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Wildtiere
Waschbär breitet sich rasant aus

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„Ach Gott, wie süß!“, schießt vielen als erster Gedanke durch den Kopf, wenn sie einen Waschbären sehen. Doch weil das possierliche Tierchen auf seinen nächtlichen Raubzügen in Gärten und Scheunen nicht unerhebliche Schäden anrichtet, wird die Zunahme der Population eher kritisch gesehen. Auch im Bottwartal fühlt er sich längst wohl.

Steinheim. Im Hardtwald ist der Waschbär schon lange heimisch, weiß Volker Schiele, Leiter des Hegerings Hardtwald. Wurden vor fünf Jahren geschätzt zehn Tiere im Jahr gesichtet, waren es in den vergangenen zwei Jahren 50. Tagsüber schlafen die possierlichen Tierchen in den Baumkronen, nachts sind sie auf Futtersuche. Würmer, Lurche, Kröten, Frösche, das alles frisst der Bär. Inzwischen ist er aber auch in der Stadt schon mehrmals gesichtet worden. Erst vor kurzem wurde er an einer Scheune in der Sudetenstraße erwischt, wo er auf Futtersuche herumturnte. „Sie fressen alles, was weggeschmissen wird“, erklärt der Steinheimer Jäger Volker Schiele. Umgeworfene Mülleimer oder herausgerissene Blumen sind keine Seltenheit. Manch einen hat er auch schon um den Schlaf gebracht: Er hat Pfoten wie Hände, mit denen er zum Beispiel die Dachziegel anhebt und in den Dachboden schlüpft, erklärt Schiele. Aggressiv ist er in der Regel aber nicht, es sei denn, er wird in die Enge getrieben.

Der in ganz Mitteleuropa eingebürgerte Kleinbär stammt ursprünglich aus Nord- bis Mittelamerika. Er ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Pelztierzüchter eingeschleppt worden und hat sich dank seiner Intelligenz und Anpassungsfähigkeit in Deutschland weit verbreitet, nicht zuletzt auch, weil er bis 1954 unter Schutz stand. Aus den hessischen Pelzfarmen im Raum Kassel büchste er immer wieder aus, weshalb die Stadt als eine Hochburg gilt. Von dort hat er sich auch nach Baden-Württemberg ausgebreitet. Bislang war er im Remstal weit verbreitet, das Bottwartal blieb lange verschont. In den vergangenen zwei Jahren habe der Bestand aber massiv zugenommen, sagt Schiele. Besonders gern hält sich das Tier in der Nähe von Gewässern auf, da der Bär seine Nahrung wäscht. An der Murr und Bottwar wurden die Tiere bereits häufiger gesehen.

Heute gilt der Waschbär als sogenannte invasive Art und Gefahr für das heimische Ökosystem. Seit 2016 steht dieses Neozoon auch auf der Liste über invasive gebietsfremde Arten nach der EU-Verordnung. Gelistet sind aktuell 66 Tier- und Pflanzenarten, wie Götterbaum, Riesenbärenklau, Drüsiges Springkraut, Nutria, Bisam, Nilgans oder Marmorkrebs.

Je mehr der Waschbär sich vermehrt, umso mehr wird er zur Gefahr für einheimische Tierarten. Als Nesträuber räumt er die Nester von Singvögeln oder die Kobel von Eichhörnchen aus. Auch die Gelege von Rebhühnern und Feldhasen verspeist er. Nun wurde aber im Landkreis Ludwigsburg ausgehend vom Projekt „Allianz für Niederwild“ vom Landeserhaltungsverband des Landkreises, dem Kreisbauernverband Heilbronn-Ludwigsburg und der Kreisjägervereinigung Ludwigsburg extra das Projekt „Lebensraumaufwertung Rebhuhn, Feldhase und Co.“ ins Leben gerufen, Rebhuhn und Feldhase werden streng geschützt, extra Blühwiesen angelegt. Das Rebhuhn ist bedroht, steht auf der Roten Liste. Deshalb wird auch der Fuchs im Bottwartal bejagt. „Es wäre wenig sinnvoll, extra Wildwiesen anzulegen, um dann zuzuschauen, wie Fuchs oder Waschbär die Gelege fressen“, sagt Schiele, der auch anerkannter Wildtierschützer ist. Schließlich sei das Ziel, einen gesunden und artenreichen Wildbestand zu pflegen.

Der Waschbär konkurriert aber mit Greifvögeln auch um Brutplätze auf Bäumen. Auch für den Menschen kann er gefährlich werden: Er hat einen seltenen Spulwurm, der sich beim Menschen über das Auge setzt und zur Erblindung führen kann. Waschbär und Marder können zudem die Staupe auf Hunde übertragen. „Die sind allerdings in der Regel dagegen geimpft“, so Schiele.

Inzwischen darf der Waschbär nach dem Jagdgesetz bejagt werden. „Dadurch werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen, aber verringern“, sagt Schiele. Denn der Waschbär vermehrt sich recht schnell und hat keine natürlichen Feinde wie Adler oder Wolf mehr. Jedes Jahr bekommt er drei bis fünf Junge. Gejagt wird der Waschbär mit Lebendjagdfallen in Kastenform. Diese dürfen aber nur von Stadtjägern oder anerkannten Wildtierschützern, wie Schiele einer ist, aufgestellt werden. Als Lockmittel werden Fisch, süßer Mais oder Gummibärchen eingesetzt.

Danach werden die Tiere erschossen, so traurig das auch klingt. „Natürlich ist der Bär ein possierliches Kerlchen, aber es ist falsch verstandene Tierliebe, wenn man ihn auch noch füttert und erst recht in die Wohngebiete lockt“, so Schiele. Die Kadaver kommen in eine Einrichtung, wo die Felle abgezogen und unter anderem zu Mützen und Decken verarbeitet werden.

Aber nicht nur Waschbären, sondern auch der Marderhund, der aus dem osteuropäischen Raum kommt und ähnlich wie ein Waschbär aussieht, aber größer ist, taucht inzwischen in unseren Gefilden auf, wenn auch nicht so häufig. Ähnliches gilt für den amerikanischen Mink, eine Art Nerz.