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«Zweitbeste Lösung»
Spahn: Notfalls auf infizierte Ärzte zurückgreifen

Spahn
«Dieses Virus hat sehr lange Bremsspuren»: Jens Spahn. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Corona versetzt die Pflege in Deutschland in einen Ausnahmezustand. In der Krise können Regeln außer Kraft gesetzt werden. An die Branche richtet der Gesundheitsminister ein klare Aufforderung.

Berlin (dpa) - In der grassierenden Corona-Pandemie müssen laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) notfalls auch positiv auf das Virus getestete Mitarbeiter von Kliniken oder Pflegeheimen arbeiten.

Der beste Weg sei, dass ein Infizierter und die Menschen, die mit ihm in Kontakt standen, in Quarantäne bleiben, sagte Spahn am Donnerstag auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin. «Wenn (...) wegen Isolation und Quarantänemaßnahmen so viele dann gar nicht mehr da sind, im Krankenhaus, in der Arztpraxis, in der Pflegeeinrichtung, dass die Versorgung zusammenbricht, muss man schauen, was ist neben der bestmöglichen Lösung die zweitbeste», sagte Spahn. Dann könne es nötig sein, dass die Kontaktpersonen mit täglichen Tests und FFP2-Masken weiter arbeiten. Die «Rückfallrückfallposition» sei aber, «die positiv Getesteten mit ganz besonderen Schutzvorkehrungen auch arbeiten zu lassen».

Spahn versprach unabhängig von der Pandemie weitere Regeln für mehr Pflegerinnen und Pfleger an Kliniken und in Pflegeheimen. So werde auf Basis eines wissenschaftlichen Gutachtens - und als Teil der sogenannten Konzertierten Aktion der Regierung für bessere Bedingungen in der Pflege - eine neue Personalbemessung in der Altenpflege eingeführt. «Wir starten mit 20.000 zusätzlichen Pflege-Assistenzkräften zum 1.1.» In den Krankenhäusern sollten dann zum 1. Februar 2021 in mehr Bereichen als heute «kluge Personaluntergrenzen» eingeführt werden. Spahn versicherte, auch in der Pandemie sollten solche Untergrenzen sowie Arbeitszeitbegrenzungen in der Pflege nicht ausgesetzt werden. Dies sei für ihn nur im Extremfall eine Option.

Seit Monaten wird die Kritik in der Pflegebranche über immer weiter steigende Arbeitsbelastung lauter. Spahn sagte: «Diese Zusatzbelastung durch die Pandemie facht das Problem, das vorher schon da war, weiter an.» Viele fragten sich: «Wie sollen wir das alles aushalten?» Er räumte ein: «Natürlich reicht Applaus nicht.» Allerdings seien wirkungsvolle Maßnahmen auf dem Weg - wenn eine unmittelbare Wirkung allerdings oft ausbleibe. «Wir haben hier einen Marathon, keinen Sprint.» So lasse sich der in der Krise eklatant sichtbare Mangel an Intensivpflegefachkräften nicht einfach schnell beheben. Diese ließen sich nicht «mal eben in ein paar Monaten» ausbilden.

Eindringlich forderte der CDU-Politiker die Pflegekräfte dazu auf, sich zu organisieren, um so ihre Interessen gegenüber Arbeitgebern und Politik wirkungsvoller durchsetzen zu können. Es seien viele. «Diese Stärke kann man nur auf die Straße bringen, wenn man sich zusammentut.» Die Pflege sollte nach seiner Ansicht auch in Kammern organisiert werden. Man könne Kammern aber nicht gegen die Pflegekräfte bilden. Auch in Tarifverhandlungen sei man «zusammen stärker». Das hohe individuelle Arbeitsethos sei sympathisch, aber eine Organisation der Beschäftigten sei in vielen Punkten hilfreich.

Spahn betonte, die von ihm angekündigte Pflegereform für bessere Leistungen der Pflegeversicherung und gegen Lohndumping in der Pflege solle nächstes Jahr kommen. «Mein Ziel ist, dass wir das noch zu einem Abschluss bringen in dieser Koalition, in dieser Legislatur.»

© dpa-infocom, dpa:201112-99-314241/4