Washington. Erstmals seit rund einem Dreivierteljahr hat die US-Notenbank den Leitzins gesenkt. Dieser liege nun in der Spanne von 4,0 bis 4,25 Prozent, teilte die Federal Reserve (Fed) in Washington mit. Viele Analysten hatten sich bereits darauf eingestellt, nachdem der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten deutlich geschwächelt hatte. US-Präsident Donald Trump hatte zudem vehement einen niedrigeren Zins verlangt - dies dürfte aber bei der jetzigen Entscheidung nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
Bis zum Jahresende stellte die Fed weitere Zinssenkungen in Aussicht - bis zu zwei Zinsschritte nach unten seien möglich. «Es ist davon auszugehen, dass auf jede der noch verbleibenden zwei Sitzungen der Leitzins um 25 Basispunkte reduziert wird», kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank. 2026 könnte nach Fed-Angaben dann noch eine weitere Senkung erfolgen.
Europäische Urlauber in den USA profitieren von der Zinssenkung: Sie verringert die Attraktivität des US-Dollars und wertet den Euro auf. Nach dem Zinsentscheid stieg die Gemeinschaftswährung der Europäischen Union kurz über 1,19 US-Dollar und damit auf den höchsten Stand seit Juni 2021. Zuletzt war ein Euro noch 1,18 Dollar wert. Wer also üblicherweise in Euro zahlt, bekommt beim Umtausch in Dollar zurzeit mehr für sein Geld.
Menschen mit Migrationshintergrund vor Problemen bei Jobsuche
Mit der Zinssenkung versucht der Zentralbankrat der Fed, eine Kompromisslösung für die erhöhten Risiken auf dem Arbeitsmarkt bei zugleich steigender Inflation zu finden. Niedrigere Zinsen machen Kredite für Firmen und Verbraucher tendenziell billiger. Mehr Geld im Umlauf kann wiederum die Wirtschaft ankurbeln und dadurch Arbeitsplätze schaffen. Die US-Notenbank nehme mit einer Senkung aber «Risiken für die Preisstabilität in Kauf», kommentierte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.
Powell zufolge haben derzeit vor allem jüngere Erwachsene und Minderheiten Probleme bei der Suche nach Arbeit. «Die Gesamtquote, einen Job zu finden, ist äußerst niedrig.» Zugleich gebe es weniger Entlassungen, sagte er. Mit Blick auf das verlangsamte Beschäftigungswachstum sah der Fed-Chef eine Verbindung zu «Veränderungen in der Immigration», die zu weniger Einwanderung geführt habe.
Schwache Entwicklung auf Arbeitsmarkt ein Grund für Senkung
Die Arbeitsmarktzahlen in den Vereinigten Staaten waren zuletzt hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zudem wurde das Beschäftigungswachstum in den zwölf Monaten bis März 2025 um insgesamt 911.000 Jobs nach unten korrigiert - eine ungewöhnlich große Revision.
Das bedeutet, es wurden deutlich weniger Stellen in den USA geschaffen als erwartet und ist ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft nicht so schnell wächst wie gedacht. Kfw-Volkswirt Dirk Schumacher kommentierte, die Neubeschäftigung habe sich derart verlangsamt, dass Inflationsrisiken im Zusammenhang mit den US-Zöllen in den Hintergrund getreten seien.
Nur ein Abweichler bei der Abstimmung
Von den zwölf stimmberechtigten Mitgliedern votierten elf für eine Senkung um einen Zinsschritt, also 0,25 Prozentpunkte. Nur der Trump-Vertraute Stephen Miran, der erst zu Beginn der Woche als Übergangslösung im Fed-Vorstand bestätigt wurde, hatte sich für eine größere Senkung ausgesprochen - ganz nach Trumps Wunsch. Powell sagte über den Neuzugang lediglich: «Wir sind fest entschlossen, unsere Unabhängigkeit zu bewahren.»
Skeptiker wie die demokratische Senatorin Elizabeth Warren bezweifeln Mirans Unabhängigkeit und werfen ihm vor, «Trumps Marionette» zu sein: «Niemand - weder die amerikanische Öffentlichkeit noch Investoren hierzulande, noch die weltweiten Finanzmärkte - werden ihm als unabhängiger Stimme vertrauen», sagte sie. Miran versprach dagegen, die Unabhängigkeit der Notenbank «bewahren» zu wollen.
Trumps Druck wohl eher zweitrangig für Zinsentscheidung
Zwar dürfte der vehemente Druck aus dem Weißen Haus Experten zufolge beim jetzigen Entscheid eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dennoch bleibt die Frage, wie unabhängig die Fed künftig agieren wird, solange Trump Präsident ist.
Der Republikaner hatte immer wieder auf Zinssenkungen gepocht - vergeblich, weswegen er Fed-Chef Powell mehrfach als «Dummkopf» beschimpfte. Der Präsident will mit einem niedrigeren Zins die Wirtschaft ankurbeln und Amerikanern den Immobilienkauf zu erleichtern. Auch würde sich die Zinslast auf die Staatsschulden verringern. Der Zentralbankrat hingegen wollte angesichts der gestiegenen Inflation vorsichtig agieren.
Wie geht es zwischen dem US-Präsidenten und der Fed weiter?
Trump versucht verstärkt, über Personaldebatten den geldpolitischen Kurs der Fed zu beeinflussen. Zuletzt brachte er die Entlassung der Fed-Gouverneurin Lisa Cook auf den Weg und begründete dies mit angeblichen Unregelmäßigkeiten bei privaten Immobilienkrediten. Die Vorständin wehrt sich juristisch dagegen - mit Erfolg: Vor einem US-Berufungsgericht kassierte der Präsident zuletzt eine Niederlage.
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