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Individuelle und flexible Hilfe für Familien

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Andrea Pilarek ist gern auf Achse. Die Mitarbeiterin der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf kann sich nicht vorstellen, wieder stationär zu arbeiten. Foto: Holm Wolschendorf
Andrea Pilarek arbeitet seit 17 Jahren bei der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf – Klienten kommen aus allen sozialen Schichten

REMSECK/LUDWIGSBURG. Erziehungsprobleme, Schulverweigerung, selbstverletzendes Verhalten, Bettnässen, aber auch Scheidung oder Sucht eines Elternteils können dazu führen, dass Familien Unterstützung von außen brauchen. Um in Notsituationen individuell zu helfen und die „Knoten des Alltags“ zu lösen, dafür ist Andrea Pilarek ständig auf Achse. Die 51-Jährige arbeitet seit 2001 bei der Evangelischen Jugendhilfe Hochdorf im Bereich Flexible Hilfen, die in verschiedenen Kommunen Standorte hat und im gesamten Landkreis tätig ist.

 

„Vorher war ich im stationären Bereich in Koblenz tätig. Dabei wurde mir klar, dass ich Hilfe leisten möchte, bevor die Kinder aus der Familie raus in eine Wohngruppe kommen“, erklärt Pilarek, dass bei frühzeitiger Unterstützung oft Lösungen für einen Familienzusammenhalt erarbeitet werden können. Manchmal melden sich die Eltern selbst, in anderen Fällen Kindergarten oder Schule, dass eine Familie mit ihren Problemen nicht allein zurechtzukommen scheint. Das kann schon Kleinkinder in der Trotzphase betreffen oder Jugendliche in der Pubertät. In einem Aufnahmegespräch mit Jugendamt, Jugendhilfe und Betroffenen werden dann Ziele formuliert. Danach beginnen die Hausbesuche, die je nach Bedarf einmal oder mehrmals wöchentlich stattfinden.

 

Die Familie in ihrem privaten Umfeld zu erleben, ist für Pilarek sehr hilfreich und für die Familie in der Regel besser zu meistern als ein Besuch im Büro der Jugendhilfe. „Im Durchschnitt dauert ein Besuch 1,5 Stunden“, erzählt die Sozialarbeiterin. Wichtig ist, dass die ganze Familie bereit ist, Hilfe zu akzeptieren. „Wir handeln dann Regeln aus, zum Beispiel für ein respektvolles Miteinander“, erzählt Pilarek. Wichtig sei es, kleine Schritte zu gehen und nicht alles auf einmal ändern zu wollen. „Die Kinder werden einbezogen. Wir wollen ihnen eine Stimme und die Gelegenheit geben, die Situation aus ihrer Sicht zu schildern. Die Kinder sind oft sehr kooperationsbereit und überraschen damit ihre Eltern“, erzählt die Sozialarbeiterin, dass ihr Hauptarbeitsfeld die Stärkung der Erziehungskompetenz sei. Eltern werden angeleitet, konsequent zu sein.

 

„Eltern haben oft Vorstellungen, wie es im Alltag laufen sollte, und bedenken nicht, dass Kinder ihren eigenen Kopf haben“, nennt die Sozialarbeiterin einen Aspekt für Familienprobleme. „Wichtig sind auch gemeinsame, schöne Erlebnisse.“ Eltern und Kinder bekommen Aufgaben, beim nächsten Besuch wird dann reflektiert, was gut klappt und an welcher Stelle es noch klemmt. So geht es Schritt für Schritt voran. Zwischen einem halben und zwei Jahren steht sie den Familien zur Seite.

 

Zu den Klienten gehören Familien aller sozialen Schichten, die wohlsituierte Akademikerfamilie ebenso wie bildungsferne Eltern. Jeder Fall ist anders, jede Familie hat ihre eigenen Nöte. Momentan betreut Pilarek zehn Familien. Auch Schulgespräche gehören zu ihren Aufgaben.

 

Durch Ganztagesschule und Berufstätigkeit beider Elternteile wird es immer schwieriger, Termine zu finden. „Die beste Zeit ist zwischen 17 und 19 Uhr, aber das reicht eben nicht für alle Familien“, muss die Sozialarbeiterin die frühen Abendstunden für diejenigen aufheben, bei denen es wirklich keine andere Möglichkeit gibt. Nach einem Besuch erledigt sie oft die Dokumentation gleich im Auto, bevor sie zur nächsten Familie weiterfährt. Dann ist der Fall für sie erst einmal abgeschlossen und sie kann sich geistig schon auf die nächste Familie einstellen.

 

Neben der individuellen Unterstützung bietet die Jugendhilfe zusätzlich ein buntes Aktivitäten-Programm an, um Familien zusammenzubringen und Eltern wie Kindern schöne Erlebnisse zu verschaffen. Etwa zweimal im Monat gibt es Freizeitaktionen wie Waldrallye, Wanderungen, Grillen oder Zoobesuch, die die Sozialarbeiter der flexiblen Hilfen im Wechsel begleiten und betreuen.

 

Andrea Pilarek kann sich nicht vorstellen, wieder stationär zu arbeiten. Ihr gefällt es, auf Achse zu sein und die Menschen ein Stück ihres Weges hilfreich zu begleiten. „Dankbar erlebe ich Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit, die mir entgegengebracht werden“, so Pilarek, die Empathie, Geduld, Klarheit und Standfestigkeit als wichtige Voraussetzungen für ihre Arbeit nennt.