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Ludwigsburger Jugendgemeinderat startet Aktion gegen Alltagssexismus

Die Jugendgemeinderäte mit den Karten: Tim Tibi, Selin Akin, Baran Rahimi und Yasmin Neni (v.l.). Foto: Wolschendorf
Die Jugendgemeinderäte mit den Karten: Tim Tibi, Selin Akin, Baran Rahimi und Yasmin Neni (v.l.). Foto: Wolschendorf
Der Jugendgemeinderat greift das Problem mit einer Postkartenaktion auf – Viele Jugendliche betroffen

Ludwigsburg. Sexismus und sexuelle Belästigung waren Themen, denen der Jugendgemeinderat schon in der vergangenen Sitzungsperiode einen hohen Stellenwert einräumte. So wurde vor einem Jahr in Kooperation mit Judith Raupp, der städtischen Gleichstellungsbeauftragten, eine Online-Umfrage gestartet, an der sich rund 650 junge Menschen beteiligten.

Das Ergebnis stimmt nachdenklich: 455 Umfrageteilnehmer berichteten, dass sie selbst zu Opfern von sexueller Belästigung geworden waren. Etwa 56 Prozent dieser Erfahrungen spielten sich im öffentlichen Raum ab, 20 Prozent an Schulen oder Hochschulen, 17 Prozent bei Freunden und Verwandten, fast sieben Prozent im Familienkreis. Nur in elf Fällen wurde daraufhin eine Anzeige erstattet, die restlichen 439 Befragten ließen die Sache auf sich beruhen.

Knappe Botschaften

„Wenn schon Jugendliche sexuelle Belästigung erfahren, weiß man, dass etwas nicht stimmt“, sagt Selin Akin, die seit Oktober dem neuen Jugendgemeinderat angehört. „Sexismus im Alltag wird gerne totgeschwiegen. Es ist aber wichtig, darüber zu reden.“ Ihre Kollegin Baran Rahimi sieht das genauso. „Belästigung wird oft gar nicht als Alltagssexismus angesehen.“ Betroffen seien nicht nur Mädchen und junge Frauen, meint Rahimi, sondern auch ihre männlichen Altersgenossen.

Gleich nach ihrer Einsetzung im vergangenen Oktober haben die frisch gewählten Jugendgemeinderäte das von ihren Vorgängern angestoßene Thema aufgegriffen und weitergeführt: In den Herbstferien fand ein über Fördermittel finanzierter Workshop statt, bei dem die Jugendlichen gemeinsam mit einem Grafiker drei Postkarten gestalteten. „Wir wollen die Leute dazu anregen, einen anderen Blickwinkel auf die Thematik einzunehmen“, so Jugendgemeinderätin Akin.

Die Botschaft sei bewusst kurz und knapp gehalten worden, sagt Jugendgemeinderat Tim Tibi, „wenig Text, wenig Bilder“. Auf der Vorderseite einer Postkarte etwa sind eine warnende Hand und der Schriftzug „Stopp“ zu sehen.

In Kneipen ausgelegt

Auf der Rückseite finden sich einige Verhaltensempfehlungen für junge Leute, die sexuelle Belästigung erfahren haben, auf einer Postkarte ist auch ein QR-Code mit dem Kontakt der Gleichstellungsbeauftragten abgedruckt. Vergangene Woche wurden die drei Motive in Cafés, Kneipen und Bars ausgelegt, auch an Ludwigsburger Schulen sollen die Postkarten auf das Thema aufmerksam machen.

Die Jugendgemeinderäte verstehen diese Aktion nicht zuletzt als Auftrag. Durch Rückmeldungen von anderen jungen Menschen wissen sie, dass sexuelle Belästigung im Alltag ein echtes Problem ist. „Das Thema wird unter den Teppich gekehrt“, sagt Yasmin Neni. „Wir wollen den Opfern zeigen, dass sie nicht allein sind.“ Sie plädiert für mehr Problembewusstsein im alltäglichen Umgang. Denn häufig sei der Übergang von einer „spaßig“ gemeinten Bemerkung zur sexuellen Belästigung fließend. „Ob es sich um Spaß handelt oder um Belästigung, entscheidet nicht der Täter, sondern das Opfer“, stellt die Jugendgemeinderätin klar.