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„Sing mit“
Ein Chor aus fast 1500 Stimmen

Grandios und berührend: Wenn 1500 Stimmen mit Orchesterbegleitung anheben, gemeinsam zu singen und zu musizieren, ist das ein bewegendes Erlebnis.Foto: Andreas Becker
Grandios und berührend: Wenn 1500 Stimmen mit Orchesterbegleitung anheben, gemeinsam zu singen und zu musizieren, ist das ein bewegendes Erlebnis. Foto: Andreas Becker
„Sing mit“ lautete gestern Abend das Motto im Forum am Schlosspark. Das gemeinsame Singen von Advents- und Weihnachtsliedern stieß wieder auf rege Resonanz, und so konnte der ehemalige städtische Musikdirektor Siegfried Bauer wieder einen fast 1500-köpfigen Chor dirigieren.

Der Andrang ist groß, noch kurz vor Konzertbeginn strömen die Menschen ins Forum. Kinder, Mamas, Papas, Omas, Opas, vielleicht sogar manche Uromas und -opas wollen sich den Mitsingabend im Theatersaal nicht entgehen lassen. Dass dieses Format auf solch gewaltiges Interesse stoßen würde, hätte sich anfangs vielleicht nicht einmal Initiator Siegfried Bauer träumen lassen.

Doch das gemeinsame Singen ist immer noch beliebt. Auch wenn vielleicht nicht mehr so häufig im Verein gesungen wird, sondern viele Menschen heutzutage den eher unverbindlichen Charakter von Mitsingabenden wie eben im Ludwigsburger Forum bevorzugen. „Bei uns darf jeder singen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist“, meint Bauer, als er das Publikum im mit rund 1250 Gästen im wieder einmal komplett ausverkauften Theatersaal begrüßt. Hinzu kommen noch einmal rund 200 Sängerinnen und Sänger aus sechs Ludwigsburger Chören, so dass sich schließlich fast 1500 Stimmen zu einer Einheit fügen.

Eigens für „Sing mit“ gibt es ein neues Liederbuch mit 19 Liedern

Der Zuspruch ist so gewaltig, dass der Musikdirektor für die zehnte Auflage ein neues, erweitertes Liederbuch mit nun 19 Advents- und Weihnachtsliedern hat drucken lassen. Eigentlich gebe es bei „Sing mit“ nur zwei Regeln: „Alle können singen“, so der Dirigent. „Und das Singen mit anderen macht sogar glücklich.“ Wer dem alljährlich in der Vorweihnachtszeit spontan zueinanderfindenden Chor beim Singen zuhört und selbst loslegt, kann diese Aussage nur bestätigen.

Nachdem der Musikverein Ludwigsburg-Oßweil Stadtkapelle Ludwigsburg den musikalischen Reigen mit dem US-amerikanischen Weihnachtsstück „Let it snow“ jazzig eröffnet hat, wird mit „Macht hoch die Tür“ das erste gemeinsame Lied angestimmt. Da niemand befürchten muss, sich zu blamieren, ist die Stimmung wie auch im gesamten weiteren Verlauf entspannt, aber dennoch konzentriert. „Jetzt singen nur die Frauen und die Kinder“, gibt Bauer vor Beginn der zweiten Strophe vor. „Jetzt nur die Männer“, bevor die dritte Strophe folgt. Die vierte Strophe wird wieder gemeinsam gesungen.

„Versuchen Sie mal, aufzustehen“, empfiehlt Bauer. „Dann funktioniert’s noch besser mit dem Singen.“ All diesen Anweisungen leistet das Publikum bereitwillig Folge, der Chorleiter hat seine Schützlinge fest im Griff.

Einen wichtigen Beitrag zum großen Ganzen leisten natürlich auch die sechs Chöre auf der Bühne, die sich jeweils mit ausschließlich von ihren Ensembles vorgetragenen Stücken vor großem Publikum beweisen müssen. Gerade für die Nachwuchssängerinnen und -sänger stellt so ein Auftritt vor 1250 Zuschauern trotz der familiären Atmosphäre im Theatersaal eine große Herausforderung dar.

Zunächst ist der Chor der Friedenschule an der Reihe, der sich in seinem Lied seiner Backkünste rühmt und eindringlich vor der Wichtelpolizei warnt. Dieser engagierte Auftritt kommt beim Publikum gut an, die Schüler werden ausgiebig gefeiert. Das gilt natürlich für alle sechs Chöre, insbesondere aber für den Kammerchor Die Motten, der überzeugend eine mehrsprachige, ebenso besinnliche wie bewegende Version von „Maria durch ein Dornwald ging“ vorträgt.

Der Beitrag sei ein gutes Beispiel dafür, dass Weihnachtslieder nicht zwangsläufig Gute-Laune-Nummern wie „O Tannenbaum“ sein müssen, sagt Dirigent Bauer nach dem mit viel Applaus bedachten Soloeinlage des Kammerchors. Das treffe auch auf das anschließend gemeinsam gesungene „Von guten Mächten treu und still umgeben“ von Dietrich Bonhoeffer zu. Der Theologe und Widerstandskämpfer schrieb das Lied im Dezember 1944 in Gestapo-Haft – es gilt als der letzte theologische Text, den Bonhoeffer vor seiner Ermordung am 9. April 1945 verfasste. Trotz seiner bedrohlichen Lage zeugen die Zeilen von seinem Gottvertrauen, das ihm die NS-Schergen nicht nehmen konnten.

Kleinkinder begleiten das stimmungsvolle Finale mit Triangeln

Ein letzter Höhepunkt steht beim Finale auf dem Programm, als die Teilnehmer eines parallel stattfindenden Workshops für Kleinkinder im Theatersaal vorbeischauen und den vielstimmigen Gesang auf der Bühne mit ihren Triangeln begleiten – viel feierlicher und besinnlicher dürfte es im in der Vorweihnachtszeit im eher stressigen Ludwigsburg wohl nicht werden.