Stuttgart. Der Sozialminister spricht von Bürokratieabbau und praxistauglichen Regeln, Sozialverbände sorgen sich um weniger Schutz von Pflegebedürftigen und die Opposition warnt, dass der Südwesten ein El Dorado für Dumping-Pflege werden könnte: An einem geplanten Pflegegesetz der Landesregierung scheiden sich die Geister.
Heute soll sich der Sozialausschuss damit befassen und Experten und Betroffene anhören. Zuvor wollen 15 Verbände vor dem Landtag gegen das geplante Teilhabe- und Pflegequalitätsgesetz protestieren. Um diese Punkte geht es bei dem Streit:
Pflege-WGs
Ambulant betreute Pflege-WGs werden von dem neuen Gesetz nicht mehr erfasst und sollen künftig nicht mehr von der Heimaufsicht kontrolliert werden. Im Gesetzentwurf erklärt die Landesregierung den Plan damit, dass die WGs bereits bislang nur sehr begrenzt von der Heimaufsicht geprüft wurden - etwa nur im Hinblick auf bauliche Anforderungen sowie Personalvorgaben. Der Pflegedienst sei bislang bereits vom Medizinischen Dienst (MD) geprüft worden, heißt es in der Gesetzesbegründung.
Ein Bündnis aus 15 Verbänden kritisiert diese Pläne scharf. Darunter sind unter anderem der Sozialverband VdK, der Landesseniorenrat, die Gewerkschaft Verdi oder der Landespflegerat. Sie befürchten, dass künftig nicht mehr klar ist, wo WGs entstehen, wie sie organisiert werden oder nach welchen Grundsätzen dort die Betreuung gestaltet wird. Auch gebe es dann keine unabhängige Beschwerdemöglichkeit mehr, an die sich Bewohner wenden könnten.
SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl fürchtet massive Auswirkungen auf die Pflegelandschaft im Südwesten. Die meisten Träger hätten das Wohl ihrer Bewohner im Blick und bräuchten überhaupt keine Gesetze. Es gebe aber auch andere Träger, denen es nur um Geld gehe. «Baden-Württemberg kann dadurch zu einem El Dorado der Dumping-Pflege werden, denn nach dieser vollkommenen Deregulierung würde unser Land die schwarzen Schafe der Branche anziehen wie das Licht die Motten.»
Sozialminister Manne Lucha (Grüne) wies die Kritik jüngst zurück. Selbstbestimmung und Sicherheit blieben unangetastet, teilte er mit. «Die in den Wohngemeinschaften lebenden Pflegebedürftigen sind nicht schutzlos, da die ambulanten Pflegedienste, die von den WG-Bewohnerinnen und Bewohnern in Anspruch genommen werden, vom Medizinischen Dienst geprüft werden.» Man schaffe mit dem Gesetz klare und praxistaugliche Regeln, die den Einrichtungen mehr Zeit für die Menschen gebe, statt sie in unnötiger Bürokratie zu fesseln.
Mitsprache
Mit dem Gesetz wird außerdem die bisher verpflichtende Mitsprache von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen durch einen Heimbeirat abgeschafft. Der Gesetzentwurf sieht künftig nur noch vor, dass die Einrichtungen die Mitwirkung gewährleisten und fördern sollen.
Die Sozialverbände kritisieren das scharf und fürchten, dass Bewohnerinnen und Bewohner damit künftig eines ihrer wichtigsten Beteiligungsinstrumente verlieren. «Die vorgesehene Abschwächung der Mitwirkung bedeutet de facto einen Ausschluss der Betroffenen von Entscheidungen, die ihr tägliches Leben und ihre Lebensqualität unmittelbar betreffen», schreiben die 15 Verbände. Das Sozialministerium hatte dagegen bereits früher argumentiert, dass sich vielerorts nicht genügend Personen fänden, die in den Heimbeiräten wirken wollten.
Kontrollen
Auf Kritik stößt auch eine geplante Neuregelung bei den Kontrollen von Pflegeheimen. Bislang müssen Pflegeheime grundsätzlich einmal pro Jahr von der Heimaufsicht, die bei den Landkreisen angesiedelt ist, kontrolliert werden. Die Prüfungen erfolgen in der Regel unangemeldet. Zudem gibt es anlassbezogene Prüfungen, etwa wenn sich Bewohner oder Angehörige beschwert haben.
Mit dem Gesetzentwurf will das Land die Abstände zwischen den Regelkontrollen ausdehnen. Künftig soll nicht mehr jede, sondern nur noch knapp jede dritte Einrichtung jährlich kontrolliert werden. Welche genau, entscheidet die Heimaufsicht. Mindestens alle fünf Jahre soll so jede Einrichtung geprüft werden. Die anlassbezogenen Kontrollen sollen weiter bestehen bleiben - und auch die Überprüfungen durch den MD, der die Qualität der Pflege in den Einrichtungen kontrolliert.
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