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Polizei
Alles im Blick

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Ab kommender Woche sind Ludwigsburger Polizisten mit Schulterkameras unterwegs. Davon erhofft sich die Polizei besseren Schutz der Beamten vor Gewalt, aber auch die Aufklärung von Straftaten. Langfristig soll jeder Beamte mit Körperkamera auf Einsatz gehen.

„Die Bodycam soll das Gegenüber vor Übergriffen abschrecken, aber auch der Strafverfolgung dienen.“ Klare Prioritäten von Innenminister Thomas Strobl (CSU), der Anfang Februar die ersten 148 Schulterkameras in einem Stuttgarter Innenstadtrevier übergeben hat. Am 15. April folgen nun die Ludwigsburger: Das Polizeipräsidium erhält vom Land 100 der sogenannten Bodycams (englisch für Körperkamera). Strobl sprach von einem Meilenstein, für den das Land 1,8 Millionen Euro investiert. Damit sollen die zwölf lokalen Polizeipräsidien Baden-Württembergs insgesamt 1350 tragbare Kameras erhalten, auch das zentrale Polizeipräsidium Einsatz ist mit dabei.

Im Blickpunkt stehen zunächst die Streifendienste in den Polizeirevieren. Bis Sommer soll nach dem Willen des Landes jeder Streifenpolizist eine Bodycam tragen. Die Minigeräte filmen nicht nur, sondern nehmen auch den Ton auf. „Sie dienen vor allem der Deeskalation und polizeilichen Eigensicherung“, sagt Peter Widenhorn, Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, „und haben damit primär präventiven Charakter.“

Anlass gibt es genug: Die aktuelle Kriminalstatistik des Ludwigsburger Präsidiums zeigt einen Anstieg der Gewalt gegen Polizeibeamte um zwei Prozent. 355 Taten wurden 2018 registriert, 854 Polizisten waren betroffen. Im Land werden jährlich an die 2000 Polizisten im Einsatz verletzt. „Es sind vor allem die Streifen vor Ort, die solchen Gefahren ausgesetzt sind“, so Widenhorn. Dazu gehören Nötigungen und Beleidigungen, aber auch Körperverletzungen.

Andersherum funktioniert das System natürlich auch. So dient die alles registrierende Kamera als Schutz für diejenigen, die der Polizei gegenüberstehen. Und es gibt einen weiteren Effekt durch das wachsame und für alle sichtbare Auge des Gesetzes: Gruppen-Solidarisierungen könnten gebremst werden, wie Widenhorn es formuliert. So hält er es für möglich, dass die Eskalation am Samstag, als die Polizei in Ludwigsburg einen türkischen Hochzeitskorso stoppen musste, mit Bodycams anders gelaufen wäre. Wie berichtet, waren die Beamten von Hochzeitsgästen aggressiv angegangen worden, die mit ihren Autos zunächst in der Innenstadt eine Straße blockiert hatten und dann im hupenden Konvoi auf der Schwieberdinger Straße gestoppt wurden.

Diese Woche werden die Beamten noch geschult, dann wird es ernst. Die kleinen Kameras werden in die Halterungen an der Schulter gesteckt und laufen im sogenannten Vor-Aufnahme-Modus (pre- recording), sobald sie eingeschaltet werden. Das geschehe üblicherweise, wenn die Beamten ihren Streifenwagen für einen Einsatz verlassen, so Widenhorn. Dabei zeichnet die Kameras in einer Endlosschleife auf, die Aufnahmen werden immer wieder überschrieben und spätestens beim endgültigen Ausschalten gelöscht. Erst wenn der Beamte den eigentlichen Aufnahmeknopf drückt, werden die vergangenen sechzig Sekunden fest gespeichert und die weitere Aufzeichnung aktiviert. Zugriff darauf hat nur ein Vorgesetzter mit Berechtigung. Ist die Sequenz extern abgespeichert, wird sie von der Kamera gelöscht.

Heftige Kritik holte sich die Bundespolizei kürzlich vom Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber ab, weil sie ihre Bildaufnahmen zunächst auf Servern des US-Konzerns Amazon speichert. Er befürchtet einen Zugriff von US-Behörden auf die Daten und fordert die Speicherung bei einem deutschen Dienst.

Durchgängig einsetzbar sind die Kameras übrigens nicht. Klingelt die Polizei etwa an der Wohnungstür, darf die Kamera nicht laufen. Heißt: Sie muss ausgeschaltet werden. Der Einsatz mit Bodycam ist laut Widenhorn nur an öffentlichen Orten zulässig: „Gemeint sind Orte, die tatsächlich für jeden zugänglich sind, wie zum Beispiel Straßen, Wege, Plätze sowie Bereiche des öffentlichen Nahverkehrs.“

Auch bei Veranstaltungen sollen die Bodycams wertvolle Dienste leisten. Läuft etwas aus dem Ruder, können die Aufnahmen der Polizei helfen, nicht nur den Verlauf zu klären, sondern auch eventuelle Straftäter, Opfer und Zeugen zu identifizieren.

Die rechtliche Grundlage dafür hatte die grün-schwarze Landesregierung 2016 im Polizeigesetz geschaffen. Testläufe gab es in Stuttgart, Freiburg und Mannheim. Anfängliche Softwareprobleme sollen in dieser Zeit eliminiert worden sein, jetzt geht es landesweit in den Echtbetrieb. Baden-Württemberg ist eines der Bundesländer, in dem die Bodycam mit dem umstrittenen Vor-Aufnahme-Modus arbeitet. Datenschützer hatten vor einem Überwachungsstaat gewarnt, die AfD im Stuttgarter Landtag hingegen hätte die Zeit, die die Aufzeichnung im rückwirkend fest gespeichert werden kann, gerne auf fünf Minuten verlängert.

Das Polizeipräsidium Ludwigsburg ist für die Landkreise Ludwigsburg und Böblingen und damit zehn Polizeireviere zuständig. Ausgestattet werden entsprechend Ludwigsburg, Kornwestheim, Bietigheim-Bissingen, Marbach, Vaihingen, Ditzingen, Böblingen, Sindelfingen, Leonberg, Herrenberg.

Laut Polizei werden die Kameras so verteilt, dass jede Besatzung im Streifendienst mit einer Bodycam ausgerüstet ist. Die 100 Kameras reichten zunächst gut aus, so Widenhorn: „Bei einem Mehrbedarf durch Ausweitung auf weitere Organisationseinheiten können weitere Kameras beschafft werden.“

Polizei erhofft sich Rückgang von Gewalt gegen ihre Beamten


Aufgenommen wird nur an öffentlichen Orten oder bei Veranstaltungen


Kritik von Datenschützern an automatischer Aufnahmefunktion