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Wie geht’s mit dem Homeoffice weiter?

Vielerorts sind Homeoffice und Streaming kaum möglich: insbesondere dort, wo es „weiße Flecken“ bei der Internetversorgung gibt.Foto: Felix Kästle/dpa
Vielerorts sind Homeoffice und Streaming kaum möglich: insbesondere dort, wo es „weiße Flecken“ bei der Internetversorgung gibt. Foto: Felix Kästle/dpa
Zahlreiche Unternehmen zeigen sich aufgeschlossen für das mobile Arbeiten und wollen es auch nach dem Ende der Pflicht fortsetzen

Ludwigsburg/Stuttgart/Berlin. Homeoffice und mobiles Arbeiten zählen zu den Schlagworten in der Coronazeit. Die in der Bundes-Notbremse verankerte Homeoffice-Pflicht für Unternehmen endet zwar mit der Notbremse am 30. Juni, da die Inzidenzzahlen stark gesunken sind. An Hygienekonzepten am Arbeitsplatz soll jedoch nach der vom Bundeskabinett aktualisierten Corona-Arbeitsschutzverordnung festgehalten werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert, dass CDU/CSU einer Verlängerung der Homeoffice-Regelungen nicht zugestimmt hat. Und die Gewerkschaften Verdi und Deutscher Bankangestellten-Verband wollen in der neuen Tarifrunde nicht nur höhere Löhne für die 60000 Mitarbeiter der öffentlichen Banken erkämpfen, sondern auch Regelungen für das mobile Arbeiten und Homeoffice.

Ob alle Büro-Arbeiter schon am 1. Juli in Scharen vom heimischen Küchen- oder Bürotisch in die Firmen zurückkehren, erscheint fraglich. Denn eines ist klar: Die Pandemie hat die Arbeitswelt verändert, für viele Arbeitnehmer in Deutschland wird die normale Fünf-Tage-Bürowoche nicht mehr wiederkommen. Viele Unternehmen haben das Homeoffice mittlerweile als festen Bestandteil in ihre Arbeitsorganisation integriert und sichern ihren Mitarbeitern flexiblere Arbeitsmodelle für die Zukunft zu. Andere gehen weiter und wollen es als neue Arbeitsweise etablieren. Wieder andere lehnen Homeoffice ab.

Nicht nur in der Region haben viele Unternehmen während der Pandemiezeit gute Erfahrungen gemacht und zeigen sich beim Thema Homeoffice aufgeschlossen. Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung. Einige Beispiele:

W&W: „In Sachen moderne Arbeitswelten ist die Wüstenrot&Württembergische-Gruppe vorne mit dabei“, betont Immo Dehnert, Sprecher der W&W AG (Stuttgart/Ludwigsburg). Die W&W-Gruppe habe während der Pandemie die Sicherheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr ernst genommen und alles daran gesetzt, Infektionsherde zu vermeiden. Die Quote derer, die seit dem Covid-19-Ausbruch mobil oder im Homeoffice gearbeitet haben, liege bei bis zu 80 Prozent. Angestrebt ist, ab Juli die Präsenz sukzessive auf 50 Prozent hochzufahren. „Zudem bietet die W&W-Gruppe – unabhängig von den Corona-Präsenzregeln – schon vor dem Gesamtumzug in den neuen Campus 2023 in Kornwestheim mehr Wahlmöglichkeiten an, Büro und Homeoffice sinnvoll und dauerhaft zu kombinieren.“ Mit dem Konzernbetriebsrat sei verabredet worden, dass dort, wo die Voraussetzungen für mobiles Arbeiten gegeben seien, Mitarbeiter „bis zu 40 Prozent ihrer individuellen wöchentlichen Arbeitszeit in Mobilarbeit erbringen können“.

Porsche: Beim Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche können die Mitarbeiter künftig an bis zu zwölf Tagen im Monat mobil arbeiten, wenn sie nicht gerade in Bereichen wie der Produktion arbeiten. Vor der Pandemie waren wöchentlich zwei Homeoffice-Tage erlaubt. Auch bei Porsches Mutterkonzern Volkswagen in Wolfsburg gibt es Überlegungen, die Homeoffice-Möglichkeiten auszuweiten.

Olymp: Auch das Bietigheim-Bissinger Modeunternehmen Olymp setzt nach dem Auslaufen der Homeoffice-Pflicht weiter auf das Mobile Arbeiten. „Wir werden dort, wo mobiles Arbeiten möglich ist, zunächst mit zehn Tagen pro Person und Monat fortfahren“, sagt Kommunikationschef Marc Fritz. Da eine Vielzahl an Arbeiten in verschiedenen Unternehmensbereichen – Designabteilung, Musterfertigung, Qualitätssicherung oder Logistik – ortsgebunden sei, lasse sich hier keine konkrete Homeoffice-Quote festlegen.

