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NOTRETTUNG
Kehrtwende beim Thema Nachtflugverbot

Bei dem Umfall kam auch ein Rettungshubschrauber zum Einsatz. Archivfoto: Becker
Bei dem Umfall kam auch ein Rettungshubschrauber zum Einsatz. Foto: Becker

REMSECK. Der Zweckverband Pattonville lehnte im Sommer eine Ausweitung der Betriebserlaubnis für den auf dem Flugplatz Pattonville stationierten Rettungshubschrauber Christoph51 ab. Die Stadt Remseck schlug jetzt dem Gemeinderat vor, der Abschaffung des Nachtflugverbots für den Helikopter „im Rahmen des noch zukünftig durchzuführenden Anhörungsverfahrens zuzustimmen und diese auch an die Zweckverbandsversammlung des Zweckverbands Pattonville zu empfehlen“. Das tat das Gremium am Dienstagabend denn auch. Mancher Stadtrat war allerdings überrascht, ob des Sinneswandels des Remsecker Rathauschefs.

Zur Erinnerung: Christoph51 soll künftig 24 Stunden am Tag im Einsatz sein und nicht nur wie bisher von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Das empfiehlt das neue Luftrettungsgutachten für Baden-Württemberg – unter anderem, um Versorgungslücken bei Notfällen zu schließen. Das geht freilich nicht ohne Genehmigungsverfahren, an denen auch die Standortkommunen des Helikopters beteiligt werden müssen. Ende August preschten die Kornwestheimer Oberbürgermeisterin Ursula Keck und Remsecks Oberbürgermeister Dirk Schönberger vor, und ließen das baden-württembergische Innenministerium sowie das Regierungspräsidium Stuttgart in gleichlautenden Schreiben wissen, „dass wir eine Ausweitung der Betriebserlaubnis für Nachtflüge nicht befürworten“. Der Standort am Rand eines Wohngebiets sei „für Nachtflüge ungeeignet“. Man könne und werde einer zusätzlichen Belastung der Bevölkerung mit Fluglärm nicht zustimmen, sondern müsse diese vielmehr „so minimal wie möglich halten“ (wir berichteten).

Im Remsecker Gemeinderat nahm nun der Erste Bürgermeister der Stadt, Karl-Heinz Balzer, Stellung zu dem Thema. Es gebe gewisse Zielkonflikte, sagte er. Einerseits sorgten sich Anlieger wegen des zusätzlichen Lärms, andererseits müsse die Notfallversorgung gesichert sein. Es werde davon ausgegangen, dass es in Pattonville zu 168 nächtlichen Notfalleinsätzen pro Jahr komme. Insgesamt würden 1269 Notfalleinsätze pro Jahr prognostiziert. Damit käme dem Standort Pattonville im Verbund aus landgebundenen Rettungskräften und der Rettung aus der Luft eine tragende Rolle zu, der eine akzeptable Störung der Nachtruhe der Anwohner entgegenstehe. Für die Verwaltung sei das Ergebnis der Abwägung dieser Interessen eindeutig: Das Nachtflugverbot soll für Rettungseinsätze des Hubschraubers aufgehoben werden.

Verwunderung im Gemeinderat

Gerhard Waldbauer, Sprecher der Fraktion der Freien Wähler, zeigte sich „doppelt überrascht“. Zum einen, weil die Rathauschefs ohne Rücksprache mit den Gemeinderäten ihre Schreiben nach Stuttgart losgeschickt hatten. Zum anderen, wegen der geänderten Haltung Schönbergers. Dessen ungeachtet stimmte die Fraktion dem Vorschlag der Verwaltung aber zu. Sie forderte allerdings Untersuchungen und falls nötig Maßnahmen zum Lärmschutz. Unter anderem soll geprüft werden, ob der Startplatz des Helikopters von der Wohnbebauung weg verlegt werden kann. Dieser Meinung schlossen sich auch CDU und FDP an. SPD-Stadtrat Colin Sauerzapf mahnte, die Bedenken der Bürger nicht abzutun. Harald Röhrig (Grüne) konnte nicht nachvollziehen, dass der Rat schon jetzt, also bevor das Genehmigungsverfahren überhaupt gestartet wurde, Stellung beziehen soll. „Wir kennen doch noch gar keine konkreten Zahlen“, sagte er. Letztlich stimmten alle außer ihm dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu.

Oberbürgermeister Dirk Schönberger äußerte sich während der Gemeinderatssitzung nicht zu seinem Sinneswandel. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte er gestern, dass er von den Plänen des Innenministeriums über die Medien erfahren und das Gutachten bis heute nicht offiziell zur Verfügung gestellt bekommen habe. Er sei befremdet über diese Vorgehensweise. „Behörden sollten anders zusammenarbeiten.“ Das Schreiben im Namen des Zweckverbands habe die Intension gehabt, klarzustellen, dass eine Zustimmung der betroffenen Kommunen nicht einfach vorausgesetzt werden kann. Man habe sich nicht mitgenommen gefühlt. „Es ist ein komplexes Thema“, hat der OB festgestellt. Inzwischen habe sich die Stadtverwaltung intensiv damit auseinandergesetzt und signalisiere Zustimmung zur Aufhebung des Nachtflugverbots, wenn alles getan werde, um die Lärmbelästigung so gering wie möglich zu halten. „Vom Gemeinderat haben wir den Auftrag bekommen, den bestmöglichen Kompromiss zu erzielen“, so Schönberger.