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Essen auf Abstand und mit Buchung

Mann+Hummel-Mitarbeiter Philipp Tombar bekommt in der Kantine des Ludwigsburger Unternehmens Fleischbällchen in spanischer Soße mit Gemüsereis gereicht. Das Essen geben Lucia Capparelli (links) und Jutta Arndt aus. Hinter der Ausgabe ganz links steht
Mann+Hummel-Mitarbeiter Philipp Tombar bekommt in der Kantine des Ludwigsburger Unternehmens Fleischbällchen in spanischer Soße mit Gemüsereis gereicht. Das Essen geben Lucia Capparelli (links) und Jutta Arndt aus. Hinter der Ausgabe ganz links steht Thomas Zierhut, Leiter der Betriebsgastronomie von Mann+Hummel. Foto: Holm Wolschendorf
Essen auf Abstand: Philipp Tombar (vorne links), Nino Schneider und Sophie-Charlotte Kloiber in der Mann+Hummel-Kantine.
Essen auf Abstand: Philipp Tombar (vorne links), Nino Schneider und Sophie-Charlotte Kloiber in der Mann+Hummel-Kantine.
Kantinen in Coronazeiten: Wie Firmen im Kreis mit den Auswirkungen umgehen und ein externer Betreiber zu kämpfen hat

Kreis Ludwigsburg. Wer im Januar 2020 das Betriebsrestaurant des Ditzinger Hochtechnologieunternehmens Trumpf betrat, hätte sich nicht vorstellen können, wie die Essenspause ein Jahr später ablaufen würde. Als das Restaurant am 18. Januar 2021 nämlich wieder öffnete, war die Kantinenwelt eine andere als im Winter davor. In der Coronakrise können die Mitarbeiter nicht mehr einfach so zum Essen gehen und sich nicht mehr spontan an einen beliebigen Tisch setzen.

Nun gelten nämlich auch bei Trumpf strenge Sicherheits- und Hygienemaßnahmen für den Kantinenbesuch. Eine namentliche Anmeldung ist in Coronazeiten nötig, um bei Bedarf Kontakte schnell nachvollziehen zu können. Außerdem muss die Essenszeit fest gebucht sein. Ist alles voll, „müssen Mitarbeitende auf eine andere Zeit ausweichen“, wie Trumpf-Sprecher Rainer Berghausen erklärt.

Die Beschäftigten müssen in der Kantine einen Mindestabstand zu essenden Kollegen wahren: Für jeden muss eine Mindestfläche von zehn Quadratmetern vorhanden sein – daraus errechnet sich die maximale Zahl der Mitarbeiter, die im betriebseigenen Restaurant gleichzeitig essen kann. An dieser Quadratmeterregel hält Trumpf vorerst weiter fest, auch wenn sie in den Coronaverordnungen nicht mehr explizit auftauche, wie Berghausen sagt. Die Zahl der Personen wird am Kantineneingang kontrolliert – „so stellen wir sicher, dass Abstände und Mindestquadratmeterzahl immer eingehalten werden können“. In dem Betriebsrestaurant herrscht Einbahnverkehr – es gibt einen Eingang und zwei Ausgänge.

„Das Sicherheitskonzept für das Betriebsrestaurant haben wir auch von der Stadt prüfen und genehmigen lassen“, sagt Berghausen. Trumpf betreibt die Kantine selbst; vor Corona wurden laut Berghausen täglich rund 2500 Essen ausgegeben, seit Januar dieses Jahres sind es zwischen 700 und 900 Essen, an manchen Wochentagen auch weniger.

In den Betriebsrestaurants der W&W-Gruppe (Wüstenrot&Württembergische) durfte im Sommer 2020 noch gegessen werden. Das war wegen Corona seit Monaten nicht mehr möglich – geschlossen hatten Kantinen des Finanzkonzerns dennoch nicht. Sie bieten und boten Essen zum Mitnehmen an – die Mitarbeiter nutzen das rege, wie W&W-Sprecher Immo Dehnert sagt. Seit Donnerstag betreibt W&W die Betriebsrestaurants an den großen Firmenstandorten – zuerst Ludwigsburg, Stuttgart und Karlsruhe – aber wieder klassisch. „Mitarbeiter können sich dann also vor Ort zum Verzehr von Speisen und Getränken aufhalten“, so Dehnert. Die Coronavorgaben der Politik gelten aber weiter – etwa das Einhalten von Mindestabständen zwischen den Kantinenbesuchern sowie Händedesinfektion, Maskenpflicht (außer beim Essen) und ein Betretungsverbot für Mitarbeiter mit Erkältungssymptomen.

