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Ludwigsburger sucht dringend barrierefreie Wohnung: „Ich komme die Treppen kaum hoch“

Josef Reiter hofft auf eine barrierefreie Wohnung. Foto: Andreas Becker
Josef Reiter hofft auf eine barrierefreie Wohnung. Foto: Andreas Becker
Josef Reiter ist dauerhaft auf ein Sauerstoffgerät angewiesen. Das Atmen fällt ihm schwer, weil er im dritten Stock wohnt, geht er nur noch selten raus. Seit Jahren versucht er bei der Wohnungsbau Ludwigsburg, eine barrierefreie Wohnung zu bekommen – bislang vergeblich.

Ludwigsburg. Die Fenster sind undicht und klapprig, alte Gasöfen bollern in den Wohnungen, im Flur steile, enge Treppen, die Türen wie von einer Anstalt, vergilbt, teils zerkratzt. Der Block in der Kaiserstraße hat schon Jahre auf dem Buckel. „1949 von der Stadt Ludwigsburg erbaut“, sagt ein Wappen über der Tür. Inzwischen gehört der große Block der Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL), die dort die Wohnungen vermietet.

Josef Reiter ist einer von ihnen. Er beklagt sich nicht über die Mängel. Auch wenn er den Bollerofen abgedreht hat, weil er so viel Hitze abgestrahlt hat, dass es kaum auszuhalten war. Die anderen Zimmer blieben kalt. Ihn beschäftigt etwas ganz anderes. Unfälle, Krankheit und ein wechselvolles Leben haben dazu geführt, dass er ohne Sauerstoffgerät nicht mehr auskommt. Er hat ein stationäres für die Wohnung, Schläuche auf dem Boden zeigen Besuchern schnell, wo das Gerät steht. Und ein mobiles Gerät, das er benötigt, um überhaupt ein paar Schritte zu tun.

Einkaufen ist für ihn ein Kraftakt. Die Treppen kommt er kaum hoch, schwere Sachen kann er nicht tragen – außer dem mobilen Sauerstoffgerät. Schon nach wenigen Schritten atmet er schwer. „Mir hilft der ASB, er bringt mir die Getränke und Einkäufe“, berichtet der Donauschwabe, gebürtig aus Stara Moravica. Manchmal helfen auch Bekannte aus. „82 Stufen sind es“, weiß er genau. Vom Eingang bis hoch in den dritten Stock.

Für ihn ein Hindernis, das ihn gefühlsmäßig belastet. Schon einmal ist er rückwärts die Treppe herunter gestürzt. Das war im November 2019. Vierzehn Tage lag er danach im Krankenhaus.

Er bräuchte eine barrierefreie Wohnung, doch obwohl er in der Pflegestufe II ist (und möglicherweise in die Stufe III eingeteilt wird) und kaum mehr aus dem Haus kommt – die Wohnungsbau hat ihm bislang noch keine alternative Wohnung angeboten. Mit seinen 68 Jahren hofft er, dass er noch diese Möglichkeit bekommt. Er fühlt sich in der Wohnung eingesperrt, vergessen. Gäbe es einen Aufzug, eine ebenerdige Wohnung, dann könnte er mobil sein. Mit dem Rollator ist es einfacher, das Sauerstoffgerät mitzunehmen. Autofahren kann er auch, weil er im Auto das Gerät mit Strom versorgen kann und so nicht bereits nach zwei bis drei Stunden wieder umkehren muss. Denn dann versagt der Akku des Sauerstoffgeräts seinen Dienst.

Die Wohnungsbau konnte ihm bislang nicht weiterhelfen, seit Jahren wird ihm mitgeteilt, dass es keine für ihn geeignete Wohnung gebe. In seiner Not hat er eine Anwaltskanzlei eingeschaltet, doch ohne Ergebnis. Die Anwältin Bettina Raschke hält dies für skandalös, sei doch Herr Reiter seit vielen Jahren Mieter in dem Wohnblock der Wohnungsbau. Dabei hatte sich Josef Reiter schon Hoffnungen gemacht. Der Hausmeister des Wohnblocks habe ihm mitgeteilt, dass er eine andere Wohnung bekomme. Seither habe er aber nichts mehr gehört.

