauschef Jürgen Scholz malt ein düsteres Bild des ÖPNV. Die Verbindungen: sind unzuverlässiger geworden. Die Taktung: seit dem Fahrplanwechsel im Dezember mehr schlecht als recht. Die Züge: übervoll – und die Pünktlichkeit lasse auch noch zu wünschen übrig. Dazu kommen Zugausfälle und technische Schwierigkeiten, die in seinen Augen dazu geführt haben, dass gefühlt weniger Pendler den Zug nehmen als zuvor. Scholz: „Wir haben wieder mehr Fahrzeuge auf den Straßen und somit das Gegenteil von dem, was die Politik möchte.“

Doch der Sersheimer Bürgermeister will sich mit diesem Zustand nicht abfinden. Er hat jetzt einen Brandbrief an die fünf Landtagsabgeordneten Markus Rösler, Daniel Renkonen, Jürgen Walter (Grüne) sowie die beiden Christdemokraten Fabian Gramling und Konrad Epple geschrieben und eine alte Forderung erneuert: Die S-Bahn-Linie 5 nicht am Bietigheimer Bahnhof enden zu lassen, sondern über Sachsenheim und Sersheim bis Vaihingen zu führen.

Scholz steht damit nicht alleine. Vor einem halben Jahr hatte auch der Sachsenheimer Bürgermeister Holger Albrich bekräftigt, sich für die S-Bahn einsetzen zu wollen. Er ist damit auf einer Linie mit seinem Vorgänger Horst Fiedler.

Bereits 2013 hatte eine Studie dem Vorhaben einen phänomenalen Kosten-Nutzen-Faktor von 4,3 bescheinigt. „Leider sind vom Ergebnis dieser Studie bis heute bereits sieben Jahre vergangen, ohne dass sich etwas getan hat“, sagt Scholz und äußert einen Verdacht: Dass die Ergebnisse an den zuständigen Stellen mit „großer Beharrlichkeit“ ignoriert werden und das Denken der Mandatsträger in Bietigheim-Bissingen aufzuhören scheint.

Dem widerspricht der Landtagsabgeordnete Rösler deutlich. „Die Verlängerung der S5 nach Vaihingen und womöglich Mühlacker ist eine alte grüne Forderung“, sagte er gestern unserer Zeitung und verwies auf einen Antrag seiner Fraktion in der Stuttgarter Regionalversammlung, die die S-Bahn managt. „Die Gleise liegen schon, man muss sie nur nutzen“, so der Regionalrat Philipp Buchholz im Mai im Verkehrsausschuss. Seine Fraktion sei der Überzeugung, dass die Strecke technisch umsetzbar und wirtschaftlich tragfähig wäre.

Allerdings stellen sich dem Projekt Hürden in den Weg. Nach Angaben des regionalen Verkehrsdirektors Jürgen Wurmthaler kollidiert eine S-Bahn-Verlängerung mit Plänen des Landes, zwischen Stuttgart und Pforzheim mit der Inbetriebnahme von S.21 Metropolexpresszüge im Halbstundentakt auf die Schiene zu setzen, die freilich nicht in Sersheim und Sachsenheim halten würden. Im Herbst sollen die Pläne wohl konkretisiert werden. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, sagt Wurmthaler und kündigt weitere Gespräche zwischen den Kommunen, der Region und dem Land an.

Allerdings gibt es in der Region auch die Auffassung, sich erst einmal zurückzulehnen. „Die Antragsteller sind mit großem Eifer unterwegs“, sagt etwa der ehemalige Böblinger Landrat Bernhard Maier (Freie Wähler). Er sieht das Land am Zug – und dann die Region. Der Ditzinger OB Michael Makurath hält es ebenfalls für verfrüht, „jetzt schon nach einer S-Bahn zu rufen“. Und der Stuttgarter Regionalrat Armin Serwani (FDP) hat ausgemacht, dass es in der Raumschaft Bedenken gegenüber einer S-Bahn gebe.

Sersheim und Sachsenheim kann er damit nicht gemeint haben – aber vielleicht Vaihingen mit dem größten P+R-Parkplatz weit und breit? Tatsächlich hat sich der OB und Regionalrat Gerd Maisch (Freie Wähler) in den vergangenen Jahren offen für einen S-Bahn-Anschluss gezeigt. Unter einer Bedingung: Dass Vaihingen nicht schlechter gestellt wird als derzeit. Eine Position, die der Abgeordnete Rösler ebenfalls vertritt. Momentan kommen die Pendler im ÖPNV in weniger als 30 Minuten ohne Stopp nach Stuttgart. „Diese Taktung darf unter einem S-Bahn-Anschluss nicht leiden“, sagt Rösler. Im Bietigheimer Rathaus des Sozialdemokraten und Regionalrats Jürgen Kessing war der Leidensdruck ohnehin nie besonders hoch. Seine Stadt ist mit der S-Bahn und Regionalzügen gut versorgt.

Der Sersheimer Scholz verlangt nun, dass die Landtagsabgeordneten „mit Leidenschaft für eine S-Bahn-Verlängerung nach Vaihingen kämpfen“, mit den Entscheidungsträgern konkrete Vorschläge unterbreiten und einen realistischen Zeitplan darlegen, wie eine ganzheitliche Lösung in der Raumschaft umgesetzt werden könnte. Die Grundlage dafür liegt laut Scholz in der Studie des Jahres 2013. Von Kanzleitrost hat der Schultes nach eigenen Angaben genug.