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Geistvoll anregender Eröffnungsabend

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Literatur und Musik gingen auf der Bühne des Schlosstheaters eine wunderbare Verbindung ein.
Der Blick der Zuhörer geht durch die Barockkulisse der Säulenarkaden auf der Bühne des Schlosstheaters in die gemalte Natur. Pinien, Zypressen, eine idealisierte Landschaft – und Rudolf Guckelsberger zitiert gleich zu Beginn Heraklit: „Panta rhei – Alles fließt“, unter diesem Thema steht der Eröffnungsabend des diesjährigen Zyklus der Hermann-Haake-Stiftung im Ludwigsburger Schloss, dessen Motto vom „Wandel“ über den sieben Veranstaltungen steht.
Ludwigsburg. Für Heraklit war schon vor mehr als 2500 Jahren die Idee vom ewigen Wandel aller Dinge die Grundlage seiner Philosophie: Nichts bleibt, wie es ist, alles verändert sich. Der antike Denker macht das in seinen Fluss-Fragmenten deutlich: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“, denn „Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu. Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.“ Von diesem Kerngedanken ausgehend entwickelte der Rezitator Rudolf Guckelsberger ein vielfältiges, facettenreiches literarisches Programm im Wechsel mit den beiden jungen Musikern Jens Veeser und Roland Hagemann, die als Stipendiaten der Haake-Stiftung den Abend musikalisch gestalteten.

Mit Mörikes „O Fluss, mein Fluss im Morgenstrahl“ begann die Reihe der Texte, in denen Guckelsberger das Naturphänomen als „Spiegel der Seele“ deutete. Während Mörikes lyrisches Ich das Bad im fließenden Element mit allen Sinnen genießt und doch den Zwiespalt von Mensch und Natur erkennt, ist Thomas Mann in „Herr und Hund“, seiner autobiografischen Erzählung aus dem Jahr 1918, „verloren in den Anblick des Fließens“ als Sinnbild der vergehenden Zeit. Auch Johann Sebastian Bachs g-Moll-Sonate für Viola da Gamba und Cembalo, von Veeser und Hagemann in der Bearbeitung für Kontrabass und Klavier dargeboten, könnte in ihrem musikalischen Fluss als solches Sinnbild verstanden werden. Gegenüber der noch etwas holprigen Wiedergabe waren die Originalkompositionen von Giovanni Bottesini und Reinhold Glière bei den beiden jungen Musikern in guten Händen: besonders die „Pièces et morceaux pour contrebasse et piano“ von Glière verströmten romantischen Wohllaut.

Jens Veeser, seit diesem Jahr Solo-Kontrabassist beim Philharmonischen Orchester Heidelberg, beeindruckte auch durch zwei improvisatorische Eigenkompositionen: virtuos verknüpfte er Joseph Anton Kochs Darstellung des Rheinfalls bei Schaffhausen als Sinnbild ungebändigter Freiheit mit den märchenhaft surrealen und erotisch bewegten Texten von Tieck und Novalis aus „Franz Sternbalds Wanderungen“ und „Heinrich von Ofterdingen“, und ausdrucksvoll widmete sich seine Solophantasie „Siddhartha – Am Flusse“ dem vorgetragenen Text aus Hermann Hesses Roman. Zwischen die Zitate von der Sintflut und Noahs Arche aus der biblischen Genesis spannte Rudolf Guckelsberger noch einen weiteren Bogen metaphorischer Texte vom Wandel und Fließen: bedrohlich und zerstörerisch bei Gryphius unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges, bei Dantes Schlammschluckern am Styx aus einem Hölle-Kapitel seiner „Göttlichen Komödie“ oder beim Narziss aus Ovids „Metamorphosen“. Humorvoll dann mit Heines „Lore-Ley“ und deren Umdichtung durch Erich Kästners „Der Handstand auf der Loreley“, und todessehnsüchtig bei Hesse und in Franz Hessels „Auf dunklen Wassern“. Der äußerst anregende literarisch-musikalische Abend im Schlosstheater bot den zahlreichen Besuchern auch danach zum Ausklang bei einem Glas Wein im Gardesaal und auf der Loggia des Neuen Fürstenbaus genügend Stoff zum Gespräch.

Info: Mit dem Notos-Quartett und „Metamorphose der Saiteninstrumente“ wird der Haake-Zyklus heute und morgen im Schlosstheater fortgesetzt.