Wohnung mit Zugang über einen Aufzug würde schon helfen

Auf Nachfrage erklärt Manuel Bezold, Leiter Immobilienmanagement der Wohnungsbau, dass sie nicht genügend barrierefreie Wohnungen haben, der Mieter auch nicht von Obdachlosigkeit bedroht sei. Aktuell gebe es 1200 Interessenten für Wohnungen. Laut Bezold habe der Interessent Reiter 450 Euro als Höchstmiete angegeben und Wohngebiete ausgegrenzt, in denen er wohnen wolle. Auch habe er „falsche Angaben“ gemacht.

Welche falschen Angaben das sein sollen, darüber wundern sich Reiter und die Rechtsanwältin. Dass er Wohngebiete ausgegrenzt habe, treffe nicht zu. Er sei nur mal gefragt worden, ob er in der Weststadt zufrieden sei – das habe er bejaht. „Ich würde aber jede Wohnung nehmen, egal in welchem Stadtteil“, erklärt er. Das habe er immer betont. Dass er eine Höchstmiete angegeben habe, sei ebenfalls nicht richtig. Vor Jahren sei er gefragt worden, wie viel Miete er bezahlen könne. Auf diese 450 Euro werde er jedes Mal verwiesen. Wenn, so die Anwältin, dann würde die im Sozialgesetzbuch geregelte Mietobergrenze von 530 Euro angesetzt werden müssen.

Auf Nachfrage unserer Zeitung, ob die Wohnungsbau dem Interessenten weiterhelfen könne, sagte Bezold: „Wir schauen danach, wir grenzen niemand aus.“ Im Falle von Reiter müsste ein Aufzug dabei sein, das werde man prüfen. Im Bestand würden allerdings nur selten Wohnungen frei. OB Matthias Knecht, an den das Schreiben auch als Aufsichtsratsvorsitzender der WBL ging, erklärt, dass es viele Anfragen gebe, er sich nicht direkt in das operative Geschäft einmische. Er werde das Thema aber ansprechen. „Es gibt viele Menschen, die mit Tränen in den Augen ihre Situation schildern“, sagte er, insofern gebe es eine „riesen Herausforderung, was Sozialwohnungen betrifft“. Die neuen Wohnungen in der Marbacher Straße sind laut Bezold alle bereits vergeben. Warum der Antragsteller nicht berücksichtigt wurde, da verweist die Wohnungsbau auf ein mit der Stadt abgestimmtes Verfahren, das nach Dringlichkeit vorgehe.

Krankheit und Unfälle zeichnen seinen Weg

Aus Sicht von Josef Reiter ist es dringlich. Seine Mobilität ist stark eingeschränkt, nicht immer hat er Glück gehabt. Krankheiten und Unfälle zeichnen seinen Weg. Eine Lungenentzündung hat dem gelernten Kfz-Mechaniker, der lange in München und Mannheim gearbeitet hat, zu schaffen gemacht. 2017 kam er mit Atemnot in die Klinik. Er habe auch schon halbseitige Lähmungserscheinungen gehabt. Er stürzte bei der Arbeit von einem Hochregallager und verletzte sich schwer. Dann auch das noch: 2018 fing sein Auto Feuer, als er an einer Tankstelle war. Aus Sorge um Schlimmeres reagierte er und fuhr ein Stück weg, er musste aus dem brennenden Auto gerettet werden.

Seit 2011 wohnt Josef Reiter in der Kaiserstraße bei der Wohnungsbau in Miete. Er wünscht sich so sehr, dass er wieder mobil sein kann. Mit Rollator und Sauerstoffgerät könnte er wenigstens Spazierengehen. Und schön wäre es, eine richtige Dusche zu haben, „um mich etwas besser pflegen zu können“. Momentan hat er in der Ecke der kleinen Küche eine wacklige mobile Duschkabine, in der der kräftig gebaute Mann kaum Platz hat. „Da kann ich mich nur im Sitzen etwas abduschen.“