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Gemeinnützigkeit
Verein für Finanzamt zu weit links

Das Demokratische Zentrum liegt in einem Hinterhaus in der Wilhelmstraße. Archivfoto: B. Stollenberg
Das Demokratische Zentrum liegt in einem Hinterhaus in der Wilhelmstraße. Foto: B. Stollenberg
Mit dem „Demokratischen Zentrum“ (DemoZ) verliert erstmals bundesweit ein kleines soziokulturelles Zentrum seine Gemeinnützigkeit. Das Finanzamt Ludwigsburg hat dem Verein Ende Oktober die Gemeinnützigkeit aberkannt. Laut Experten könnte die Entscheidung weitreichende Folgen haben.

Ludwigsburg. Minutiös hat sich das Finanzamt Ludwigsburg in den vergangenen Monaten mit dem DemoZ in der Wilhelmstraße auseinandergesetzt. Im Fokus stand dabei die Frage: „Ist das Zentrum gemeinnützig?“

Das Ergebnis steht jetzt fest: Ende Oktober hat das Finanzamt dem Verein die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt. Die politische Willensbildung werde im DemoZ nicht mit geistiger Offenheit geführt. „Es wird vielmehr versucht, die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen“, heißt es in der Begründung. Die Behörde beruft sich dabei auf Veranstaltungen im DemoZ, die sich gegen den Kapitalismus richten oder für Anarchismus werben.

Zudem kritisiert das Ludwigsburger Finanzamt, dass sich die Angebote des DemoZ nicht an alle Menschen richten, sondern manche Personenkreise von den Veranstaltungen ausgeschlossen sind. Verwiesen wird dabei auch auf das Impressum der Homepage des DemoZ: „Ausgeschlossen von den Veranstaltungen sind Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind.“ Dadurch, so die Argumentation des Finanzamts, sei die Förderung der Allgemeinheit nicht mehr gegeben.

Grundlage für diese Entscheidung ist ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom Februar. Darin war der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit entzogen worden. Im Oktober verlor auch Campact – die Berliner Organisation betreibt politische Kampagnen – ihre Gemeinnützigkeit.

Für das DemoZ sei die Entscheidung eine Katastrophe, sagt Yvonne Kratz vom Vorstand gestern gegenüber unserer Zeitung. Bei der Landespressekonferenz in Stuttgart war der Verein am Montag erstmals mit dem Thema an die Öffentlichkeit gegangen. Kratz rechnet damit, dass von dem Jahresbudget von etwa 40.000 Euro, gut ein Viertel wegfällt. Das DemoZ darf durch den Verlust der Gemeinnützigkeit keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen. Außerdem fallen Fördergelder weg – so Yvonne Kratz weiter. Unter anderem 3000 Euro vom Land. „Die sind nämlich an die Gemeinnützigkeit gebunden.“ Wie es mit den 3000 Euro im Jahr von der Stadt Ludwigsburg weitergeht, ist derzeit noch nicht klar. Man prüfe, „ob die aktuelle Situation eine Auswirkung auf die Ausschüttung des Zuschusses hat“, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung.

„Wir sind keine große Nichtregierungsorganisation. Für uns ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar“, sagt Kratz. „Seit 40 Jahren bietet das DemoZ einen für alle Menschen offenen sozialen Treffpunkt mit zahlreichen Kultur- und Politikangeboten. Ohne den Status der Gemeinnützigkeit sind wir in unserer Existenz bedroht.“

Laut der Juristin Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das DemoZ juristisch begleitet, habe das Ludwigsburger Finanzamt ein viel zu enges Verständnis von politischer Bildung. „Politische Bildung muss überparteilich sein, aber nicht wertneutral“, sagte sie gestern bei der Landespressekonferenz. „Die Auffassung des Finanzamtes ist rechtlich nicht haltbar.“ Da mit dem DemoZ nun erstmals ein lokaler Verein betroffen sei, befürchtet die GFF, dass es bald weitere kleine Vereine in ganz Deutschland treffen könnte, die „politische Bildungsarbeit“ betreiben: „Vom Stadtteilzentrum über freie Bildungsträger bis hin zu den christlichen Pfadfindern.“

Das „Demokratische Zentrum“ wird gegen die Entscheidung des Finanzamtes Widerspruch einlegen und im Notfall auch vor Gericht ziehen, sagt Yvonne Kratz. „Politische Bildung muss parteienunabhängig geschehen, aber nicht wertfrei und ohne Positionierung“, ist sie überzeugt. Haltung zu zeigen sei für sie mehr denn je ein gemeinnütziger Akt.