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Kunst und Kurioses
Ein Stück Gestern zum Verkauf

Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer.Fotos: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer. Foto: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer.Fotos: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer. Foto: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer.Fotos: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer. Foto: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer.Fotos: Andreas Becker
Der ZDF-Antiquitätenexperte und Händler Fabian Benöhr in seinem Stand und ein Blick in die Auslagen anderer Verkäufer. Foto: Andreas Becker
Auf der Antikmeile tauchen tausende Besucher in die Vergangenheit ein – Antiquitäten sind auch Recycling

„Ist er es oder ist er es nicht?“, rätselt das ältere Ehepaar vor dem Stand von Fabian Benöhr. Dabei macht das große Schild hinter seiner Auslage eigentlich alles klar: Hier steht der Antiquitätenhändler aus Backnang. Gemeinsam mit Albert Maier gehört Benöhr zu den bekanntesten der 170 Händler, die am Wochenende auf der Antikmeile Kostbares und Kurioses im Angebot haben. Beide treten als Experten in der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ auf.

„Bisher sieht es gut aus“, sagt der 36-jährige Fabian Benöhr, der zum zweiten Mal einen Stand auf der Antikmeile hat, am Samstagmittag. „Ich bin zufrieden.“ In der Auslage des Kunst- und Antiquitätenhändlers liegen 300 Jahre deutsche Kultur- und Warengeschichte. Eine Puppenstube von 1900, altes Silber, Uhren, Bierkrüge aus dem 19. Jahrhundert, historische Fotografien oder ein alter Blech-LKW zum Spielen. Dazu kommen Kruzifixe, eine alte Saftpresse oder Metallschilder von Fabriken, die es längst nicht mehr gibt.

Man könnte sagen, der Stand von Benöhr bietet ein typisches Sammelsurium der Antikmeile an. Und doch ist jeder Stand absolut einmalig. Dieser Markt ist eine Zeitreise: Egal ob Barock, Kaiserreich, Weimarer Republik oder Adenauer-Ära, sämtliche Epochen sind mit ihrer Warenwelt und ihren Befindlichkeiten, mit ihren Moden und ihrem Zeitgeist auf dem Ludwigsburger Marktplatz vertreten. Das macht einen Spaziergang über die Antikmeile zu einem einmaligen Erlebnis.

Die Kruzifixe stammen aus Bayern und Frankreich. Andere Gegenstände hat Benöhr selbst gekauft oder von Haushaltsauflösungen. „Ich kenne mich sehr gut mit Schmuck und Spielzeug aus“, sagt er über seine Spezialgebiete. Aber ein Antiquitätenhändler muss sich natürlich in allen Gebieten grob auskennen und zurechtfinden. Im Notfall hilft ein Blick ins Internet. Aber auch dabei muss man natürlich wissen, wo man suchen muss.

Der junge Antiquitätenhändler bietet auf der Antikmeile Interessierten auch seine Expertise an. Bei interessanten Gegenständen macht er gleich ein Angebot. So landen eine alte Trompete, ein Ring oder eine Porzellanfigur direkt in seiner Auslage. Die Vorbesitzer sind froh über ein hübsches Sümmchen Bares.

Doch nicht alle mitgebrachten Gegenstände erwecken das Interesse des Experten. „Diese Puppenstube stellen Sie lieber bei Ebay ein. Im Kunsthandel wäre sie deplatziert“, sagt er freundlich zu einer älteren Dame. Und auch einer weiteren Besucherin, die ihm ihr hübsches Rosenthal-Service aus den 60er Jahren zeigt, kann er nicht weiterhelfen. „Der Markt ist überschwemmt mit Rosenthal. Am besten Sie verschenken das Service.“

Der Kunst- und Antiquitätenmarkt ist eine komplexe Angelegenheit. Vieles von dem, was die Leute für wertvoll halten, ist eigentlich wertlos. Dafür gibt es ganz unscheinbare Dinge, für die Sammler ein Vermögen bezahlen. „Jeder Gegenstand hat einen historischen Wert, einen materiellen Wert und einen Marktwert“, sagt Benöhr. Und bei den Verkaufsgesprächen auf der Antikmeile geht es vor allem um den Marktwert.

