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60 Jahre „Rede an die deutsche Jugend“
Europa und die de-Gaulle-Rede von 1962: Festakt in Ludwigsburg mit Poetry und Liebeserklärungen

Im Schlosshof hielt Präsident de Gaulle 1962 die Rede, gefeiert wird im Ordenssaal. Fotos: Holm Wolschendorf
Im Schlosshof hielt Präsident de Gaulle 1962 die Rede, gefeiert wird im Ordenssaal. Foto: Holm Wolschendorf
Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Die Ehrengäste tragen sich ins Goldene Buch der Stadt ein, am Tisch die französische Staatssekretärin Sarah El Hairy.
Die Ehrengäste tragen sich ins Goldene Buch der Stadt ein, am Tisch die französische Staatssekretärin Sarah El Hairy.
Empfang bei der Nordterrasse im Schloss Ludwigsburg.
Empfang bei der Nordterrasse im Schloss Ludwigsburg.
Staatssekretärin Sarah El Hairy.
Staatssekretärin Sarah El Hairy.
Oberbürgermeister Matthias Knecht.
Oberbürgermeister Matthias Knecht.
Nicht im Schlosshof, sondern unter Kronleuchtern hat Ludwigsburg zusammen mit Gästen aus Frankreich, England und den USA Europa hochleben lassen. Mit überraschend frischer Poetry und auch deutlichen Appellen nach Paris und Berlin.

Ludwigsburg. Natürlich: Am Anfang des Festakts im Residenzschloss – gewählt wurde dafür der Ordenssaal mit seinen Kronleuchtern – stand ein stilles Gedenken an Queen Elisabeth II. Sie habe Europa geprägt wie keine andere, sagte Oberbürgermeister Matthias Knecht bei seiner Begrüßung der rund 300 Gäste. Mehrere Gruppen waren auch aus den Partnerstädten angereist, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Gedacht wurde der Rede des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle vor 60 Jahren, die den Beginn der deutsch-französischen Freundschaft kennzeichnet. Kurz darauf wurde der deutsch-französische Vertrag unterzeichnet, der bis heute gilt.

Eingeladen waren auch Ehrengäste, Jugendliche des Hockeyclubs Ludwigsburg, die sich sportlich auch mit französischen Mannschaften messen, und Jugendliche vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJ), die eigens für den Tag in Ludwigsburg eine „Rede an die europäische Jugend“ vorbereitet hatten. Sie verwiesen auf die Herausforderungen Krieg, Pandemie und Klimakatastrophen, die nur gemeinsam in einem demokratischen Europa bewältigt werden könnten. „Es ist nicht die Zeit des Wartens und Hoffens, sondern die Zeit des Handelns“, so der Appell von Lisa Menetrier aus Nantes und Stefan Semjancuk aus Tübingen.

Überraschend erfrischend

In die Herzen redete sich überraschend die Wortkünstlerin Jessy James LaFleur mit ihrem Poetry-Beitrag. „Die beeindruckendste Rede überhaupt zu Europa“, fand selbst Prof. Frank Baasner, Chef des deutsch-französischen Instituts, der später über die Europa-Ideen de Gaulles referierte. Auch bei den jungen Leuten kam ihre fröhliche Art an, obwohl LaFleur Politthemen einflocht und nicht mit harten Fakten sparte. „Weil ich Grenzgängerin bin“ hieß ihr Thema, und das lebte sie als Belgierin. Gekonnt wechselte sie von Französisch zu Englisch und zu Deutsch, zeigte auf, wie selbstverständlich wir in einem Europa der Freiheit und Demokratie leben. Trotz allem. „Europa pulsiert noch immer, fühlt sich aber nicht mehr so sicher an.“

Sie glaubt, dass man sich vielleicht wieder ein bisschen in Europa verlieben muss. Weil das alles, was man derzeit hat, nicht selbstverständlich ist. Ein Gedanke, der auch in den anderen Reden zu spüren war. Gerade weil Europa heute nicht einheitlich auftritt, sich zwischen Nord und Süd und Ost und West verheddert. Wäre Charles de Gaulle heute zufrieden mit dem jetzigen Europa, fragte OB Knecht in seiner Rede. „In vielen Teilen sicher“, es müsse aber mehr sein. Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen. „Wir brauchen Gesichter, Symbole und Taten, damit ein geeintes Europa sichtbar wird“, so Knecht. Ob Jugendliche, Städte und Gemeinden, Hochschulen – Austausch und Partnerschaften müssten gepflegt werden.

Deutliche Aufforderung an Macron und Scholz

Geradezu emotional forderte Knecht: „Eigentlich sollten hier die Staats- und Regierungschefs aller EU-Staaten sitzen, um die Worte der Jugend zu hören.“ Nicht weil Ludwigsburg so wichtig sei, sondern weil Europa diesen Austausch brauche. „Wir brauchen eine europäische Leadership“ so sein Appell nach Paris und Berlin. „Emanuel Macron und Olaf Scholz sollten zwei Figuren sein, die für Europa vorangehen.“

Statt „Vive la France“, wie die Menschen damals bei de Gaulle, rief er „Vive l‘europe“, es lebe Europa. Die französische Staatssekretärin Sarah El Hairy möchte ebenfalls darin einstimmen. Der Fortschritt vergangener Zeiten sei ins Stocken geraten, obskure politische Kräfte würden vieles in Frage stellen. Dazu der Krieg in Europa, die Klimakrise, all das seien Herausforderungen, die es zu meistern gelte. Ihre Lösung: „Unser Weg hat sich seit 1962 nicht verändert, es ist der Weg der Europäischen Union.“

Ein tief ergriffener Ministerpräsident

Ministerpräsident Winfried Kretschmann fast privat: Er erzählt von sich als Kind einer Flüchtlingsfamilie, mit vielen leidvollen Erlebnissen. „Als ich von der Rede de Gaulles gehört habe, war ich tief ergriffen.“ Gerade, weil de Gaulle damals, kaum zwei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, den jungen Deutschen Mut zusprach. „Was wir heute tun, was wir in den kommenden Monaten tun, wird über die kommenden Jahrzehnte entscheiden“, so die klaren Worte Kretschmann. Ein reformiertes, ein souveränes Europa werde die aktuelle Bewährungsprobe meistern. „Es schmerzt, dass die Ukraine brutal angegriffen wird.“ Europa setze dem Solidarität entgegen. Europa lasse sich durch die „unsägliche Propaganda Putins nicht spalten“.

Info: Hier gibt es weitere Berichte zum Jubiläum der Rede von de Gaulle.