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Tausende machen bei „digitalem Warnstreik“ mit

Warnstreik beim Zulieferer Lear in Besigheim-Ottmarsheim.Foto: IG Metall
Warnstreik beim Zulieferer Lear in Besigheim-Ottmarsheim. Foto: IG Metall
IG Metall verlegt die Aktionen auch ins Internet – Kochshow mit Bezirksleiter Zitzelsberger – Gewerkschaft spricht von hoher Motivation

Ludwigsburg/Stuttgart. Die seit zwei Wochen andauernde Warnstreikwelle in der Metall- und Elektroindustrie im Südwesten hat am Freitag ihren Höhepunkt erreicht. Da auch die vierte Tarifrunde keine Fortschritte gebracht hatte, rief die Gewerkschaft IG Metall beim bisher größten Aktionstag die Beschäftigten im Südwesten dazu auf, ihre Arbeit niederzulegen. Eine weitere Runde soll noch vor Ostern stattfinden.

Die Coronapandemie bescherte dem IG Metall-Bezirk den ersten „digitalen Warnstreik“ mit einem Live-Stream im Internet: 18500 Endgeräte waren nach Gewerkschaftsangaben am Vormittag eingewählt. Die Homeoffice-Beschäftigten unterstützten so die Forderungen in der M+E-Tarifrunde. Aufgrund der Corona-Situation hatte die IG Metall anstelle der üblichen zentralen Kundgebung erstmals eine fast zweistündige Live-Show im Internet ausgestrahlt. Bezirksleiter Roman Zitzelsberger bereitete vor der Kamera den Gemüseeintopf Shakshuka zu und gab Kochtipps: „Man kann nicht zu viel Olivenöl nehmen!“ Der Verhandlungsführer ordnete den Stand der Tarifverhandlungen ein: „Was Südwestmetall am Verhandlungstisch bietet, ist ziemlich fad und hat keine Würze. Deshalb brauchen wir das Feuer der Beschäftigten und müssen die Arbeitgeber weiter schmoren lassen.“

In der Frühschicht beteiligten sich bis 14 Uhr 29150 Metallerinnen und Metaller aus 156 Betrieben im Land an Warnstreiks, Kundgebungen und Frühschluss-Aktionen. Damit steigt die Zahl der Beteiligten seit Warnstreikbeginn auf 122650. Bundesweit waren es in den ersten beiden Wochen nach dem Ende der Friedenspflicht sogar 410000 Warnstreikende. Allein in Ludwigsburg beteiligten sich gestern bis zum Frühschluss 723 Beschäftigte von 14 Firmen an Aktionen, wie Susanne Thomas von der IG Metall Ludwigsburg/Waiblingen bei einer Videokonferenz erklärte. „3603 Metaller haben in dieser Woche an Aktionen teilgenommen“, sagte Thomas, darunter 1633 aus Ludwigsburg.

Beim Zulieferer Lear in Besigheim-Ottmarsheim nahmen an der Frühschluss-Aktion Beschäftigte der Früh- und Spätschicht teil. „Wir hatten im Prinzip eine Beteiligung von 90 Prozent“, betonte Gewerkschaftssekretär André Kaufmann. Sein Kollege Markus Linnow sagte, dass die Belegschaften zum Beispiel bei Elbe Gelenkwellen und Elring-Klinger Kunststofftechnik in Bietigheim-Bissingen, aber auch Kienle+Spiess (Sachsenheim) hoch motiviert seien. „Wenn man in die Whatsapp-Gruppen reinschaut, sieht man, dass die Wut über die Haltung von Südwestmetall groß ist.“ Betriebsratschefs bekräftigten die hohe Motivation. Tenor: „Die Leute sind sauer.“

Aktionen gab es bei Bosch in Waiblingen und Reutlingen, Pfisterer, Nidec, oder bei Porsche in Zuffenhausen. Dort machten 5550 Metaller mit. 400 Beschäftigte von Bosch und Kion in Reutlingen trafen sich zu Kundgebungen, im Gebiet der Geschäftsstelle Offenburg wurden 7000 Beschäftigte verschiedener Betriebe früher nach Hause geschickt, damit sie den Live-Stream anschauen konnten. Bei Audi in Neckarsulm folgten 8000 Beschäftigte der Frühschicht dem Aufruf zum früheren Arbeitsende, in Mannheim bei John Deere 1000, bei Daimler Trucks und Evobus 4200 und bei Stihl in Waiblingen 1000.

Am Montag gehen die Warnstreiks in die dritte Woche. „Wir können eine große Schippe drauf legen“, so Thomas. Im Raum Ludwigsburg werden 14 Betriebe betroffen sein. Es gibt Kundgebungen bei Bosch AS in Bietigheim-Bissingen und Schaeffler in Lahr, aber auch einen Mobilitätskorso von Mapal-Beschäftigten in Pforzheim. Die IG Metall fordert wie berichtet vier Prozent mehr Geld – in Form von Lohnsteigerungen oder als partiellen Ausgleich, wenn ein Betrieb in der Krise die Arbeitszeit reduziert. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall fordert, tarifliche Sonderleistungen zu kürzen.