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Kanalisation
Abwassersystem der Stadt wirft Fragen auf

Wie hier in Zwickau ist das Wasser Ende Juni auch aus Ludwigsburger Gullydeckeln herausgesprudelt. Archivfoto: Uhlig Jens/dpa
Wie hier in Zwickau ist das Wasser Ende Juni auch aus Ludwigsburger Gullydeckeln herausgesprudelt. Foto: Uhlig Jens/dpa
In den vergangenen Wochen sind viele Keller mit Wasser vollgelaufen. Da stellt sich die Frage, ob die Ludwigsburger Kanalisation auf häufigen Starkregen vorbereitet ist. Viele Stadträte haben Zweifel. Doch die Verwaltung wiegelt ab.

Ludwigsburg. Allein am vergangenen Wochenende waren es wieder 14 Einsätze für die Feuerwehr. Die Schwerpunkte lagen dieses Mal in der Weststadt, der Südstadt und der Stadtmitte. Zahlreiche Keller haben sich nach starkem Regen mit Wasser gefüllt. Betroffen war auch die MHP-Arena: „Die Tiefgarage ist vollgelaufen, es gab jedoch keine Schäden“, schreibt die Stadtverwaltung auf Nachfrage. Allerdings waren auch die technischen Betriebsräume der Arena davon betroffen. Dort ist der genaue Schaden noch unklar.

Kurz davor, am 28. und 29. Juni, gab es einen der stärksten Regenschauer, den Ludwigsburg in den vergangenen Jahren erlebt hat. An den beiden Tagen musste die Feuerwehr zu 110 Einsätzen ausrücken, 100 davon wegen Wasser im Keller. Betroffen waren aber weitaus mehr Menschen. Viele haben die Feuerwehr gar nicht gerufen, sondern selbst dafür gesorgt, das Wasser wieder loszuwerden. Die Schwerpunkte der Einsätze lagen an diesen beiden Tagen in Oßweil und Neckarweihingen. Aber auch die Oststadt, Poppenweiler und Hoheneck waren betroffen.

Die Linke und die Grünen wollten daher in einer Anfrage an die Verwaltung wissen, worauf sich Ludwigsburg einstellen muss, wenn in Zukunft noch mehr Starkregen droht. Dieses Szenario steht für viele Wetter- und Klimaexperten fest. „Müssen wir handeln, bevor uns solche Ereignisse wie im Ahrtal drohen“, brachte Stadtrat Jürgen Müller (Linke) seine Sorgen unlängst im Technik- und Umweltausschuss auf den Punkt.

Für Renate Schmidtgen, die Leiterin des Fachbereichs Tiefbau und Grünflächen, ist zunächst einmal die Unterscheidung zwischen Starkregen und Hochwasser wichtig. Hochwasser sei nur direkt neben Gewässern eine Gefahr, Starkregen könne dagegen dafür sorgen, dass die Kanalisation überläuft und das Wasser in die Keller drückt. Davon sei prinzipiell jeder betroffen. Für Schmidtgen waren die Niederschläge vom 28. Juni ein Regenereignis, das nur alle 100 Jahre vorkommt. Insgesamt gibt es ihren Informationen nach aber keine Zunahme von Starkregen in Ludwigsburg.

Für einen Jahrhundertregen oder gar ein Ereignis wie im Ahrtal sei aber keine Kanalisation ausgelegt. Dafür müsste man die ganze Stadt umgraben. Das sei „nicht leistbar“. Was die Stadt aber tun könne, sei, mehr Flächen zu entsiegeln, damit mehr Regenwasser direkt abläuft und nicht über das Abwassersystem. Das Hauptproblem sei aber meist nicht die Kanalisation selbst, sondern die Verbindungsrohre zu den Häusern. Wenn es dort keine Rückstausicherung gebe, dann drücke das Wasser in die Keller. „Darum müssen sich die Hauseigentümer aber selbst kümmern“, sagt Schmidtgen. Seit Jahrzehnten weise die Stadt bei Baugesuchen auf das Thema hin. Trotzdem werde die Rückstausicherung oft eingespart.

Zudem betreibe die Stadt schon seit einiger Zeit ein Starkregen-Risikomanagement. So würde etwa für Pflugfelden in Zusammenarbeit mit dem Abwasser-Zweckverband Leudelsbach derzeit eine Starkregen-Gefahrenkarte erstellt. „Da wird das Gelände genau angeschaut.“ Über die Region Stuttgart werde außerdem an einer Starkregen-Gefahrenkarte für ganz Ludwigsburg gearbeitet. Schmidtgen: „Wir sind uns der Situation bewusst und nicht untätig.“

Viele Stadträte sind aber anderer Meinung und sehen Nachbesserungsbedarf. Armin Klotz (CDU) regte in der Sitzung an, Zisternen unter den Straßen einzubauen, um Regenwasser aufzufangen. Außerdem forderte er, die Gullydeckel so zu verankern, dass sie beim Überquellen der Kanalisation nicht angehoben werden. Grünen-Stadtrat Frank Handel hält ein Sofortprogramm für nötig, etwa die Entsiegelung von Straßenrändern.

Stefanie Knecht von der FDP wundert sich, warum ausgerechnet für den Stadtteil Pflugfelden zuerst eine Gefahrenkarte erstellt werde. „Topographisch wäre doch Hoheneck eher gefährdet, etwa wenn Weinberge abrutschen.“ Auch Knecht macht sich für kurzfristige Entsiegelungen stark.

Jürgen Müller (Linke) konnte der Argumentation der Stadt ebenfalls nicht ganz folgen. Er glaubt nicht, dass überflutete Straßen etwas mit den Abwasser-Verbindungen zu den Häusern zu tun haben. Müller kann nicht nachvollziehen, warum das Regenwasser komplett in der Kanalisation landet. Er fragt sich, ob es nicht sinnvoll wäre, das Regenwasser in eigenen Leitungen zu führen, etwa bei Straßen mit starkem Gefälle, in denen sich viel Oberflächenwasser sammelt – zum Beispiel der Marbacher Straße.

Schmidtgen blieb dabei: Vor einem sogenannten Starkregen-Ereignis könne man sich nicht schützen – auch nicht mit Zisternen unter der Straße. Zweitkanäle für das Regenwasser zu bauen sei sehr teuer und bei einem Jahrhundertregen würden sie ebenfalls nicht ausreichen. „Die Natur ist stärker als wir.“ Für den Schutz der Gebäude, die unterhalb der Hohenecker Hanglagen liegen, seien auch die Grundstückseigentümer verantwortlich. Viele der Weinberge seien in privater Hand. „Da können wir nicht übergriffig werden.“

Die Sache mit der besseren Verankerung der Kanalabdeckungen will die Stadt prüfen. Prinzipiell würden die Technischen Dienste aber regelmäßig kontrollieren, ob alle Abdeckungen sitzen und die Zuläufe frei sind. Allerdings gebe es auch da eine Einschränkung. Schmidtgen: „Auf privaten Flächen, etwa Parkplätzen von Supermärkten, kontrollieren wir nicht.“