Kreissparkasse Ludwigsburg: Die Kreissparkasse bewertet ihre Erfahrungen mit dem Homeoffice ebenfalls positiv. „Mobiles Arbeiten ist eine Option, die bereits vor dem Ausbruch der Corona-pandemie von Experten der Kreissparkasse genutzt worden ist“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Über den Umfang der künftigen Nutzung werde noch entschieden. Das Finanzinstitut hat im Laufe des Julis eine „gleitende Rückführung des Homeoffices“ angedacht. Für beide Instrumente – für das Homeoffice wie für das mobile Arbeiten – „gilt hinsichtlich der künftigen Nutzungsfrequenz, dass diese mit Blick auf die jeweilige Bedarfs-situation geklärt werden wird“. Abhängig sei dies von der Infektionslage und den gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Mann+Hummel: „Wir sind offen für das Thema mobiles Arbeiten“, erklärt auch Bernhard Wimmer, Personalchef des Ludwigsburger Filtrationsspezialisten Mann+Hummel. Allerdings könne nicht jede Tätigkeit auch mobil ausgeübt werden, so Wimmer mit Blick auf den Produktionsbereich. Derzeit werden bei dem Zulieferer die Regelungen für die Zukunft erarbeitet. Die Grundlagen dafür liefern die wertvollen Erfahrungen während der Pandemie und die Ergebnisse einer jüngst durchgeführten Mitarbeiterumfrage.

Landratsamt Ludwigsburg: Aus Sicht des Landratsamtes hat sich das Homeoffice bewährt. „Es ist unser erklärtes Ziel, sich modernen und innovativen Formen der Arbeit zu öffnen“, sagt Pressesprecher Andreas Fritz. Für 1303 der insgesamt 2000 Behördenmitarbeiter besteht die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. Das entspricht etwa zwei Drittel der Belegschaft. „Die Möglichkeit von mobiler Arbeit bleibt freiwillig, wir schätzen das Interesse jedoch sehr hoch ein.“

„Wir befinden uns bereits in der Konzipierung von mobiler Arbeit“, so Fritz. Bereits vor der Coronakrise seien die Anfragen zu dem Thema stetig angestiegen. „Dieses Konzept planen wir möglichst flächendeckend für die gesamte Kreisverwaltung einschließlich aller Dezernate“, betont der Behördensprecher. Es sollen künftig auch „vermehrt Tätigkeiten im Außendienst mobilunterstützt wahrgenommen werden können“. Das Konzept soll auch dazu dienen, die „Attraktivität des Landratsamts Ludwigsburg als kinder- und familienfreundlicher sowie moderner Arbeitgeber“ zu steigern.

SAP: Europas größter Softwarekonzern SAP in Walldorf, der seinen Beschäftigten schon vor der Pandemie die Möglichkeit von bis zu vier Homeoffice-Tagen pro Woche eingeräumt hat, will noch flexibler werden. „Bei den meisten SAP-Mitarbeitern spielt es keine Rolle, von wo aus sie arbeiten. Wenn es die Tätigkeit nicht verlangt, an einem Ort präsent zu sein, haben die Mitarbeiter bei der Wahl ihres Standorts alle Freiheiten“, sagt Cawa Younosi, der als Deutschland-Personalchef für 25000 Beschäftigte zuständig ist.

Hewlett Packard: Beim US-amerikanischen IT-Unternehmen Hewlett Packard Enterprise (HPE), dessen deutscher Ableger in Böblingen 2000 Mitarbeiter hat, wird das Homeoffice sogar zum Standard-Arbeitsort für die meisten Mitarbeiter. Sofern es die Tätigkeit erlaubt, sollen die Beschäftigten künftig möglichst immer von zu Hause aus arbeiten, wenn sie nicht unbedingt im Büro anwesend sein müssen. Sie müssen dieser Umstellung laut Hewlett Packard jedoch zustimmen. Die Büros sollen mit dem neuen Konzept optisch umgestaltet werden – zu Orten „der Begegnungen und des Austauschs. Man geht dort also vor allem hin, um an Besprechungen, Team-Meetings, Workshops, Trainings oder Feiern mit Kollegen, Kunden und Partnern teilzunehmen“, sagt ein HPE-Sprecher.

Nach einer Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts arbeitet jeder dritte Arbeitnehmer von zu Hause aus. Der Anteil stagniert seit Februar bei etwas mehr als 30 Prozent, unabhängig von der „krisenbedingt eingeführten Pflicht“, sagt Jean-Victor Alipour, Experte für Homeoffice. Die quasi unveränderten Werte verbergen große Branchen-Unterschiede. So sank der Anteil bei den Getränkeherstellern von 15 auf zehn Prozent. Unter den Werbern und Marktforschern stieg er von hohen 65 nochmals auf 73 Prozent. Spitzenreiter bleiben die IT-Dienstleister mit 80 Prozent. Das Ifo-Institut schätzt das Potenzial für die deutsche Wirtschaft auf 56 Prozent aller Arbeitnehmer.