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Trapper jetzt im Schwabenalter

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Cowboys sind im Lager gern gesehen. Jedoch gibt es klare Regeln: Jede Naht der Kleidung muss selbst genäht sein.Fotos: Alfred Drossel
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Prost auf 40 Jahre Westernlager Sersheim.
Zum 40. Mal findet das Schwarzpulverschießen des Schützenvereins Sersheim statt.

Sersheim. Sersheim im Wilden Westen, mit Pulverdampf und Indianern. Zum 40. Mal findet das Internationale Schwarzpulverschießen und das große Westernlager statt. Trapper, Cowboys und Indianer verdoppeln für ein langes Wochenende die Einwohnerzahl der Gemeinde.

Mehr als 600 Hobbyisten lassen historische Figuren aus dem Wilden Westen und dem amerikanischen Bürgerkrieg für einige Tage wieder auferstehen. Einige Tausend kommen als Besucher.

Egal, ob Anwalt, Arzt oder Arbeiter: Alle sitzen zusammen am Lagerfeuer, beschreibt „Graubart“ Robert Supper die Faszination des Hobbyisten-Treffens. Seit 40 Jahren organisiert der „Graubart“ als Marshall das Treffen. Seit Jahren hilft ihm der Österreicher Siggi Prosl (78) dabei. Der 77-jährige Supper ist schon vor vier Wochen zusammen mit seiner Frau in seine Holzhütte am Waldrand gezogen, um als Ansprechpartner mittendrin zu sein.

In 40 Jahren ist allerlei passiert, weiß Supper. Mal sei eine ungeheure Hitze gewesen, mal habe es geschneit. Einmal hätten die Schwarzpulverschützen bei den Amerikanern auf der damaligen Sachsenheimer Raketenstation Großalarm ausgelöst. Auch diesmal werden auf der Wiese die Kanonenschläge donnern und unten am Schützenhaus die Wettbewerbsteilnehmer mit Langwaffen, Pistolen oder Revolvern auf die Scheiben zielen. Der Wettbewerb lockt Schwarzpulverschützen aus halb Europa an. Noch mehr ist das Lager Magnet der Westernfreunde. Manche machen hier wochenlang Urlaub. Eine Familie kommt vom Bodensee. „Selbst wenn uns kalt ist, genießen wir das Leben im Lager in vollen Zügen“, sagen die Trapper.

Im Lager gebe es klare Regeln, die alle ernst nehmen, betont „Graubart“ Supper. An der Kleidung muss jede Naht von Hand genäht sein. Wenn einer mit einem Plastikzelt und Campingstühlen auftaucht, wird er weggeschickt. Die Hobbyisten spielen nicht Cowboy und Indianer, sie leben ein Stück amerikanischer Geschichte. Reenactment ist der Fachbegriff dafür: die Neuinszenierung konkreter historischer Ereignisse – und zwar in möglichst realistischer Weise.

Auf dem Reenactment-Sektor wachse jedoch die Konkurrenz, und die Zahl jener, die vom Wilden Westen fasziniert sind, schrumpfe, weiß Prosl. Vor ein paar Jahren habe es eine Zäsur gegeben. „Viele sind ins Mittelalter abgewandert.“ Etliche, die früher Westernlager besuchten, zieht es heute zu einem der zahlreichen Mittelaltermärkte.

Doch es gibt auch welche, die lieber im Westen bleiben würden, als wieder heim in den Alltag zu gehen. Nadine Fessler, eine Therapeutin in der Sersheimer Fesslermühle, kommt jedes Jahr eine Woche ins Lager. Ein älterer Herr mit grauem Haar würde niemals freiwillig als Befehlshaber des konföderierten Heeres abdanken.

Das Westernlager war immer schon attraktiv für Besucher. Für Kindergärten werden Führungen organisiert. Tausende Besucher bummeln an den fünf Tagen zu den weißen Zelten und den Tipis am Waldrand, zum stilechten Saloon und den Marktzelten. Robert Supper legt Wert auf Atmosphäre. Dazu gehört ein Markt mit entsprechenden Angeboten und Musikprogramm.

Am Samstag kommt die Liveband „Ofenrohre“ und am 1. Mai tritt dann „Four Potatoes“ auf. Am Mittwoch endet das Spektakel mit einem Lagerschießen. Am Sonntag gibt es ab 21 Uhr einen fotografischen Rückblick „40 Jahre Westernlager“.