Auch W&W betreibt seine Kantinen an den großen Firmenstandorten selbst. „Unsere Konzerngastronomie ist ohne Kurzarbeit durch die Pandemie gekommen“, sagt Dehnert. Die Zahl der ausgegebenen Essen variiere stark („je nach Gericht“). Am Standort Ludwigsburg/Kornwestheim könnten das mehrere Hundert oder bis zu 1500 Essen täglich sein.

Die Kreissparkasse (KSK) Ludwigsburg hat am Mittwoch ihre Kantine wiedereröffnet – „natürlich auf der Grundlage der aktuell gültigen Coronaverordnung“, wie KSK-Sprecher Martin Lober sagt. Der Besuch der KSK-Kantine sei für die Mitarbeiter seit Mittwoch „in Präsenz ohne die 3G-Nachweispflicht möglich“; sie müssen also weder geimpft noch getestet noch genesen sein, um dort essen zu können.

Auch das Kantinenteam des Ludwigsburger Filterspezialisten Mann+Hummel hat in der Coronazeit ein To-go-Angebot – also Essen zum Mitnehmen – entwickelt. Die Mitarbeiter, die nicht von zuhause aus arbeiteten, „haben das gern in Anspruch genommen“, sagt Unternehmenssprecher Andreas Wallbillich. Mann+Hummel betreibt den Kantinen- und Bistrobetrieb selbst, in Coronazeiten unter Einhaltung eines „umfangreichen Schutz- und Hygienekonzepts“. Dazu gehört, dass zu Jahresbeginn in Kantinen-, Pausen- und Büroräumen die antiviralen Luftreiniger von Mann+Hummel aufgestellt worden sind und in der Kantine nach jedem Essen Tisch und Stühle desinfiziert werden. Vor Corona wurden in der Kantine im Schnitt täglich etwa 750 Essen ausgegeben.

Die Gourmet Compagnie mit Sitz in Ostfildern betreibt seit 2006 das Betriebsrestaurant des Ludwigsburger Landratsamts. Die etwa zehn Mitarbeiter des Unternehmens bewirtschaften neben der Kantine auch das Tagungszentrum und Veranstaltungen im Haus. „Es wird täglich frisch mit regionalen Nahrungsmitteln gekocht“, sagt Geschäftsleiter Markus Wittich. Bis zu 600 Mitarbeiter und Gäste im Landratsamt Ludwigsburg seien vor Corona bekocht worden, „die Zusammenarbeit ist sehr gut“, betont Wittich.

Gourmet Compagnie ist in drei Bereichen tätig – Feinkostproduktion, Catering und Betriebsverpflegung. „Die Coronakrise ist für uns als Unternehmen und Dienstleister eine sehr, sehr bittere Erfahrung“, sagt Wittich. „Unterstützungen werden in den meisten Betriebskantinen kaum bis gar nicht bezahlt, im Catering haben wir ein Berufsverbot und müssen zuschauen, wie unsere langjährigen und treuen Mitarbeiter sich andere Arbeitsstellen suchen, weil sie finanziell kaum noch durchkommen.“

Ähnlich sei das beim Betrieb der Betriebsrestaurants, die Gourmet Compagnie in und um Stuttgart betreibt: „Vor Corona haben wir insgesamt für bis zu 3000 Mitarbeiter und Gäste täglich gekocht. Heute machen wir das wegen Homeoffice, Corona-Auflagen, Abstands- und Hygieneregeln für nicht mal 30 Prozent davon.“ Der Umsatz im Bereich Betriebsverpflegung sei um bis zu 70 Prozent gesunken, sagt Wittich: „Längerfristig ist das wirtschaftlich kaum noch zu bewältigen.“