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Kunst im Kreishaus
Neue Ausstellung im Ludwigsburger Kreishaus: In reizvoller Widersprüchlichkeit vereint

Isabell von Wedel, Bettina Kohlen, Gisela Postert, Hartmut Steegmaier und Ute Kunze (von links) stellen im Kreishaus aus. Auch Werke der verstorbenen Künstlerin Monika Adams-Steegmaier (im Hintergrund) sind zu sehen. Foto: Ramona Theiss
Isabell von Wedel, Bettina Kohlen, Gisela Postert, Hartmut Steegmaier und Ute Kunze (von links) stellen im Kreishaus aus. Auch Werke der verstorbenen Künstlerin Monika Adams-Steegmaier (im Hintergrund) sind zu sehen. Foto: Ramona Theiss
Isabell von Wedel bearbeitet Wellpappe mit dem Skalpell. Foto: Ramona Theiss
Isabell von Wedel bearbeitet Wellpappe mit dem Skalpell. Foto: Ramona Theiss
Ute Kunze denkt gerne um die Ecke. Foto: Ramona Theiss
Ute Kunze denkt gerne um die Ecke. Foto: Ramona Theiss
Gisela Postert befasst sich auch gerne mal mit aktuellen Themen wie bei „Corona“. Foto: Ramona Theiss
Gisela Postert befasst sich auch gerne mal mit aktuellen Themen wie bei „Corona“. Foto: Ramona Theiss
Hartmut Steegmaier baut auch mal ein Musikinstrument. Foto: Ramona Theiss
Hartmut Steegmaier baut auch mal ein Musikinstrument. Foto: Ramona Theiss
Kohlen interessiert sich für menschliche Figuren. Foto: Ramona Theiss
Kohlen interessiert sich für menschliche Figuren. Foto: Ramona Theiss
„Quo vadis?“, fragt eines der Kunstwerke, das in der „Werkschau #9“ mit Arbeiten von sechs Künstlerinnen und Künstlern im Kreishaus zu sehen ist. Wohin der Besucher seine Schritte bei so vielen Ebenen voller Kunst lenkt, steht ihm frei – in jedem Fall lohnt es sich aber.

Ludwigsburg. Lange Gänge, viele Ebenen, Türen und Treppen: Es ist immer wieder frappierend, welch ungewöhnliche Bühne das Landratsamt für die Kunst eigentlich bietet. Und doch funktioniert diese Form der Präsentation, die mit der Reihe „Kunst im Kreishaus“ bereits seit 1971 praktiziert wird, oft erstaunlich gut. Nicht zuletzt, da die Kunst – zwischen all jenen Menschen, die auf einem Stuhl oft etwas verloren ihres amtlichen Termins harren – einen Gegenpol zum eher tristen Behördeninneren bietet. Erst recht, wenn sie so schillernd daherkommt wie in der aktuellen „Werkschau #9“.

Die großen Themen der Zeit spiegeln sich bei den knapp hundert Ausstellungsstücken eher in einzelnen Schlaglichtern wider – etwa, gleich im Eingangsbereich, das lange, schmale Triptychon „Corona“ von Gisela Postert, dessen Titel wenig thematischen Interpretationsspielraum lässt. Wohl aber in der Umsetzung. Eine Art Zeitstrahl vom Beginn der Pandemie bis ins Jahr 2021 hat sie malerisch nachempfunden (Acryl auf Leinwand), die Brüche des Lockdowns hat sie durch zackige Linien mittels überklebter Strecken versinnbildlicht, die frei vom später aufgetragenen dominierenden Blau in verschiedenen Farbnuancen geblieben sind. „Als Corona kam, war der Himmel unglaublich blau“, erklärt die Oberstenfelderin. „Das stand irgendwie im Widerspruch zur Situation – zugleich ist es eine hoffnungsvolle Farbe, die für Leben steht.“

