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Duell der Könige und Köpfe auf 64 Feldern

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Der Springer kann zur Schlüsselfigur werden.
Der Springer kann zur Schlüsselfigur werden.
Branko Vrabac trainiert den Nachwuchs: Birk Braun (Mitte) und David Schubert sind vom Spiel fasziniert.
Branko Vrabac trainiert den Nachwuchs: Birk Braun (Mitte) und David Schubert sind vom Spiel fasziniert.
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Wolfgang Kolbs Herz schlägt für Blitzschach, denn Schnelligkeit ist seine Stärke.
Wolfgang Kolbs Herz schlägt für Blitzschach, denn Schnelligkeit ist seine Stärke.

Drei Schachbretter reihen sich aneinander, drei Nachwuchsspieler denken über ihren nächsten Zug nach. „Ich habe abgesichert“, sagt der zehnjährige Birk Braun. Den jungen Spielern sitzt Branko Vrabac gegenüber. Er macht den nächsten Zug gegen Birk und rückt ein Schachbrett weiter. Dort spielt er seinen Gegner blitzschnell aus. „Noch einmal alles zurück und dann bitte nachdenken“, sagt er. Aus den Fehlern lernen, damit sie nicht noch einmal passieren.

Branko Vrabac ist einer der Vereinsvorsitzenden der Schach-Gemeinschaft. Er kam Anfang der 80er Jahre zum Schachverein. Bei Duellen in Gaststätten habe er gegen alle gewonnen, doch er wollte mehr können. „Ich hatte Spaß daran, etwas Neues zu lernen.“ Beim Schachverein merkte er schnell, dass er zwar in den Kneipen alles gewinnen kann, die Vereinsspieler ihm aber noch einiges voraus hatten. „Ich habe gute zehn Jahre gebraucht, um den Anschluss zu schaffen“, erinnert er sich. „Dann durfte ich mit Ach und Krach Oberliga spielen“, schmunzelt er. Sein sportliches Vorbild ist Garri Kasparow, der in der Schachwelt ein Synonym für Angriffsschach ist und für viele das Spiel neu erfunden hat.

Der Trainingsraum in der Mathildenstraße füllt sich. Nach und nach kommen immer mehr Spieler und beginnen eine Partie. Schach ist eine anerkannte Sportart, obgleich das Bundesinnenministerium dem Deutschen Schachbund 2014 die Leistungssportförderung gestrichen hat – mit dem Hinweis auf „fehlende eigenmotorische Leistung“. Ungeachtet dessen messen sich Schachspieler bei wöchentlichen Spielen der verschiedenen Ligen, sowie bei Turnieren und Meisterschaften.

In der vergangenen Saison hatte die Schach-Gemeinschaft Ludwigsburg 15 Mannschaften am Start. In der aktuellen Saison sind es acht Mannschaften, also deutlich weniger. „Unsere erste Mannschaft spielt in der Verbandsliga“, so Branko Vrabac. Das ist die vierthöchste Liga in Deutschland.

Die Schach-Gemeinschaft wurde vor 100 Jahren gegründet und Schach ist seitdem nicht aus der Mode gekommen. „Schach ist einfach, man muss nur die Regeln kennen“, sagt Branko Vrabac. „Eine kostspielige Ausrüstung ist auch nicht nötig. Die Schachuhr ist noch das Teuerste.“

Die Uhr spielt bei Schachduellen eine wichtige Rolle. Lange Zeit wurde Schach ohne Uhr gespielt. Weil die Bedenkzeit nicht begrenzt war, dauerten die Partien teils so lange, dass sie unterbrochen und am nächsten Tag weitergeführt werden mussten. Heute werden zwei Stunden für 40 Züge gewährt, danach wird um eine Stunde verlängert. Deutlich schneller geht es beim Blitzschach zu, wo die Partien meistens über fünf Minuten gespielt werden. Für die temporeiche Variante kann sich besonders Wolfgang Kolb begeistern, der das Schach Spielen mit sechs Jahren vom Vater gelernt hat. Über eine Schach-AG am Gymnasium wurde die Leidenschaft geweckt, seitdem fasziniert ihn der Schachsport – und vor allem das Blitzen. „Ich räume bei Blitz-Turnieren gerne den Seniorenpreis ab“, freut sich Kolb, dessen Lieblingsspieler der US-Amerikaner Bobby Fischer war. Beim Blitzen entscheidet nicht nur das taktische Können der Spieler, sondern auch deren Schnelligkeit.

Damit die Nachwuchsspieler irgendwann auch Turniere gewinnen, trainieren sie fleißig Theorie und Praxis. „Zum Schach muss man spätestens mit acht Jahren kommen“, sagt Branko Vrabac. „Wer ein richtig guter Spieler werden will, sollte möglichst jung und aufnahmefähig sein, wenn das Training beginnt.“ Doch wie in vielen Vereinen fehlt der Nachwuchs. „Das liegt auch an unseren Räumlichkeiten, die nicht für Jugendarbeit geeignet sind“, so Vrabak.

Die Herren bleiben beim Training unter sich, denn Schach ist auch eine Männerdomäne: Unter den 55 aktiven Spielern der Schach-Gemeinschaft ist nur eine Frau. Damit ist der Ludwigsburger Verein keine Ausnahme. „In Deutschland sind weit über 95 Prozent der Schachspieler Männer“, so Kolb. Insgesamt zählt der Deutsche Schachbund 89.000 Mitglieder in 2400 Vereinen. Die Ludwigsburger Schachgemeinschaft, hatte ihre Blütezeit Mitte der 80er Jahre und hieß damals noch Schachverein Ludwigsburg. Den heutigen Namen gibt es erst durch den Zusammenschuss mit dem Schachclub Eglosheim 1991. Das jahrhundertealte Spiel hat in all den Jahren für die Männer nichts an Faszination eingebüßt. Kolb nennt unzählige positive Aspekte für Körper und Geist. „Schach wirkt lebensverlängernd, weil der Geist aktiv bleibt.“ Er ist überzeugt: „Schachspieler leiden viel seltener an Demenz.“ Langweilig wird es auch Branko Vrabac nicht: „Selbst Großmeister können immer noch überrascht werden.“

Ob der zehnjährige Nachwuchs auch so lange dabei bleibt? David Schubert hat Schach zuerst von seiner Oma gelernt. Was er am Spiel mag? „Dass man sich dabei besonders anstrengen muss.“ Birk Braun kam über seinen Vater, der ebenfalls im Verein ist, zum Schach. „Ich will auch mal gewinnen, wenn ich gegen meine großen Brüder spiele“, erklärt der Zehnjährige. Die beiden Jugen können schon über die sizilianische und die italienische Eröffnung fachsimpeln, wie die Großen. Birk Braun weiß sofort, was ihm am Schach so gut gefällt: „Es geht nicht um Glück, sondern ums Können.“