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Stadthistorie
Von Teufeln und Taugenichtsen

Will ihre Gästen das Fürchten lehren: Stefanie Keller. Foto: Ramona Theiss
Will ihre Gästen das Fürchten lehren: Stefanie Keller. Foto: Ramona Theiss
Mit den schauderhaften Seiten Bönnigheims hat sich jetzt die Märchenerzählerin Stefanie Keller bei einem Spaziergang durch die Altstadt befasst. Die Gruselführung stieß auf reges Interesse, etwa 30 Teilnehmer machten sich mit auf den Weg.

Bönnigheim. Vor dem Schlosshof werden die Teilnehmenden des abendlichen Stadtspaziergangs von einer eigentümlich gekleideten Maid mit massivem Gehstock empfangen. Stefanie Keller hat sich in Schale geschmissen und präsentiert sich dem bunt gemischten Publikum ihrer Gruselführung in angemessenem Outfit. In den kommenden anderthalb Stunden will sie ihre Gäste das Fürchten lehren. Als professionelle Märchenerzählerin ist sie mit einem breiten Fundus an alten Erzählungen und Schauergeschichten vertraut, die sie nach dem Baukastenprinzip für ihre jeweiligen Zwecke zusammensetzen kann.

Dieses Prinzip wird gleich bei der ersten Anekdote am Schlosshof deutlich, die von einem Jüngling erzählt, der lange vergeblich um die Gunst einer holden Jungfer wirbt. Diese freilich lässt den jungen Mann an der langen Leine zappeln. Als sie ihm schließlich doch noch die Heirat verspricht, muss der verhinderte Bräutigam mit seinem Herrn in den Krieg ziehen. Nach jahrelangem Warten gibt sie einem anderen Freier das Jawort. Doch als die Hochzeitsgesellschaft ausgelassen im Ballsaal des Bönnigheimer Schlosses feiert, kehrt der Jüngling, just als die nahe Kirchturmuhr zwölf Mal schlägt, als Leutnant aus dem Krieg zurück, bluttriefend und mit gespaltenem Schädel.

Wie von Geisterhand gelenkt, spielen die Musiker plötzlich dämonische Melodien, der Leutnant schnappt sich die Braut und legt mit ihr einen morbiden Tanz aufs Schlossparkett. Nach einem letzten Kuss entschwindet er. Die Braut scheidet noch am gleichen Abend dahin und treibt fortan als weiße Frau ihr Unwesen. Noch Ende des 19. Jahrhunderts soll sie einem Förster erschienen sein, der sogleich seine Flinte auf das Weib richtete. „Doch mit menschlichen Kugeln war die weiße Frau nicht mehr zu bannen“, schließt Keller die Erzählung.

Die weiße Frau, so ist es zumindest überliefert, soll wirklich ihr Unwesen in Bönnigheim getrieben haben, erzählt die Gastgeberin. Diese Legende hat sie in ein anderes Märchen gebettet, der fertigen Geschichte dann ein „schwäbisches Gewand“ verliehen. Nach diesem Konzept transformiert Keller die Märchen häufig.

Vor einem Haus in der Grabengasse erzählt sie von einem etwas unbedarften Teufel, der sich von einem abgehalfterten Soldaten und einem armen Bauern nach Strich und Faden über den Tisch ziehen lässt. Diese Erzählung basiert auf dem Märchen „Der Grabhügel“ der Gebrüder Grimm.

Vor der Garnerbenburg berichtet Stefanie Keller von einem Schneider, der für die mit 20 Jahren gestorbene Tochter des Burgherren die Totenwache halten soll. Schon viele Freiwillige haben diesen Auftrag mit dem Leben bezahlt, denn nachts steigt die Prinzessin aus ihrem Grab und wird zum schwäbischen Zombie. Mal knabbert sie genüsslich an den Eingeweiden der dahingemeuchelten Totenwächter, mal reißt sie Arme und Beine von den Leichen und lässt sich das Menschenfleisch schmecken.

Der Schneider entpuppt sich freilich als Taugenichts und will sich, nachdem er dem Burgherren die nächtliche Totenwache schon zugesagt hat, aus dem Stadttor davonstehlen. Doch als ihm ein merkwürdiges Männlein erscheint und hilfreiche Tipps verrät, stellt er sich seinem Schicksal und befreit die Prinzessin doch noch von den Untoten.

Solche und weitere schauerhafte Geschichten tischt Keller ihren Gästen in den weiteren anderthalb Stunden auf. Das ist vielleicht nicht wirklich gruselig, aber gekonnt vorgetragen. Und mitunter dürfte aufmerksamen Zuhörern vielleicht doch ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen sein.