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Tafel in Ludwigsburg am Limit: „Wir müssen immer wieder Kunden abweisen“

Dankbar, dass es die Tafeln gibt: Danilo Eismann kauft regelmäßig bei der Ludwigstafel für sich und seine Kinder ein. Foto: Holm Wolschendorf
Dankbar, dass es die Tafeln gibt: Danilo Eismann kauft regelmäßig bei der Ludwigstafel für sich und seine Kinder ein. Foto: Holm Wolschendorf
Die Tafeln in Baden-Württemberg sind überlastet. Immer mehr Menschen müssen versorgt werden – unter ihnen viele Flüchtlinge. Das trifft auch die Ludwigstafel. „Es gibt Tage, da müssen wir sogar Kunden abweisen“, sagt die neue Ludwigstafel-Geschäftsführerin Ulrike Bötcher.

Ludwigsburg. „Wir hatten schon Tage, da haben die Kunden vier Stunden draußen gestanden und gewartet, dass sie rein können“, erzählt Bötcher. Vier Stunden für ein bisschen Gemüse, ein paar Nudeln, ein Duschgel und was es sonst gerade gibt. Alles nur in Tagesrationen. Einen Wocheneinkauf kann man hier nicht machen.

„Das Kundenaufkommen ist wesentlich höher als früher“

Um ihren Kunden einen entspannten Einkauf ohne Konkurrenz zu ermöglichen, dürfen immer nur ein paar wenige Kunden zeitgleich einkaufen. „Im Laden gibt es zum Glück keine Ringkämpfe“, sagt Danilo Eismann. Der alleinerziehende Vater lebt von Hartz IV und kommt schon seit vielen Jahren zur Tafel. „Das Kundenaufkommen ist wesentlich höher als früher“, beobachtet er. Es sei „kein Zuckerschlecken“, hier einzukaufen. „Was man an Geld einspart, muss man an Zeit und Nerven mitbringen.“ Doch er sei dankbar für dieses Angebot. „Für mich ist die Tafel existenziell wichtig. Ich kaufe auch mal beim Discounter ein, weil ich hier nicht alles bekomme. Aber das tut schon weh im Geldbeutel. Und dafür wäre kein Geld da, wenn es die Tafeln nicht gäbe.“

Nach eineinhalb Stunden schon 140 Kunden

Doch die Tafeln sind am Limit. „Auch wir haben signalisiert, dass mittlerweile zu viele Kunden da sind“, so Ulrike Bötcher. Erst vor wenigen Tagen hatten die Tafeln in Baden-Württemberg wegen des Kriegs in der Ukraine die Politik um Hilfe gebeten. „Letzten Montag hatten wir um 16 Uhr schon 140 Kunden hier.“ Da war der Laden gerade mal eineinhalb Stunden geöffnet. Zum Vergleich: Noch bis vor einiger Zeit kamen durchschnittlich zwischen 80 und 120 Kunden am Tag. Nun sind es oft bis zu 160. „Wir weisen Kunden zurück, wenn es zu viel wird“, sagt Bötcher. „Man muss das auch alles verarbeiten können.“ Sie würde es gerne anders machen, aber es gehe einfach nicht. „Und es wird immer noch mehr.“

Die Welle ist erst richtig angelaufen

Rund die Hälfte der Menschen, die hier zum Einkaufen kommen, seien ukrainische Flüchtlinge, beobachtet die Ludwigstafel-Geschäftsführerin. Dabei sei die Welle jetzt erst richtig angelaufen. Weitere Flüchtlingsunterkünfte seien im Entstehen. Und so manche, die zunächst privat untergekommen und versorgt worden seien, müssten sich jetzt selbst organisieren.

Der Preisanstieg in allen Lebensbereichen bleibe sicher auch nicht mehr lange ohne Folge. „Ich warte darauf, dass viele mit Hartz IV kommen. Bei den Menschen reicht das Geld jetzt vorne und hinten nicht mehr aus.“

Die Flüchtlinge stünden zu all der schwierigen Situation noch vor einem ganz anderen Problem: „Oftmals dauert es bis zu sechs Wochen, bis sie Geld vom Amt bekommen.“ Zwar gebe es in der Friedenskirche einen 30-Euro-Gutschein für den Discounter sowie Erstausstattung in Sachen Bekleidung. Aber mit 30 Euro könne man sich auch beim Discounter nicht über mehrere Wochen versorgen.

Konkurrenz unter den Tafel-Kunden ist groß

Häufig schon habe die Tafel bei Flüchtlingen unbürokratisch geholfen. Aber das birgt sozialen Sprengstoff. Denn die Konkurrenz unter den Tafel-Kunden ist bisweilen groß. Das Angebot ist begrenzt. Inzwischen würden auch mittellose Flüchtlinge abgewiesen. „Wir raten ihnen dann, sich von irgendjemandem Geld zu leihen.“ Denn bei all der Empathie, die die Tafel-Mitarbeiter für die Flüchtlinge hätten: „Wir sind kein staatlich finanziertes Sozialunternehmen.“

Viele Tafeln in Deutschland geben gepackte Lebensmitteltüten kostenlos an Bedürftige ab. In Ludwigsburg ist man von Anfang an einen anderen Weg gegangen. Hier werden gespendete Lebensmittel zu einem sehr geringen Preis verkauft. Ein kleiner Joghurt kostet hier zehn Cent, ein Kohlrabi fünf Cent, 1 Kilo Zucker 30 Cent und Duschgel zwischen 20 und 30 Cent. „Wir möchten, dass unsere Kunden auch richtige Kunden sind. Das hat etwas mit Menschenwürde zu tun“, sagt Ulrike Bötcher. Sie sollen in einem Laden einkaufen können und selbst aussuchen, was sie haben möchten und brauchen. In gepackten Tüten befänden sich oft Produkte, die nicht gewollt seien. Die landeten dann im Müll. „Mit einem Einkaufszettel geht man nicht zur Tafel“, erzählt Danilo Eismann. „Gekocht wird, was es gerade zu kaufen gibt. Anspruchsvoll darf man nicht sein.“ Aber ohne die Tafel „sähe es schlecht aus.“

Info:

Die Ludwigstafel befindet sich in der Saarstraße 25, www.ludwigstafel.de.