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Möglicher Deponiestandort Großbottwar
Bauern sind mehr als entsetzt

Hans Gabler, Jürgen Fink und Martin Föll vor der Fläche hinter dem Sauserhof, die im Gespräch für eine Erddeponie ist.Foto: Andreas Essig
Hans Gabler, Jürgen Fink und Martin Föll vor der Fläche hinter dem Sauserhof, die im Gespräch für eine Erddeponie ist. Foto: Andreas Essig
Diese Ackerflächen am Rand von Großbottwar müssten der Deponie weichen. Archivfoto: Andreas Essig
Diese Ackerflächen am Rand von Großbottwar müssten der Deponie weichen. Foto: Andreas Essig
„Das ist der absolute Wahnsinn. Da zerstört man Landwirtschaft und Natur“, empört sich Jürgen Fink. Gemeinsam mit seinen Kollegen Helmut Gabler und Martin Föll wehrt er sich gegen den von der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg vorgeschlagenen Standort für eine Deponie auf den Feldern zwischen Großbottwar und Oberstenfeld und hofft auf die Unterstützung der Bevölkerung.

Großbottwar. Pünktlich zur Besichtigung der Fläche unterhalb des von Weinreben und Streuobstwiesen umrankten Köchersbergs mit der Presse warten sogar einige Rehe auf den Feldern, die allerdings sofort das Weite suchen – als ob sie schon ahnten, welch Ungemach auf sie zukommen könnte. „Das sind mehr als die angegebenen 45 Hektar“, ist sich Helmut Gabler sicher und zeigt mit dem Finger dorthin, wo die Fläche liegt: Vom Wasserhochbehälter in Großbottwar bis zum Hochbehälter am Heubach in Oberstenfeld verläuft eine Wasserleitung, die Fläche rechts davon bis zu den Streuobstwiesen hat die AVL neben Hemmingen als möglichen Standort für eine neue Erddeponie auserkoren; die bisherige in Schwieberdingen soll in zehn Jahren stillgelegt werden. Die AVL spricht von 45 Hektar, was die drei Landwirte aber nicht glauben, sie tippen auf bis zu 60 Hektar Flächenbedarf, zumal auch Grund und Boden für eine Straße oder Ausgleichsflächen benötigt würden. „Die Rebflächen am Lichtenberg umfassen 55 Hektar“, verdeutlicht Gabler die Dimension und deutet auf den gegenüberliegenden Berg. Hier befinden sich landwirtschaftliche Flächen, teils sehr wertvolle. „Wir hatten hier trotz Trockenheit gute Erträge bei Weizen und bei Mais“, erzählt Gabler, der mit rund 13 Hektar Fläche in Eigentum oder Pacht betroffen ist. Auch die Kollegen ernten hier auf bis zu 20 Hektar Weizen, Mais, Raps und Gerste. Rechne man mit einem Ertrag von acht Tonnen pro Hektar werde deutlich, wie viel Fläche für die Lebensmittelproduktion verloren ginge. Dabei habe Dietmar Allgaier doch immer betont, dass die Lebensmittelversorgung Priorität habe, nimmt Gabler den Landrat in die Verantwortung.

Einbußen bei Biogasanlagen und Geflügelhof

Nehme man dann noch die Flächen dazu, die neuen Baugebieten weichen müssten, könnten er und seine Kollegen gleich als Bauarbeiter oder am besten bei der AVL arbeiten, bemerkt Föll sarkastisch. Der Inhaber des Geflügelhofes ist zudem mit der Viehhaltung tangiert, weil ein gewisser Flächenbesitz vorgeschrieben ist, damit man als landwirtschaftlicher Betrieb gilt. Natürlich befürchten Jürgen Fink und Martin Föll auch Einbußen bei ihren Biogasanlagen. „Wir versorgen rund 3000 Haushalte mit Strom und Wärme und sorgen für eine gewisse Flexibilität bei der Stromversorgung“, betont Fink und will die Bevölkerung, aber auch die Eigentümer der Flächen sensibilisieren. „Wir haben viele Flächen gepachtet, vor allem in Richtung Wasserhochbehälter ist die Landschaft in sehr kleine Parzellen unterteilt“, erklärt Gabler.

Hinzukommen die Flächen für den Verkehr, die noch gar nicht konkretisiert worden seien. Eine Umgehungsstraße müsste von der Großbottwarer Reithalle auf die Landesstraße nach Backnang führen, auch hier werden immense Flächen verbraucht.

Aber auch die Auswirkungen auf das Landschaftsbild seien verheerend, empört sich Jürgen Fink. Bis zu 30 Meter hoch werde die Fläche aufgefüllt, da sehe man den Köchersberg in Zukunft nicht mehr. Und Gabler erinnert an die Diskussionen um das Gewerbegebiet Holzweilerhof vor einigen Jahren, wo so viel Wert auf den Landschaftsschutz und den Erhalt der Kulturlandschaft gelegt worden sei. Das Tal der Liebe oder die schwäbische Toskana, wie das Bottwartal auch gerne genannt wird, sei zudem Naherholungsgebiet.

Steinbrüche in Rielingshausen und Mundelsheim als Alternativen?

Die drei Landwirte befürchten auch, dass es bei einer reinen Erddeponie nicht bleibt. Es müsse doch Alternativen geben, findet Gabler, und nennt die Steinbrüche in Rielingshausen, Mundelsheim oder Ditzingen-Hirschlanden. „Da muss es doch eine Möglichkeit geben, das Material zum Auffüllen zu verwenden“, so sein Vorschlag. Jürgen Fink stellt zudem die Frage nach der Wiederverwendung. „Alles kann man recyclen, nur Erde nicht.“ Lediglich der Mutterboden dürfe abgegraben und woanders wieder aufgebracht werden. „Da muss man Ideen sammeln“, fordert Fink.

AVL bittet um Sachlichkeit

Zwei Botschaften schiebt die AVL nach der Aufsichtsratssitzung zum Thema Erddeponie nach: „Erstens: Es ist noch keine Standortentscheidung gefallen; und zweitens: Es geht uns nicht um einen Deponiestandort im herkömmlichen Sinne, wir sprechen von einem Zukunftsstandort“, so Geschäftsführer Tilmann Hepperle.

Bei der Flächenanalyse sei geprüft worden, welche Flächen überhaupt in geologischer Hinsicht geeignet sind oder ob es Einschränkungen wegen Wasserschutz- und Landschaftsschutzgebieten gebe. Die Suche nach einem neuen Deponiestandort sei von großer Bedeutung, um eine sachgerechte Ablagerung der im Landkreis entstehenden mineralischen Abfälle zu sichern und weite Transportwege zu vermeiden.

Der Vorwurf, dass Landkreis und AVL bereit seien, leichterhand ökologisch und landschaftlich wertvolle Flächen zu opfern, gehe an der Sache vorbei. „In dieser wichtigen Frage sollten wir uns nicht einseitig von Emotionen leiten lassen, sondern von Fakten und vom sachlichen Für-und-Wider“, so Hepperle. (red)