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Ausstellung in der Stadthalle Alte Kelter in Besigheim
Retrospektive auf das Künstlerpaar Stelzig: Farbentaumel im Palettenwald

Vielfältige Kunst am Bau: Zu sehen sind unter anderem ein Modell für ein Hängeobjekt im Kur- und Kulturzentrum Bad Buchau... Foto: Alfred Drossel
Vielfältige Kunst am Bau: Zu sehen sind unter anderem ein Modell für ein Hängeobjekt im Kur- und Kulturzentrum Bad Buchau... Foto: Alfred Drossel
...der Wandteppich „Horizont I“... Foto: Alfred Drossel
...der Wandteppich „Horizont I“... Foto: Alfred Drossel
...und die Wandgestaltung „Wassermann mit Raddampfer und Meerestieren“ im Lehrschwimmbad Asperg. Foto: Alfred Drossel
...und die Wandgestaltung „Wassermann mit Raddampfer und Meerestieren“ im Lehrschwimmbad Asperg. Foto: Alfred Drossel
Zum 100. Geburtstag des 2006 verstorbenen Besigheimer Künstlers Fred Stelzig und seiner Frau und Co-Künstlerin Annelies wird in der Stadthalle Alte Kelter eine opulente Retrospektive gezeigt – zwischen Holzpaletten. Der lange Arm der Schau reicht bis in die Tiefgarage.

Besigheim. Nur selten stehen Ausstellungsort und Schau in einer so engen Verbindung wie hier: In der Stadthalle Alte Kelter wimmelt es seit dem Umbau Ende der Achtziger, für den der Besigheimer Fred Stelzig (1923–2006) einst das künstlerische Konzept erarbeitete, nur so vor Arbeiten aus seiner Hand, von Bodenmosaiken bis zum großen Bühnenvorhang. Anlässlich des 100. Geburtstags, den das Künstlerehepaar Fred und Annelies Stelzig im Februar und April dieses Jahres begehen würde, werden diese eindrucksvollen Beispiele von Kunst am Bau neuerlich in den Fokus gerückt – und durch eine große Ausstellung mit angewandter Kunst ergänzt. Zu sehen sind im Saal der Stadthalle, im Foyer sowie in der Tiefgarage nun Wandteppiche, Holz- und Keramikarbeiten sowie Fassadengestaltungen, Werke, die durch ihre ebenso eigenwillige wie faszinierende Ästhetik bestechen.

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Rund zweieinhalb Jahre haben Projektleiterin Sandy Richter, ihres Zeichens Besigheimer Stadtarchivarin, die Stuttgarter Kuratorin Inken Gaukel und Katrin Schlüsener, die für die grafische Umsetzung hinzugezogen wurde, die Ausstellung „Stelzig ’23 Kunst am Bau“ vorbereitet. Es ist ein bislang nur sporadisch beleuchteter Teil des Oeuvres der beiden Besigheimer Künstler, der nun mittels zahlreicher originaler Werke, Entwürfe und Fotografien aus dem Nachlass oder als Leihgaben präsentiert wird. Eine farbenreich schillernde Schau, die sich sehen lassen kann. Entsprechend zufrieden zeigt sich auch Bürgermeister Steffen Bühler beim Pressegespräch: „Es ist etwas Besonderes und es macht mich stolz, dass wir dieses Megaprojekt auf die Beine stellen konnten“, sagt er. „Für uns war klar: Wenn wir etwas machen, dann machen wir es richtig.“

Unkonventionelles, aber stimmiges Labyrinth

Für den großen Saal, sagt Kuratorin Inken Gaukel, habe es keine Infrastruktur für eine Ausstellung dieser Dimension gegeben, auch die Anschaffung von Vitrinen und weiteren Präsentationselementen sei weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll gewesen. Im Sinne der Nachhaltigkeit hat man daher entschieden, den Saal mit rund 300 wiederverwendbaren Holzpaletten und recycelbarer Wellpappe entsprechend zu strukturieren. „Uns war klar, dass wir im großen Saal nicht an die Wände gehen können und wollen, sondern dass wir eine räumliche Installation brauchen“, so Gaukel, „wir möchten ja das Gebäude würdigen.“ So bildet sich nun ein etwas unkonventionelles, aber stimmiges Labyrinth mit mehreren kleinen Kabinetten, in denen jeweils einzelne Aspekte und Materialien thematisiert werden.

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So lernt der Besucher, dass Fred Stelzig, 1923 in Hundorf in der damaligen Tschechoslowakei geboren, von einem mehrwöchigen Studienaufenthalt in Finnland in den 50ern die Idee mitbrachte, sich ausführlicher dem Thema Wandteppich zu widmen. In den Folgejahren entstanden so zahlreiche große Arbeiten, bei denen Fred und Annelies Stelzig besonders eng zusammenarbeiteten: Meist kreierte er die Entwürfe, zeichnete Skizzen und Pläne – und seine Frau machte sich anschließend an die oft wochenlange Umsetzung, im Kern handwerklich, aber im tiefsten Verständnis der Kunst. Bisweilen wurde in größeren Teams gearbeitet. Zu sehen ist in der Stadthalle etwa „Horizont I“, eine ungeheuer aufwendige Kombination von Web- und Knüpftechnik mit räumlicher Wirkung. Denn obwohl Stelzig ursprünglich von der Malerei kam, merkt man seiner Kunst am Bau stets an, dass sie haptisch gedacht ist, von der Keramik kommend, einem Bereich, dem sich der Wahl-Besigheimer – Sohn eines Porzellanmalers – seit den Nachkriegsjahren, nachdem er mit seiner Frau in deren Heimatstadt an der Enz gezogen war, verstärkt widmete.

Großformatige Fotografien statt Parkplätzen in der Tiefgarage

Im mal mehr, mal weniger öffentlichen Raum der Region und darüber hinaus finden sich zahlreiche seiner Arbeiten, die über Entwürfe, Modelle und Fotos Einzug in die Ausstellung halten. So gestaltete Stelzig die Stuttgarter Stadtbahn-Haltestelle Neckartor, die Tür einer Heilbronner Zahnarztpraxis und die hölzerne Brüstungsverkleidung in der Harmonie Heilbronn, das Modell für ein Hängeobjekt im Kur- und Kulturzentrum Bad Buchau – mal ornamental, mal abstrakt, mal eher figürlich. Lokal prominent ist natürlich vor allem der Bühnenvorhang in der Besigheimer Stadthalle mit dem Titel „Weinstock mit Flüssen“, auch die blau-grüne Farbgestaltung der Tiefgarage geht auf Stelzig zurück – Grund genug, sie zum Schauplatz eines Ausstellungsteils zu machen. Gezeigt werden großformatige Eins-zu-eins-Fotografien von Arbeiten Stelzigs wie etwa die Wandkeramik „Gefüge“ in der Villa Wagner in Friedrichshafen oder die Wandgestaltung „Wassermann mit Raddampfer und Meerestieren“ im Lehrschwimmbad Asperg. Dass dafür ein paar Parkplätze vorläufig wegfallen, scheint dabei verschmerzbar zu sein.

Info: Die Ausstellung wird am Donnerstag, 9. Februar, um 19 Uhr eröffnet. Sie ist bis 16. März (Stadthalle, Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr, freier Eintritt) und 13.April (Tiefgarage, durchgehend geöffnet) zu sehen. Zu der Retrospektive ist eine große, 264-seitige Publikation erschienen. Außerdem gibt es eine eigene Homepage des Projekts: www.stelzig23.de.