Ein halber Tag für eine Linie

Die Künstlerin Monika Adams-Steegmaier starb vor rund einem halben Jahr, ihre Werkschau erlebt sie daher nicht mehr. Ihr Mann Hartmut Steegmaier, ebenfalls in der Ausstellung vertreten, begleitet ihre Kunst aber gleich mit, eine Konstellation, die sich nicht zuletzt durch einige Querverweise und thematisch ähnliche Ansätze des Künstlerpaars als reizvoll erweist. Beide haben sich viel mit astrologischen Themen befasst. Die gebürtige Sinsheimerin, die viele Jahre ihr Atelier in Markgröningen hatte, hat häufig mit Schablonen gearbeitet, deren geschwungene Linien – streng und vital zugleich – sie dann mit freier Hand nachmalte. „Vieles kam direkt aus der Seele“, sagt ihr Witwer. „Manchmal hat sie einen halben Tag für eine Linie gebraucht.“

Auf der Ebene 4 findet sich beispielsweise das Sternbild Stier mit seinen zehn fixen Punkten am Firmament, von beiden in unterschiedlicher Weise ausgeführt, wenn auch mit vielen gleichen Farben. Auf den ersten Blick sieht man gleich den Unterschied: Hartmut Steegmaier tendiert zum völlig schiefen Format. „Bei mir weicht vieles von der Norm ab“, erklärt der gebürtige Braunschweiger trocken. „Hängt sicherlich auch mit dem Charakter zusammen.“ In der Schau zeigt er auch seine farbige Holz-Skulptur „Schneefeenfindelkinder“, die eine Art Musikinstrument darstellt: Im Innenraum befinden sich zwei kleine Sektgläser an der Seitenwand – wenn man etwa Körner hineinrieseln lässt, ergebe das einen eigentümlichen Klang, so der Künstler.

Das Unperfekte gehört dazu

Seit rund zehn Jahren beschäftigt sich Isabell von Wedel mit einem vermeintlich banalen Alltagsmaterial: Wellpappe. Es ist nicht unbedingt Zufall, dass bei ihr daheim in Remshalden eine größere Firma beheimatet ist, die ebendiesen Verpackungsstoff herstellt. In der Regel bezieht sie dort ihr Material, die Firma hat auch bereits mehrere Werke angekauft – und das aus gutem Grund: Erstaunlich, wie filigran und aufwendig sie mit dem Skalpell den vielen Schichten der Pappe zuleiberückt und so mitunter dreidimensional erscheinende Ansichten von Menschen in Bewegung, etwa Artisten im Zirkus, oder oft auch von Bäumen kreiert, ergänzt durch malerische Elemente. „Mich fasziniert das Material, auch wenn es nicht einfach ist“, sagt von Wedel. Daran reizt sie gerade, auch das Unperfekte zu lassen und zu zeigen. „Unsere Zeit ist nicht perfekt – aber Kunst ist es oft zu sehr, finde ich“, sagt sie.

Die Korntaler Bildhauerin Bettina Kohlen arbeitet durchweg figürlich, ihre feingliedrigen Skulpturen entstehen aus modelliertem Wachs, die Formen lässt sie mit Bronze oder Aluminium gießen. Am Ende erhalten sie noch eine Patina – und einen Naturstein als Sockel. Sportliche Figuren setzt sie gerne in Szene, so dass das Schwere leicht aussieht, aber auch geschlechtsneutrale Paarbeziehungen wie „Mit allen Ecken und Kanten“ (Foto), was sich auch im Erscheinungsbild widerspiegelt.

Dromedare wandern durch die Wüste

„Quo vadis?“ (lateinisch: „Wohin gehst du?“), fragt Ute Kunze mit ihrem eher einfach-modern gehaltenen Acrylbild, das, rot auf blau, eine Art Labyrinth zeigt. Landschaftliches („fantastisch, nicht realistisch“) und Skurriles sowie Figuren im Raum gehören jedoch gleichermaßen zu ihrem stilistisch vielleicht nicht ganz stringenten, gleichwohl aber technisch ansprechenden Gesamtwerk. Hier wandert eine wechselnde Zahl von Dromedaren über den vielfarbigen Tag durch die afrikanische Wüste, dort wirft Kunze Restfarben auf eine Glasplatte, um daraus per Druck Zufallsgebilde zu kreieren, die sie anschließend figürlich fortführt. Eine künstlerische Position, die in ihrer reizvollen Widersprüchlichkeit wunderbar in die gesamte Schau passt.

Info: Die „Werkschau #9“ wird heute um 19 Uhr im Kreishaus eröffnet. Sie ist bis 19. Mai zu den üblichen Öffnungszeiten des Landratsamtes zu sehen.