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Nahverkehr
Frankreichs Stadtbahnen als Vorbild: Geht’s in Ludwigsburg auch oben ohne?

Die Straßenbahn in Bordeaux fährt auf knapp elf Kilometern mit Stromschienen und ohne Oberleitungen.Foto: Leonid Andronov - stock.adobe.co
Die Straßenbahn in Bordeaux fährt auf knapp elf Kilometern mit Stromschienen und ohne Oberleitungen. Foto: Leonid Andronov - stock.adobe.co
Bei der Stadtbahn stören sich viele an den Oberleitungen. Auch im Gemeinderat gibt es immer wieder kritische Nachfragen. Geht es auch ohne? Auch Leser verweisen auf Frankreich, wo in Bordeaux eine solche Hightech-Bahn fährt. Doch so einfach ist das alles nicht.

Ludwigsburg. Schon seit Jahren schaut man nach Frankreich, wo man in den großen Städten modernste Straßen- und Stadtbahnen fahren lässt. Ob Lyon, Straßburg oder Bordeaux, sie prägen das Stadtbild und haben sich ganze Straßenzüge zurückerobert. In Bordeaux wurden drei Linien auf einmal gebaut, die Bahnen fahren auf einem Siebtel der Strecke ohne Oberleitungen. In Studien wird, obwohl in Deutschland über 50 Städte Straßenbahnen betreiben, wiederholt auf die Vorbildfunktion dieser Technik verwiesen.

Doch einfach auf die Oberleitungen verzichten geht nicht, wie sich das in Ludwigsburg etwa CDU und Freie Wähler wünschen. Auch in Bordeaux nicht. Die Straßenbahn benötigt an den besagten Stellen Unterleitungen, durch die die Fahrzeuge Strom zugeführt bekommen. Das System hat drei Jahre benötigt, bis es richtig funktionierte. Störfälle gibt es auch jetzt noch. Stromschienen sind zudem dreimal so teuer wie Oberleitungen.

Kann man die Technik nicht einfach übernehmen?

Für den Zweckverband Stadtbahn sind diese technischen Entwicklungen nicht neu. Oberleitungsfreie Bahnen und die dazu nötige Technik haben auch Nachteile, abgesehen davon, dass sie Ludwigsburg vor ganz andere Probleme stellen würde. In Deutschland fahren keine oberleitungsfreien Bahnen, was Kosten- und Zulassungsgründe hat, so Frank von Meißner, Geschäftsführer im Zweckverband und überzeugter Eisenbahner. Spezialfahrzeuge mit induktiver Aufladung oder Batterie seien in Deutschland nicht zugelassen, Ludwigsburg müsste also aufwendige Zulassungsverfahren anstoßen. „Das sind Zeit- und Kosten-Risiken“, so von Meißner, die auch mit Blick auf die vergleichsweise kleine Flotte an Fahrzeugen für die Stadtbahn nicht vertretbar wären. Für die Ludwigsburger Stadtbahn benötigt man voraussichtlich nur 13 bis 14 Fahrzeuge. In Bordeaux fahren 130 auf einer Strecke von 77 Kilometern. Spezialfahrzeuge und technische Innovationen sollten die Wirtschaftlichkeit der Stadtbahn in Ludwigsburg nicht gefährden, warnt er. Meißner verweist in diesem Zusammenhang auf die Schönbuchbahn, deren Triebwagen derzeit wegen Zulassungsfragen seit einem Jahr ungenutzt herumstehen. Das sollte möglichst vermieden werden.

Was für Fahrzeuge sollen dann einmal auf den Schienen fahren?

Auch bei den Fahrzeugen muss man genauer hinschauen. Ludwigsburg benötigt voraussichtlich Stadtbahnen, die auf zwei Systemen fahren können – auf Eisenbahnschienen nach dem Eisenbahnrecht (Strecke Markgröningen-Ludwigsburg) sowie als Straßenbahn. Vor dieser Herausforderung stehen auch andere Städte. Erst jüngst haben sich mehrere Verkehrsgesellschaften zusammengetan, um solche Fahrzeuge en gros zu bestellen, was preislich günstiger ist. 246 sogenannte „Tram-Trains“, was man mit Straßenbahnzüge übersetzen könnte, haben diese derzeit bestellt, unter anderem für die Saarbahn, für Karlsruhe, für die Region Neckar-Alb, für Salzburg oder für die Bahn in Oberösterreich. Für Ludwigsburg wäre dies ebenso eine Option. Diese Tram-Trains fahren mit Oberleitungen.

Wollte man kurze Strecken ohne diese überbrücken, bräuchten die Fahrzeuge eine dritte Technik, etwa Akkus. Das widerspreche einem umweltfreundlichen, leichten und wendigen Stadtbahnfahrzeug, so von Meißner. „Die Akkus führen zu einer hohen Baulast, die wir im städtischen Stop-and-go-Verkehr immer wieder beschleunigen und abbremsen müssen.“ Die Fahrzeuge wären mit einem gepanzerten Rolls-Royce vergleichbar. „Das geht alles, kostet aber viel Energie“, stellt er fest.

Warum setzt dann Frankreich auf andere Systeme?

Von Meißner sieht die Bahnen in Bordeaux oder Straßburg als Prestigeprojekte, die sich Frankreich geleistet hat. Die Fahrzeuge seien in Beschaffung und Betrieb teuer, der Staat finanziere vor allem in Ballungszentren solche Bahnen. Wirtschaftlich starke Regionen würden hier gepuscht, die schwachen Regionen fallen durchs Raster. Was wenige wissen, so von Meißner, ist die Beteiligung der Bürger an der Finanzierung des Nahverkehrs. Es gibt eine Verkehrssteuer, die lokale Arbeitgeber und Einzelhändler aufbringen müssen, sie betrage bis zu ein Prozent der Lohn- und Gehaltskosten. Damit würden die Stadtbahnen mitfinanziert.

Stören Oberleitungen das barocke Stadtbild von Ludwigsburg?

Straßenbahnen mit Oberleitungen sind in vielen Städten mit schöner historischer Architektur im Einsatz, stellt der Experte im Zweckverband fest. Er verweist auf Städte wie Freiburg, Augsburg oder Winterthur. „Das geht gut“, findet von Meißner, der versucht, einen ganz anderen Blick auf die Straßen Ludwigsburgs zu werfen, in denen der Verkehr braust wie auf einer Autobahn. Er entdeckt eher große Verkehrsschilder, die den Blick auf das Schloss versperren oder unschöne Ampelanlagen vor der barocken Kulisse der Stadt. Auch die hässlichen Filtersäulen entlang der Schlossstraße findet er nicht gerade schön direkt in Sichtweite zum Residenzschloss.