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Porträt
„Ich bin zufrieden mit meinem Leben“

Abdulrahman Krnbeh floh vor drei Jahren aus Syrien nach Deutschland.Foto: privat
Abdulrahman Krnbeh floh vor drei Jahren aus Syrien nach Deutschland. Foto: privat
„Als ich nach Ludwigsburg kam, wurde mir gesagt, dass die Schwaben gerne arbeiten und es nicht mögen, wenn man nichts macht“, sagt Abdulrahman Krnbeh und lacht. Das hätte man ihm gar nicht sagen müssen. „Ich war von Anfang an aktiv“, sagt er. Vor drei Jahren floh der 26-Jährige aus Syrien. Mittlerweile macht er eine Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten am Klinikum.

Ludwigsburg. Obwohl er sich schon sehr gut verständigen kann, feilt Abdulrahman Krnbeh weiter an seinem Deutsch. „Ich bin noch nicht zufrieden damit“, sagt er. Er besuche derzeit einen C1-Niveau-Kurs an der Volkshochschule, abends nach der Arbeit. Der 26-Jährige ist zielstrebig.

In Syrien hatte Abdulrahman als Notfallsanitäter gearbeitet, seine Ausbildung wurde hier aber nicht anerkannt. Also bemühte er sich rasch um Praktika – als Rettungssanitäter und im Klinikum als operationstechnischer Assistent. „Ich hatte zu der Zeit Deutsch-A2-Niveau. Ich konnte mich nicht einmal richtig vorstellen“, erinnert sich Abdulrahman. Er sei aber sehr nett empfangen worden. „Man hat sich bemüht, mit mir zu kommunizieren.“ Als er sich schließlich um eine Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten bewarb, bekam er 15 Zusagen. Er hatte 20 Bewerbungen geschrieben. „Es gibt Personalmangel in dem Bereich, es werden Leute gesucht.“ Er entschied sich für das Ludwigsburger Klinikum. Mittlerweile befindet er sich im zweiten Ausbildungsjahr.

In Ludwigsburg fühlt sich der Syrer wohl, er hat viele Freunde gefunden. Er lebt in einer Dreier-WG, geht klettern, Schlittschuh laufen und inlineskaten. Auch in der Ausbildung versteht er sich mit allen anderen Azubis. „Ich habe mich nie fremd bei ihnen gefühlt“, sagt er. „Wir gehen auch zusammen aus.“ Wenn er mal im Unterricht mit dem Aufschreiben nicht mitkommt, weiß er, dass er später bei den anderen nachfragen kann.

Aber Abdulrahman hat in Deutschland nicht nur schöne Begegnungen. „Ich wurde einmal angespuckt“, erzählt der junge Mann. Ein anderes Mal habe er einer älteren Dame die Tür zur S-Bahn aufhalten wollen. Als sie ihn sah, drehte sie sich um. Er sei auch schon gefragt worden, ob er sich keine Rasierklinge leisten könne, um den Bart zu rasieren. Abdulrahman versucht, darüberzustehen. „Ich habe meine Art, meine Offenheit und meinen Stil nicht verändert, als ich herkam. Ich selbst bin liberal aufgewachsen.“ In dem Dorf bei Damaskus, aus dem er kommt, habe es neben der Moschee eine Kirche gegeben. „Ich bin auch mit Weihnachten großgeworden.“

Im deutschen Alltag wird Abdulrahman mit Vorurteilen konfrontiert. Er merkt, dass manche Mädchen sehr vorsichtig mit ihm umgehen, erzählt er. In einem Bewerbungsgespräch wurde er gefragt, ob er frauenfeindlich sei. „Es gibt welche, die so denken. Aber es ist nicht die Mehrheit von uns“, betont der Syrer. „Es wird immer Licht auf die Leute geworfen, die Blödsinn machen.“

Vor drei Jahren floh Abdulrahman aus Syrien, weil er durch seine Arbeit als Notfallsanitäter in Damaskus damit rechnen musste, festgenommen zu werden. „Ich wurde mehrmals verhaftet.“ In dem Kriegsgebiet habe er viel zu tun gehabt und nicht nachgefragt, ob der Verletzte ein Rebell sei oder nicht, erzählt der 26-Jährige. Abdulrahman half. Weil sich die Lebenssituation zunehmend verschlechterte und er zudem gezwungen wurde, zur Armee zu gehen, habe er sich zur Flucht entschlossen. „Ich wollte auf keinen Fall zur Armee. Für mich war klar, dass ich raus muss.“ Der junge Mann floh so weit, wie er konnte – er kam bis nach Deutschland.

Abdulrahman wusste ungefähr, was ihn hier erwartet. Der Syrer hatte Doku-Filme gesehen und kannte einiges über die Geschichte und Geografie des Landes. „Und das Oktoberfest kannte ich natürlich“, sagt er und lacht. Die Kultur war ihm aber fremd. Er kam in eine Sporthallen-Sammelunterkunft in Ludwigsburg. Zum Glück lernte er dort die Ludwigsburgerin Uta Baumann kennen, die sich im Arbeitskreis Asyl engagiert, erzählt er. Bis dahin hatte er keinen Kontakt zu Deutschen gehabt. Sie lud ihn und einen syrischen Freund ein, bei ihr und ihrer Familie zu wohnen. „Die Familie hat uns sehr unterstützt in allen Lebenslagen.“ Ein Jahr lang lebte Abdulrahman bei dem Ehepaar und seinen zwei Töchtern. Natürlich habe es in der Zeit auch einige Missverständnisse gegeben, die aufgeklärt werden mussten, sagt der Syrer. „Wir sind zum Beispiel gewohnt, richtig viel zu kochen. Bei uns gibt es immer viel Essen“, erzählt er. Als er einmal einkaufen war und viel Essen mitbrachte, war Uta Baumann verwundert: „Wer soll das alles essen?“, fragte sie lachend. Bei der deutschen Familie lernte er auch schwäbische Hausmannskost kennen. „Kässpätzle sind am besten“, findet Abdulrahman. Auch nordische Gerichte mit viel Kohl kamen auf den Tisch, weil Baumann gebürtige Bremerin ist.

So herzlich er auch aufgenommen wurde – an seine Familie in Damaskus denkt der junge Mann oft und telefoniert regelmäßig mit ihnen. „Ich habe Familienweh, kein Heimweh. Auf so ein Land freue ich mich nicht, wenn ich daran denke, was dort alles passiert ist.“ Für ihn steht fest, dass er in Deutschland bleiben möchte. „Wenn ich zurückgehe, werde ich getötet.“ Vor ein paar Monaten habe er endlich Asyl bekommen, sagt er erleichtert. Jetzt kann er nach der Ausbildung einen festen Arbeitsvertrag anstreben. Abdulrahman will eine eigene Wohnung finanzieren können. Und er träumt davon, Bio-Medizin zu studieren. „Ich bin zufrieden mit meinem Leben“, sagt er.