Benöhr ist Autodidakt. Alles Wissen über Antiquitäten, hat er sich selbst beigebracht. „Ich bin sehr geschichtsinteressiert. Und jeder dieser Gegenstände fordert mich auf, mich mit ihm und seiner Geschichte auseinanderzusetzen.“ In vielen dieser alten Gegenstände stecke jede Menge Arbeit. Sie wurden geschaffen, um mindestens die Lebensspanne des Besitzers abzudecken. Damit stünden sie im Gegensatz zu vielen Produkten, die heute hergestellt werden. Dieser Aspekt kommt Benöhr bisher viel zu kurz: Der Handel mit und der Kauf von Antiquitäten sei pure Nachhaltigkeit.

So sieht es auch das Händlerpaar aus Jülich in Nordrhein-Westfalen, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie fürchten sich vor Einbrechern. Der Schmuck und die Design-Gegenstände, die die beiden in Ludwigsburg anbieten, sind Tausende Euro wert. „Was wir hier machen, ist 100 Prozent Recycling“, erklärt der Händler. Er selbst sieht mit Schiebermütze, Weste und Arbeiterhose aus den 50er Jahren aus wie aus der Zeit gefallen. „Millionen von Dingen werden täglich produziert. Wenn Sie Nachhaltigkeit ernst nehmen, kaufen Sie bewusst: Alte und Antike Dinge“, heißt es auf einem kleinen Plakat, das gleich mehrfach in dem Stand des Paares zu sehen ist. Ihr Spezialgebiet seien „Reste und Relikte aus dem 20. Jahrhundert“, sagen die beiden. Dazu zählt Art-Deco-Schmuck für mehrere Hundert Euro das Stück oder eine Tischlampe aus dem Bauhaus, für die man 1500 Euro hinblättern müsste.

Vom Flohmarkt oder gar Sperrmüll haben die beiden ihre Waren natürlich nicht. Seit 25 Jahren fahren sie für den Einkauf nach Holland und Belgien. Und wer kauft bei ihnen ein? „Überwiegend Menschen, die sich etwas Schönes kaufen wollen“, sagt die Frau. Die großen Zeiten ihrer Branche seien aber trotz Nachhaltigkeits- und Recyclingbewegung vorbei. „25 Jahre Geiz-ist-geil haben unser Geschäft fast kaputt gemacht“, sagt der Mann.

Neben dem Schmuck und den Kostbarkeiten unserer Vorfahren, gibt es an anderen Ständen auch die Hinterlassenschaften von Omas Dachboden zu kaufen. Alte Gartengeräte, Holzfensterläden, Truhen, oder Waschbretter warten darauf, all jene zu beglücken, die ihren standardisierten Wohnungen aus dem Möbelhauskatalog den Anschein von Vergangenheit, Individualität und Bodenständigkeit, kurzum von Aura, verpassen wollen.

Darum geht es am Stand von Susanne Amesbauer und ihrem Bruder aus Stuttgart wiederum nicht. An ihrer Auslage versammeln sich vor allem Männer gehobenen Alters, die sofort leuchtende Augen bekommen. Kein Wunder: Die Schreibmaschinen, chemischen Gerätschaften, Grubenlampen oder Luftschutz-Signalanlagen sind 50 bis 100 Jahre alt. Rainer Reihle hat sie restauriert und auf Vordermann gebracht. Viele der staunenden Herren dürften derlei technisches Gerät noch aus Kindertagen kennen.

Doch auch hier ist es so, wie an all den anderen Ständen. Zum Kauf entscheiden sich nur wenige. Meist sind es Sammler. All die anderen kommen zum Schauen und Staunen. Sie genießen einfach dieses unbeschwerte Stück Vergangenheit, dieses Bad in einer Zeit, in der Wegwerfen noch die Ausnahme war.